Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern Merkels heikle Wahl

Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern könnte die CDU drittstärkste Kraft werden – und zwar hinter der AfD. Damit droht der Kanzlerin eine neue Debatte zu ihrer Flüchtlingspolitik. Weitere Hürden stehen bevor.

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Am Wochenende wird in Merkels Landesverband gewählt. Das Ergebnis wird sie aber nur aus der Ferne verfolgen. Der G20-Gipfel in China steht an. Quelle: Reuters

Berlin Wenn am Sonntag um 18.00 Uhr die Prognosen der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht werden, kann CDU-Chefin Angela Merkel dies nur aus der Ferne in China verfolgen: Die Bundeskanzlerin weilt ausgerechnet am Tag der Wahl in ihrem CDU-Landesverband auf dem G20-Treffen in Hangzhou. Auch am Montag wird es deshalb statt des traditionellen gemeinsamen Auftritts mit dem Wahlkämpfer im Konrad-Adenauer-Haus nur eine Telefonschalte des CDU-Bundesvorstands geben, um die Ergebnisse zu bewerten.

Einer am Mittwoch veröffentlichten Insa-Umfrage zufolge hat die AfD gute Chancen, zweitstärkste Kraft zu werden. Hinter der SPD (28 Prozent) liegt die AfD laut der aktuellen Umfrage mit 23 Prozent auf Platz zwei. Erst dann folgt die CDU mit 20 Prozent.

Ein solches Ergebnis dürfte sowohl die Debatte über den Kurs der Union als auch die vierte Kanzlerkandidatur Merkels erneut anheizen, erwarten viele in der Union. „Da ist es nur wenig Trost, dass die viel größeren Verluste wohl die SPD und die Linkspartei einfahren werden“, heißt es in der CDU in Schwerin.

Weshalb sich sofort die Schuldfrage stellt: CDU-Spitzenkandidat und Innenminister Lorenz Caffier beklagt vorsorglich, dass Bundesthemen und vor allem die Flüchtlingsfrage alle Landesthemen überschatten würden. „Und das in einem Bundesland, das überhaupt kein Flüchtlingsproblem hat und jeden Neuankömmling innerhalb von vier Tagen registriert und auf die Kommunen überweist“, betonte er am Montag bei einem Auftritt in Schwerin. „Wir werden im Wahlkampf nur auf das Flüchtlingsthema angesprochen, nicht aber auf die immer besser laufende Wirtschaft“, klagt auch der CDU-Landtagsabgeordnete Wolfgang Waldmüller. AfD und die rechtsradikale NPD hätten der Wahl mit ausländerfeindlicher Angstmache ihren Stempel aufgedrückt, räumt man mittlerweile in allen etablierten Parteien ein. Die zunehmende Polarisierung und damit auch der Vandalismus im Wahlkampf seien die Folgen.

Doch es gibt auch Kritik, dass die CDU dies mitbefördert hat. „Liegt die AfD am Ende vor der CDU, wäre dieses Ergebnis hausgemacht“, sagt etwa der Chef des Umfrageinstituts Forsa, Manfred Güllner, zu Reuters. „Kurz vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin (18. September) ausgerechnet die Innere Sicherheit zu thematisieren, war ein Fehler und spielt nur der AfD in die Hände“, kritisierte er mit Blick auf die „Berliner Erklärung“, die Caffier und Berlins Innensenator und Spitzenkandidat Henkel vor kurzem präsentierten.

Das Papier hatte zum einen die seither wabernde Debatte über das Burka-Verbot angestoßen. Es sei zum anderen nicht besonders überzeugend, dass ausgerechnet zwei seit Jahren amtierende Innenminister nun mehr Sicherheit forderten, sagt Güllner. Mitverantwortlich sei zudem auch CSU-Chef Horst Seehofer mit seiner ständigen Kritik an Merkel.


Weiterer Rückschlag in Berlin befürchtet

Dazu kommt die Personalfrage. Der langjährige Landesvorsitzende Caffier gilt zwar parteiintern als unumstritten, ist aber nicht so populär, dass er SPD-Ministerpräsident Erwin Sellring verdrängen könnte. Der als „Macher“ geltende 38-jährige CDU-Fraktionsvorsitzende in Schwerin, Vincent Kokert, zierte sich bislang mit dem Sprung an die Parteispitze in Mecklenburg-Vorpommern.

Gerade wegen des Flüchtlingsthemas probierte die CDU diesmal ein anderes Wahlkampfkonzept aus: So war Merkel statt auf Marktplätze lieber auf Themenveranstaltungen zur Landwirtschaft oder Wirtschaft aufgetreten. Aber wie bei den drei Landtagswahlen im März zeigt sich nun auch in Mecklenburg-Vorpommern die Tendenz, dass die Partei des jeweiligen Ministerpräsidenten in den Tagen vor der Wahl zulegt.

Das mag auch daran liegen, dass die Machtperspektiven für die CDU in dem nordöstlichen Bundesland mit nur 1,3 Millionen Wählern sehr schwierig sind: Eigentlich kann sie mangels anderer Koalitionsmöglichkeiten nur auf die Fortsetzung der großen Koalition unter SPD-Führung hoffen – als Juniorpartner.

Forsa-Chef Güllner warnt jedoch vor einer Überinterpretation der Ergebnisse am Sonntag. „Die Wahl hat mit ihren ganzen Besonderheiten nur eine sehr geringe Aussagekraft für ganz Deutschland.“ Sie sei auch kein Votum über Merkel, sondern eines über Caffier. Dennoch erwartet auch Güllner eine erneute Debatte über die Rolle der Kanzlerin, deren Werte trotz eines Rückgangs aber immer noch sehr gut seien. Weder Mecklenburg-Vorpommern noch Berlin sagten im übrigen etwas über das Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 aus. „Die CDU mobilisiert immer gut bei Bundestagswahlen, meist schlecht bei Landtagswahlen.“ Er verweist auf die Wahl in Baden-Württemberg: Im März erzielte die CDU dort nur 27 Prozent – aber bei der gleichzeitig durchgeführten Umfrage gaben 40 Prozent an, dass sie bei Bundestagswahlen für die Union gestimmt hätten.

Ob Merkel dieser Hinweis trösten wird, wenn sie in China die Wahlergebnisse hört, ist ungewiss. Ihre parteiinternen Kritiker und die CSU wollen eher einen Zusammenhang zwischen einem schlechten Ergebnis in Schwerin und der Umfrage herstellen, dass nur noch 42 Prozent eine vierte Amtszeit der Kanzlerin befürworten.

Sie erwarten zudem einen Absturz auch bei der Berlin-Wahl, wo die CDU sogar unter 20 Prozent landen könnte. Da es dann Debatten im Bundesvorstand und in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geben könnte, will Merkel nach Angaben aus der CDU sicherstellen, nach dem 18. September in Berlin zu sein.

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