Robert-Koch-Institut RKI-Chef Wieler: „Es müssen sich noch mehr an die Corona-Regeln halten – die Lage ist sehr ernst“

Nach der Rekordzahl von mehr als 11.000 Neu-Infizierten hat sich das RKI zur Lage in Deutschland geäußert. Präsident Wieler erläuterte, wo sich die Menschen anstecken – und mahnt.

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Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, hat auf einer Pressekonferenz Alarm geschlagen und an die Menschen in Deutschland appelliert, sich an die Regeln zu halten: Mittlerweile könne sich das Virus in einigen Gebieten unkontrolliert ausbreiten. Eine Nachverfolgung von Infektionsketten sei nicht mehr völlig möglich, so Wieler. „Inzwischen ist die Situation insgesamt sehr ernst geworden.“ Es sei aber möglich, eine Entwicklung wie in den Niederlande oder Belgien noch abzuwenden.

Das RKI hatte am Donnerstag gemeldet, dass in Deutschland innerhalb eines Tages 11.287 Menschen positiv auf das neuartige Virus getestet wurden. Der bisherige Höchstwert lag bei 7830, am Mittwoch waren es noch 7595 gewesen. Die Zahl der gemeldeten Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus erhöhte sich um 30 auf 9905.

Wieler forderte vor allem strenge Abstands- und Hygiene-Regeln im privaten Bereich ein und verwies dabei stets auf die AHA+L-Regeln, also das Abstandhalten, Händewaschen, das Tragen einer Alltagsmaske und das regelmäßige Lüften geschlossener Räume.

Auch die Corona-Warn-App, die mehr als 20 Millionen mal heruntergeladen wurde und Hinweis auf Kontakte mit Infizierten geben soll, werde weiterentwickelt. Man habe gesehen, dass sich das Virus vor allem im privaten Bereich bei Treffen verbreite, dagegen weniger in Verkehrsmitteln oder in Hotels.

Derzeit steckten sich zwar weiter vor allem Jüngere an, weshalb bisher weniger schwere Krankheitsverläufe zu verzeichnen seien, sagte der RKI-Chef. Aber die Zahl der älteren Infizierten, der Schwerkranken und Patienten auf Intensivstationen wachse auch in Deutschland immer weiter. „Wir haben den Werkzeugkasten und damit können wir das schaffen“, mahnte der RKI-Chef zur Eindämmungsstrategie.

Eine Änderung der Corona-Strategie lehnt Wieler ab. Allerdings sprach sich Wieler auch gegen neue Schwellenwerte aus, wie dies Bayerns Ministerpräsident gefordert hatte. Markus Söder hatte neben den Schwellenwerten von 35 und 50 Infizierten pro 100.000 Einwohnern innerhalb einer Woche noch einen zusätzlichen Wert von 100 gefordert, ab dem etwa eine Sperrstunde ab 21 Uhr greifen solle. Hintergrund ist, dass es viele Kreise gibt, in denen die Infektionswerte mittlerweile bei mehr als 100 Infizierten pro 100.000 Bewohnern liegen.

Auch zum Thema Impfstoff äußerte sich das RKI: Er rechne damit, dass 2021 in Deutschland Corona-Impfstoffe zugelassen würden, sagte Wieler. Es sei allerdings unklar, wann genau dies soweit sein könne. Zugleich warnte der RKI-Chef vor einer neuen Diskussion über die sogenannte Herdenimmunität.

Dieses Konzept, das eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus vorsieht, sei mittlerweile in allen Ländern fallen gelassen worden, sagte er mit Hinweis auf entsprechende Versuche in Großbritannien und Schweden. Die Folge einer solchen Politik wären hunderttausende Schwererkrankte in Deutschland.

In Deutschland sei die Situation aktuell zudem noch besser als in den meisten europäischen Nachbarstaaten. Wieler verwies wie zuvor etliche Bundesländer darauf, dass Deutschland derzeit noch Kapazitäten zur Aufnahme und Behandlung von schwererkrankten Corona-Patienten aus Nachbarstaaten habe.

Diese Regionen und Länder sind nun Risikogebiete

Wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen wurden die Schweiz, Irland, Polen, fast ganz Österreich und große Teile von Italien zum Risikogebiet erklärt. Ausgenommen in Österreich ist nur das Bundesland Kärnten, teilte das Auswärtige Amt am Donnerstag mit.

In Italien sind unter anderem die Hauptstadt Rom, die Toskana, Venetien, die Lombardei und Südtirol betroffen. Die Reisewarnungen gelten ab Samstag. Vor Reisen zu den zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln wird hingegen nicht mehr gewarnt.

Österreichs Hauptstadt Wien sowie die westlichen Bundesländer Vorarlberg und Tirol standen bereits zuvor auf der roten Liste. Nun kamen auch die an Deutschland grenzenden Bundesländer Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich sowie das Burgenland und die Steiermark hinzu.

Für die Alpen-Bundesländer in Österreichs, die sich bereits auf die Wintersaison vorbereiten, ist die deutsche Reisewarnung ein herber Schlag. Der Tourismus ist für sie eine wichtige Einnahmequelle, er macht 15 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts aus und sorgt für Hunderttausende Arbeitsplätze. Pro Wintersaison werden mehr als 59 Millionen Übernachtungen verzeichnet, ein Großteil der Gäste kommt aus Deutschland.

Mehr: Alle News zu der Entwicklung der Coronavirus-Pandemie finden Sie im Newsblog.

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