Regierungsbildung De Maizière mahnt wegen Sicherheit zu Eile

Nach den geplatzten Jamaika-Sondierungen ist vieles im Schwebezustand. Bundesinnenminister Thomas de Maizière mahnt mit Blick auf die innere Sicherheit in Deutschland allerdings zur Eile bei der Regierungsbildung.

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Eine stabile Regierung sei gut für die Sicherheit der Bürger, so der geschäftsführende Bundesinnenminister. Quelle: dpa

Berlin Der geschäftsführende Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mahnt auch mit Blick auf die innere Sicherheit in Deutschland zur Eile bei der Regierungsbildung. Eine stabile Regierung sei gut für die Sicherheit der Bürger, sagte de Maizière am Donnerstag bei einem Besuch im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin. Für mehr Stellen bei der Polizei sei eine neue Regierung nötig, für Gesetzesänderungen sei eine stabile Koalition wichtig. Der Ressortchef betonte, rund ein Jahr nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag von Berlin sei die Bedrohung durch den islamistischen Terror unverändert groß. Auch der Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, warnte vor einer anhaltenden Gefahr durch Einzeltäter und kleine Gruppen. „Es gibt den Trend zum individuellen Dschihad“, sagte er.

Vor rund einem Jahr hatte Deutschland den bisher schwersten islamistischen Anschlag in der Bundesrepublik erlebt: Der Tunesier Anis Amri war am 19. Dezember 2016 mit einem gestohlenen Lastwagen in eine Menschenmenge auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gerast und hatte zwölf Menschen getötet.

In dem Fall gab es eine ganze Serie von Pannen und fatalen Ermittlungsfehlern. Amri war ein bekannter Islamist, Gefährder und Straftäter, der sich mit verschiedenen Identitäten als Asylsuchender Leistungen erschlich und mit Drogen handelte. Über ihn wurde damals auch im Terrorabwehrzentrum viel gesprochen. Dort tauschen sich die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern täglich über Bedrohungen durch islamistischen Terror aus. Genützt hat das im Fall Amri wenig.

Nach dem Anschlag in Berlin hatte die Regierung zahlreiche Änderungen auf den Weg gebracht: unter anderem Verschärfungen im Aufenthaltsrecht und bei Abschiebehaft, neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, etwa beim Einsatz elektronischer Fußfesseln. Es änderte sich auch die Arbeit im Terrorabwehrzentrum, etwa bei der Einstufung von Gefährdern - also Personen, denen die Polizei potenziell einen Terrorakt zutraut. Hier wurden zum Beispiel einheitliche Kriterien zur Einschätzung ihrer Gefährlichkeit entwickelt, um zu priorisieren, wer dringend überwacht werden muss.

De Maizière sagte, es sei viel umgesetzt worden seit dem vergangenen Jahr. Die Sicherheitsbehörden seien nun „ganz gut aufgestellt“. Eine absolute Garantie, dass es nicht erneut zu einem Anschlag komme, gebe es aber nie. Der Minister würde gerne weitere Veränderungen im Sicherheitsapparat anstoßen und Personal aufstocken. Er will etwa eine neue Terrorismusabteilung beim Bundeskriminalamt aufbauen.

In den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition wurde darüber und über andere Pläne bereits geredet. Doch die Sondierungen sind geplatzt und die politischen Verhältnisse sind im Schwebezustand.

De Maizière mahnte, für die weiteren Weichenstellungen im Sicherheitsbereich sei eine neue Regierung nötig. „Neue Stellen können Sie nur mit einem neuen Haushalt schaffen.“ Außerdem müsse ein Stellenzuwachs bei den Sicherheitsbehörden vorbereitet werden, etwa durch zusätzliche Ausbildungskapazitäten. All das gehe nicht ohne eine Haushaltsperspektive. Es sei daher „sehr eilig“, hier voranzukommen. Mit Blick auf die möglichen Gespräche zwischen Union und SPD über eine weitere große Koalition sagte de Maizière: „Wenn sie zum Erfolg führen, ist es gut für unser Land.“

Auch BKA-Chef Münch warnte vor einer anhaltend großen Bedrohung durch islamistischen Terror. Derzeit liefen in Bund und Ländern mehr als 900 Ermittlungsverfahren in diesem Bereich. Es gebe aktuell gut 700 islamistische Gefährder und 400 „relevante Personen“, also Unterstützer aus dem Umfeld von Gefährdern. Die salafistische Szene sei in den vergangenen Jahren enorm gewachsen.

Statt großer Terrorkommandos gebe es eher lose Netzwerke und Kleingruppen im virtuellen Raum. Auch die Terrormiliz IS trainiere kleine Gruppen via Netz mitunter bis zu einem Anschlag. Ziel sei es, mit einfachen Mitteln im öffentlichen Raum Anschläge zu begehen und auf diese Weise hohe Opferzahlen zu erreichen.

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