Nach Lucke-Abgang Unternehmer verlassen die AfD

Erst wurde Bernd Lucke als Parteichef abgesägt, dann ging Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Nun verlässt eine Reihe von Unternehmern die AfD, darunter Hans Wall und Hans Hermann Schreier. Sie alle haben eine gemeinsame Sorge.

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Die neu gewählte AfD-Vorsitzende Frauke Petry auf dem Parteitag der AfD. Quelle: dpa

Wenn es um Benehmen und Höflichkeit geht, macht Hans Wall keine Kompromisse. Und aus diesem Grund ist das Thema AfD nun für den Unternehmer beendet. „Ich trete noch in dieser Woche aus der Partei aus“, sagt der Gründer der Wall AG, dem auf Außenwerbung spezialisierten Unternehmen mit Sitz in Berlin. „Es hat mir überhaupt nicht gefallen, wie Parteigründer Bernd Lucke beim Bundesparteitag behandelt wurde. Das gehört sich nicht.“

Über Monate hatten die Unternehmer in der Partei stillgehalten, den hässlichen Flügelkampf ertragen, in der Hoffnung dass sich die Spitzenkräfte Bernd Lucke und Frauke Petry am Ende versöhnen würden. Doch beim Bundesparteitag am Wochenende war das Gegenteil eingetreten. Parteigründer Lucke wurde abgewählt und unter Buhrufen und Anfeindungen regelrecht vom Hof gejagt. Am Mittwochabend kündigte Lucke dann an, aus der Partei austreten zu wollen.

Den meisten Wirtschaftsliberalen war das offenbar zu viel. Hans Hermann Schreier, Aufsichtsratschef der Nanofocus AG aus Oberhausen und Vorstand im Mittelstandsforum der AfD, schließt sich Hans Wall an: „Ich werde mich in den nächsten Tagen von allen Ämtern zurückziehen, sowohl beim Mittelstandsforum als auch aus als Kreisvorsitzender.“ Unter Frauke Petry werde die AfD „bestenfalls noch ein rechtes Sammelbecken sein, mehr aber nicht.“ Und übrigens: Sein halber Kreisverband trete ebenfalls aus, genauso wie eine weitere Vorstandskollegin Margot Rheinheimer-Bradkte.

Wird die AfD langfristig erfolgreich sein?

Viele Unternehmer haben Sorge, dass sie mit Rechtsradikalen in Verbindung gebracht werden könnten. Für Hans Wall machen die neue Vorsitzende Frauke Petry und ihr Stellvertreter Alexander Gauland zwar „eigentlich einen guten Eindruck“, wie er sagt. „Mit den Rechten in der Partei will ich aber nichts zu tun haben.“ Schon im vergangenen Oktober hatte sich Daniel Wall, Sohn des Firmengründers und heutiger Vorstandsvorsitzender, öffentlich von seinem Vater distanziert.

Auch zwei Landesvorsitzende des Mittelstandsbündnisses bestätigen gegenüber der WirtschaftsWoche ihren Parteiaustritt. Susanne Schreier, Inhaberin einer Managementberatung in Oldenburg und Mittelstandsbeauftragte in Niedersachsen, erklärt das mit den Vorkommnissen auf dem Parteitag: „Die AfD wird jetzt zur Pegida-Partei. Auf dem Parteitag hat sich eine braune Masse erhoben, das habe ich nicht ausgehalten.“

Für Lothar Hofer, bislang NRW-Vorsitzender des Mittelstandsforums, ging von dem Parteitag eine eindeutige Botschaft aus: „Eine AfD, die diesen Rechtsruck vollzogen hat und bei der die Religionsfreiheit mit Buh-Rufen zu Grabe getragen wird, gehört nicht in eine freiheitliche Demokratie“, schreibt er in einer E-Mail, mit der er seinen Rücktritt erklärt. Über die verbleibenden Mitglieder fällt er ein eindeutiges Urteil: „Das Elend der Kriegsflüchtlinge wird von Pöblern und Stammtischbrüdern mit Buh-Rufen abgetan. Wer das noch weiter mittragen will, hat sich für Deutschland disqualifiziert.“

600 Mitglieder sind bereits aus der AfD ausgetreten

Damit setzt sich im Unternehmerflügel der Aderlass fort, welcher unmittelbar nach dem Parteitag bereits unter Luckes Getreuen begonnen hatte. So erklärten unter anderem der Euro-Kläger Joachim Starbatty, Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, die AfD-Landesvorsitzenden sowie Europaabgeordneten Bernd Kölmel (Baden-Württemberg) und Ulrike Trebesius (Schleswig-Holstein) bereits ihren Rücktritt. Auch Publizist Konrad Adam erwägt einen Austritt. Insgesamt waren laut Bundesgeschäftsstelle rund 600 Mitglieder nach dem Parteitag aus der AfD ausgetreten.

Die neue Parteivorsitzende Frauke Petry versucht indes die Austrittswelle zu stoppen. In einer E-Mail bittet sie die Mitglieder, „keine übereilten Entscheidungen zu treffen“. Gleichzeitig distanziert sie sich von dem pöbelhaften Verhalten einzelner Teilnehmer des Bundesparteitages. „Wir werden uns weiterhin von radikalen und extremistischen Positionen abgrenzen“, verspricht sie.

Die AfD – neue Volkspartei oder kurze Protestepisode?

Heinrich Weiss, Aufsichtsratschef des Industriekonzerns SMS Siemag und prominenter Unterstützer der AfD, macht das Schicksal der Partei vom Programm abhängig, dass diese sich im Herbst geben will. Den Abgang Luckes sieht Weiss einerseits als Verlust: „Sein Abgang ist bedauerlich, er was das wirtschaftspolitische Hirn der Partei.“ Dennoch glaubt der Unternehmer an Kontinuität: „Es besteht eine gute Chance, dass die AfD auch unter Frauke Petry marktwirtschaftlich und familienkonservativ bleibt.“

Doch an der offensichtlichen Spaltung ändern solche Durchhalteparolen wenig. Die austrittswilligen Unternehmer sehen sich allesamt als die Spitze einer Bewegung. „Mit mir wollen gut 50 Prozent des Kreisverbandes Cuxhaven gehen“, sagt beispielsweise Unternehmerin Schreier.

Der abgewählte Parteivorsitzende Bernd Lucke erwägt unterdessen die Gründung einer neuen Partei, die aus seinem Verein „Weckruf 2015“ hervorgehen könnte. Mehr als 4000 Mitglieder hatten diesen Appell in den vergangenen Wochen unterschrieben, um in der Partei eine klare Abgrenzung nach Rechtsaußen durchzusetzen. In den kommenden Tagen sollen sie jetzt abstimmen, was sie von einer Neugründung halten. Unternehmer Hans Wall ist begeistert von der Idee. „Sollte Bernd Lucke eine neue Partei gründen, bin ich dabei.“

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