In der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder stand er mehrmals kurz vor dem Rauswurf. Damals spielte er den politischen Rammbock, verhinderte manchen Konsens mit Hohn und Galle. Einmal sprang ihm in höchster Not sogar seine Mutter öffentlich zur Seite, ihm, der sonst sein Privatleben samt Lebenspartnerin, angenommener Tochter und Enkelin strikt abschirmt. Mutter Helene beschrieb den Sohn als friedliebend und den Mitmenschen zugewandt.
Sein Wandel begann nach der verlorenen Bundestagswahl 2005. Er fing in der Opposition wieder ganz unten an, unterlag bei der Wahl zum Fraktionschef. Der Ex-Umweltminister wurde Fraktionsvize für Außenpolitik. 2009 setzte er sich dann doch als Fraktionschef durch. Trittin besetzt seither die Finanz- und Europapolitik. Staatsverschuldung und Euro-Krise bestimmen die Politik auf Jahre, ein Finanzminister ist mächtiger als ein Außen-Ressortchef. Eigene Ideen hat er nicht geliefert, vehement fordert er Euro-Bonds, als wäre das jetzt endlich das Enteignungsinstrument für die bürgerliche Klasse, dass er in der Sturm- und Drangzeit nie in die Hand bekam.
Thea Dückert, ehemals Grünen-Wirtschaftsexpertin im Bundestag, kennt Trittin seit den Achtzigerjahren – und sie kennt sein Kalkül, sich Themen zu suchen, die Macht versprechen. „Das ist sicher ein Grund, warum er heute auch inhaltlich bei den Grünen unangefochten ist.“ Er stehe eher links, allerdings habe er nun mildere Züge angenommen.
Sehr verlässlich
Widersprüche pflastern seinen Weg. Altkanzler Schröder lobt den damals unpopulärsten Minister als sehr verlässlich. Ähnliches hört man rund um den Unternehmer Großmann: Ja, verlässlich sei er, und offen – zumindest hinter verschlossenen Türen.
Trittin ist machtbewusst und doch notorisch widerspenstig. Privat feinsinnig und politisch schneidend. Selbst langjährige Weggefährten werden selten schlau aus seinen zwei Gesichtern. So stieß er Parteifreunde, mit denen er sich privat gut verstand, bei Konflikten vor den Kopf, bekämpfte sie erbittert. Würden sich Grüne nicht berufsmäßig duzen, wäre das eisige „Sie“ Umgangston geworden.
Respekt
Manche, die unter Trittin zu leiden hatten, erinnern sich: „Früher hat er öfter rumgebrüllt und war aufbrausend.“ Doch sei er nicht immer mutig gewesen. „Jürgen hat sich in schwierigen Situationen erst mal nicht festgelegt.“ Wenn es heikel wurde, etwa als die Grünen 1999 Kampfeinsätze im Kosovo mittragen sollten, musste Joschka Fischer die Partei überzeugen. Trittin wollte das linke Lager, das ihm Mehrheiten beschaffte, nicht verärgern.
Doch Parteileute zollen auch Respekt – trotz mancher Jürgen-Wunden: „Er ist moderater und moderierend geworden. Er hat sich mit diesem Land versöhnt.“ Früher habe er die Bundeswehr abgelehnt. „Heute ärgert er sich über andere, die das tun.“