Nutzer von Facebook & Co. Bundesweite BKA-Razzia gegen Hassposter

Der Staat setzt ein Zeichen gegen Hasskriminalität im Netz – mit einer Razzia in 14 Bundesländern. Zugleich kommt in die Debatte um das Facebook-Gesetz Bewegung. Die Union fordert Änderungen an zentralen Punkten.

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Bei der Razzia stehen vor allem Nutzer sozialer Medien wie Facebook und Twitter im Fokus. Quelle: dpa

Berlin Wer geglaubt hat, der Staat wäre ohne ein Gesetz zur Bekämpfung von Hasskommentaren und Verleumdung im Netz handlungsunfähig, sieht sich heute einmal mehr eines Besseren belehrt. Seit dem frühen Morgen sind bundesweit 23 Polizeidienststellen im Einsatz. In Brandenburg, Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und im Saarland führen sie Wohnungsdurchsuchungen, Vernehmungen und weitere Maßnahmen gegen 36 Beschuldigte durch. Das Bundeskriminalamt (BKA) koordiniert den Aktionstag wie im vergangenen Jahr.

Das nach wie vor hohe Aufkommen von strafbaren Hasspostings zeige weiterhin polizeilichen Handlungsbedarf. „Unsere freie Gesellschaft darf sich ein Klima von Angst, Bedrohung, strafbarer Hetze und Gewalt weder auf der Straße noch im Internet gefallen lassen“, sagte BKA-Präsident Holger Münch. Polizei und Justiz gingen daher heute erneut „entschlossen und gemeinsam gegen Internethetzer vor, ganz gleich, ob die dahinter stehenden Taten links, rechts oder sonstig motiviert waren“.

Die Taten, um die es geht, sind nach BKA-Angaben überwiegend politisch rechts motivierte Volksverhetzungen. Die Polizei gehe aber auch gegen einen Hassposter aus der Reichsbürgerszene sowie zwei politisch links motivierte Täter vor. In einem anderen Fall sei die sexuelle Orientierung des Opfers Angriffsziel eines Hasspostings.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nannte die Entschlossenheit der Behörden ein wichtiges Signal. „Wer strafbare Inhalte im Netz verbreitet, wird konsequent verfolgt und zur Rechenschaft gezogen“, sagte er.  „Den Rassisten, Volksverhetzern und Demokratiefeinden sei klar gesagt: Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt“. Das Strafrecht gelte im Netz genauso wie auf der Straße.

Maas warnte vor den Folgen der Hasskriminalität im Netz. „Der Verbalradikalisierung im Internet folgen oft auch die Taten auf der Straße“, sagte er. Eine Verrohung der Sprache müsse daher Einhalt geboten und strafbare Inhalte konsequent verfolgt werden.

Das Vorgehen gegen Hasspostings beschäftigt den Minister schon lange auch auf anderer Ebene. Mit seinem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das derzeit im Bundestag beraten wird, will Maas die sozialen Netzwerke zwingen rechtswidrige Inhalte konsequenter zu entfernen. Das Gesetz ist heftig umstritten. Bei einer Expertenanhörung im Bundestag am gestrigen Montag wurde es fast durchgängig kritisch bewertet. Nicht nur Vertreter der Digital-Wirtschaft bemängelten den Maas-Entwurf, sondern auch Rechtswissenschaftler und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen.

Angesichts der massiven Vorbehalte fordert die rechtspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Konsequenzen. Der Gesetzentwurf müsse „in zentralen Punkten geändert werden, um den notwendigen schonenden Ausgleich von grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechten und dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu gewährleisten“, sagte die CDU-Politikerin.


Was die Union am Facebook-Gesetz ändern will

Dazu sei es notwendig, von den Plattformbetreibern die Einrichtung „funktionierender Beschwerdesysteme“ zu verlangen. „Dabei muss sichergestellt werden“, wo Winkelmeier-Becker, „dass rechtmäßige Inhalte nicht aus Sorge vor hohen Bußgeldern von den Netzwerkbetreibern gelöscht werde.“

Die CDU-Politikerin schlägt vor, sich bei der Aufsicht über das Beschwerdemanagement der Netzwerkbetreiber an den im Jugendmedienschutz etablierten Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle zu orientieren.

Wie Winkelmeier-Becker weiter sagte, bestätigten die Experten in der Anhörung „unsere Einschätzung, dass die Durchsetzung von Strafandrohungen und auch von zivilrechtlichen Ansprüchen gegen die Hetzer selbst ein wichtiges Signal mit präventiver, regulierender Wirkung haben würde“. Deshalb müssten die Plattformbetreiber zur Bekanntgabe einer inländischen Zustellungsadresse verpflichtet werden. Das steht aber bereits im Gesetz. Für den Umgang mit den deutschen Behörden und Gerichten müssen die Plattformbetreiber demnach einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen.

Außerdem, so die CDU-Politikerin, müssten die Firmen auf Anforderung der Staatsanwaltschaft und auch gegenüber den Opfern von Hatespeech „zur schnellen Information über die Bestandsdaten eines Nutzers verpflichtet werden“.

