Mindestlohn-Erhöhung Ein kluger Kompromiss

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll bis zum 1. Juli 2022 in vier Stufen von derzeit 9,35 Euro auf 10,45 Euro steigen. Quelle: dpa

Erst weniger als möglich, dann umso kräftiger: Der Vorschlag zur Erhöhung der Lohnuntergrenze beweist, dass Sozialpartnerschaft funktionieren kann, auch in harten Zeiten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Ja, es wurde gerungen; ja, es wurde gestritten. Und der anberaumte Termin für die Pressekonferenz kurzerhand abgesagt. Und trotzdem: Was die Mindestlohnkommission an diesem Dienstagnachmittag mit ein paar Stunden Verspätung der Bundesregierung vorschlug, trägt alle Züge eines Kompromisses – eines ökonomisch klugen Kompromisses.

Von heute 9,35 Euro steigt der Mindestlohn zum Jahreswechsel nur auf 9,50 Euro, im Juli 2021 dann auf 9,60, es folgen Schritte auf 9,82 (ab Januar 2022) und schlussendlich auf 10,45 ab Mitte 2022. Kurz gesagt: Erst bleiben die Sprünge deutlich unter dem rechtlich möglichen, später geht es dann kräftig hinauf, auch über die symbolische Marke von 10 Euro Stundenlohn.

Letzteres werden die Gewerkschaften als ihren Sieg zu feiern wissen. Die Arbeitgeber wiederum haben für eine höchst gefährdete, meist nicht besonders qualifizierte Beschäftigtengruppe dafür gesorgt, dass die Lohnkosten in der gegenwärtigen tiefen Rezession nicht Überhand nehmen.

von Volker ter Haseborg, Max Haerder

Der Vorschlag der unabhängigen Kommission um den Vorsitzenden Jan Zilius, in der beide Seiten vertreten sind, erweist sich damit einmal mehr als ökonomisch klug, flexibel und ausbalanciert. Kurzum, er dokumentiert die Vorzüge einer funktionierenden Sozialpartnerschaft (unter, natürlich, politisch gesetzten Leitplanken).

Unterm Strich wird die Coronakrise nun weder vorrangig in den Portmonees von Kleinverdienern ausgetragen, noch derart üppig draufgepackt, dass erstmals seit Einführung der Untergrenze Entlassungen im größeren Stil wegen des Lohns drohen. Diese Lösung verkennt nicht die Zwänge der Krise, aber sie lädt die daraus erwachsenden Anpassungslasten nicht bei den Schwächsten ab.

Anders gesagt: Die soziale Marktwirtschaft bewährt sich.

Mehr zum Thema
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, muss Deutschlands Arbeitsvermittler durch die Rezession steuern. Hier spricht er über tiefe Einbrüche, schlechte Ideen der Politik – und macht Hoffnung auf eine neue Ära der Vollbeschäftigung nach Corona: „Wenn man diese Krise schon durchleben muss, ist Deutschland eines der besten Länder dafür“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%