Mit dem von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen wortgleich eingebrachten Gesetzentwürfen „zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ soll die bereits jetzt bestehende Pflicht der Betreiber von Internet-Plattformen, offensichtlich rechtswidrige Inhalte zu löschen, wirksamer durchgesetzt werden. Insbesondere Twitter und Facebook kommen dieser Pflicht nach Erkenntnissen der Bundesregierung nur sehr unzureichend nach.

Mit dem neuen Gesetz sollen die Plattformbetreiber verpflichtet werden, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden vorzuhalten. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen demzufolge in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt beziehungsweise gesperrt werden. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro - nicht im Einzelfall, sondern bei systematischem Versagen der sozialen Netzwerke.

Die Beurteilung dieses Gesetzentwurfs in der Anhörung reichte von der Einschätzung, dass er in der jetzigen Form verfassungswidrig sei, bis zur Aussage des Hamburger Staatsanwalts Ulf Bornemann vom Deutschen Richterbund, der ihn mit geringen Einschränkungen begrüßte. Bornemann hob insbesondere die vorgesehene Verpflichtung hervor, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Da die großen Plattformen in den USA säßen, müssten für die Verfolgung strafbarer Äußerungen im Internet regelmäßig Rechtshilfeersuchen gestellt werden. Deren Bearbeitung dauere oft viele Monate. Das Gesetz würde daher die Strafverfolgung erheblich erleichtern. Bornemann schlug vor, die Auskunftspflicht des Plattform-Betreibers noch mit einem Bußgeld zu bewehren.

Der Berliner Richter Ulf Buermeyer stimmte Bornemann in diesem Punkt ausdrücklich zu. Ein wirksamer Kampf gegen Hass-Postings im Internet sei nur durch eine Unterstützung der Strafverfolgung möglich. Dagegen beurteilte Buermeyer die Löschpflichten als nachrangig. Selbst wenn die im Gesetzentwurf vorgesehenen Löschfristen eingehalten würden, könnten sich die Postings angesichts der Schnelligkeit in den Netzwerken weiter verbreiten. Außerdem könne niemand daran gehindert werden, ein gelöschtes Posting immer wieder neu einzustellen.

Als verfassungswidrigen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung bewertete Martin Drechsler von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter den Gesetzentwurf. Er plädierte dafür, dem freiwilligen Vorgehen gegen Hass im Internet, wie es seine Organisation seit eineinhalb Jahren betreibe, einen gesetzlichen Rahmen zu geben und es so zu stärken. Dies habe sich im Jugendmedienschutz bewährt.


Bitkom warnt: „Mehr Schaden als Nutzen“

Der Justiziar der gemeinsam von Bund und Ländern betriebenen Organisation jugendschutz.net, Holger Herzog, plädierte dagegen dafür, nur Zweifelsfälle an ein Selbstkontrollorgan auszulagern. Bei eindeutigen Rechtsverstößen sollte dagegen die Löschpflicht, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, beim Plattformbetreiber bleiben.

Der Mitarbeiter der Bundesdatenschutzbeauftragten, Diethelm Gerhold, bewertete den Gesetzentwurf generell positiv - mit einer wesentlichen Ausnahme. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Opfer von Hass-Postings Auskunft über den Urheber verlangen können. Dies ermögliche Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, warnte Gerhold. Er nannte das Beispiel eines Stalking-Opfers, das in einem Netzwerk den Stalker beschimpft. Dies könne dem Stalker einen Vorwand liefern, Auskunft über die Adresse seines Opfers zu verlangen.

Bernd Holznagel, Informations- und Medienrechtler in Münster, vermisst unter anderem eine Regelung, dass gelöschte Inhalte wieder eingestellt werden müssen, wenn sie sich nach einer Prüfung als doch nicht rechtswidrig herausgestellt haben. So, wie es sei, werde das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, sagte er voraus.

Eine fatale, wenn auch unbeabsichtigte Wirkung sieht Christian Mihr von „Reporter ohne Grenzen“ in der Verwendung unbestimmter Begriffe. So habe Weißrussland sich bei einer weitgehenden Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet bereits auf den deutschen Gesetzentwurf berufen. Mihr empfahl, den Gesetzentwurf ganz zu verwerfen, um keinen gefährlichen Präzedenzfall für andere Länder zu schaffen.

Bernhard Rohleder vom Internet-Branchenverband Bitkom äußerte die Befürchtung, dass die Netzwerkbetreiber, um sicher zu gehen, auch rechtlich unbedenkliche Debattenbeiträge entfernen werden. Damit werde das Gesetz „mehr Schaden als Nutzen“ anrichten. Rohleder plädierte dafür, das Vorhaben in der nächsten Legislaturperiode neu aufzugreifen. „Sorgfalt geht vor Schnelligkeit“, mahnte Rohleder.

Vor nicht beabsichtigten Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit warnte auch Wolfgang Schulz, Medienrechtler am Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Netzwerke Algorithmen für die Entscheidung einsetzten, ob etwas zu löschen ist. Schulz riet, auf „regulierte Selbstregulierung“ zu setzen, also einen rechtlichen Rahmen für die Selbstkontrolle. Sein Institut habe in einer europaweiten Untersuchung festgestellt, dass diese sehr effektiv sein könne, wenn sie richtig geregelt ist.

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