Kramp-Karrenbauer: CDU-Sieg auch Signal an den Bund
Dank neuer Machtoptionen an der Saar sollte der „Schulz-Zug“ so richtig Fahrt aufnehmen: Richtung Schleswig-Holstein, Richtung Nordrhein-Westfalen, Richtung Bundestagswahl am 24. September. Doch stattdessen stellt eine jüngere Kopie von CDU-Kanzlerin Angela Merkel die Weichen womöglich in eine andere Richtung. „Ganz sicher für uns kein schöner Abend, für mich auch nicht“, muss Martin Schulz einräumen.
Welche Signale sendet also die Wahl im kleinsten deutschen Flächenland?
Die SPD kann noch verlieren - auch mit neuem Hoffnungsträger
Alles andere war womöglich nur Autosuggestion nach zwei Monaten Hype. Die SPD hat in den vergangenen Jahren zwar in den Ländern manche Ministerpräsidentenposten gehalten - aber oft mit hohen Verlusten. In Berlin (minus 6,7 Punkte) Mecklenburg-Vorpommern (minus 5), Hamburg (minus 2,7), Bremen (minus 5,8) und Brandenburg (minus 1,1) ging es abwärts. In Rheinland-Pfalz gewannen die Sozialdemokraten gegen den Trend leicht hinzu. In Baden-Württemberg (minus 10,4 Punkte), Sachsen-Anhalt (minus 10,8) und Thüringen (minus 6,1) waren die jüngsten Ergebnisse als Juniorpartner in Landesregierungen sogar katastrophal. Die SPD im Saarland büßte jetzt einen Prozentpunkt ein.
Saarland: Die Knackpunkte der Verhandlungen von CDU und SPD
Die SPD möchte eine Teil-Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit (G9) möglich machen. Gymnasien sollen selbst entscheiden, ob sie das Abitur nach acht oder neun Jahren anbieten. Das Saarland hatte 2001 als erstes westliches Bundesland das „Turbo-Abi“ an allen Gymnasien eingeführt. An Gemeinschaftsschulen ist das Abitur nach neun Jahren möglich.
Die CDU ist gegen die teilweise Wiedereinführung von G9 an Gymnasien. Dadurch würde die Gemeinschaftsschule geschwächt - und viel neue Unruhe in die Schullandschaft gebracht. Besser wäre es, Verbesserungen bei der Unterrichtsversorgung, Lehrplänen und der Digitalisierung anzustreben.
Beim Thema Inklusion will die CDU die Förderschulen im Land erhalten. Die SPD dagegen will sie teils abschaffen - und nur so lange noch anbieten, wie sie nachgefragt werden.
Die SPD möchte die Gebühren für die Betreuung in Kindertagesstätten (Kitas) schrittweise abschaffen. Auf dem Weg dahin sollen sie nach und nach gesenkt werden. Für eine komplette Beitragsfreistellung für Krippen und Kitas sind 65 Millionen Euro im Jahr notwendig. Die CDU schlägt ein „Bildungskonto“ vor für jedes Kind, das ab dem 1. Januar 2018 geboren wird. Damit können Familien Kosten für die Betreuung im Kindergarten, in Krippen oder durch Tagesmütter ab dem 1. Januar 2020 begleichen.
CDU und SPD sind sich einig, dass im Saarland wieder mehr investiert werden muss. Aber ab wann, wie viel und anteilsmäßig wofür - darüber gibt es Unstimmigkeiten.
Die SPD sieht einen erheblichen Nachholbedarf an Investitionen im Land: in Straßen, Gebäude und Breitband-Internet. Die Schuldenbremse sei nicht unantastbar: „Auch marode Brücken sind Schulden, die wir hinterlassen, aber in anderer Form.“ Die SPD will bereits 2018 und 2019 anfangen, zu investieren.
Die CDU schlägt zusätzliche Investitionen aus dem Landeshaushalt vor, aber erst ab 2020, wenn dem Saarland nach der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen 500 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung stehen. Ein Zukunftsplan sieht Investitionen von insgesamt einer Milliarde Euro für 2020 bis 2030 vor. Das Geld solle in die Verbesserung der Infrastruktur fließen: In Schulen, Hochschulen, Straßen, Breitband-Ausbau und öffentliche Gebäude.
Die CDU kann noch gewinnen - trotz angeblichem „Merkel-Malus“
Und zwar nicht nur mit Ach und Krach eine Landesregierung halten wie voriges Jahr in Sachsen-Anhalt, sondern so richtig, mit sattem Plus. An der Saar legte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer um 5,5 Punkte auf 40,7 Prozent zu. Bei den fünf Wahlen 2016 hatte die CDU im Sog von Merkels umstrittener Flüchtlingspolitik noch massive Probleme: In Berlin (minus 5,7 Punkte), Mecklenburg-Vorpommern (minus 4), Sachsen-Anhalt (minus 2,7), Rheinland-Pfalz (minus 3,4) und Baden-Württemberg (minus 12) zeigte sich ein „Rutschbahneffekt nach unten“, wie CSU-Chef Horst Seehofer am Sonntagabend anmerkte.
Das sehr spezielle Saarland
War ja „nur das Saarland“: Diese Einordnung lieferten am Abend die enttäuschten Sozialdemokraten - bei einem anderen Ausgang wäre das Argument wohl von der CDU gekommen. Mit 800 000 Wahlberechtigten, von denen rund 540 000 am Ende wählten, ist das Saarland zu klein, um große Trends für das Superwahljahr herauszulesen. Für 67 Prozent war bei der Wahlentscheidung das Land wichtig, nur für 28 Prozent die Bundespolitik. Mehr Katholiken (62 Prozent) als in Bayern, besonders viele brave Häuslebauer, große Zustimmung für die CDU-Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Koalition, mit der SPD als Juniorpartner - Wechselstimmung mochte da nicht aufkommen. Zumal die Aussicht auf das erste rot-rote Experiment im Westen wohl viele Wähler abschreckte.
Unions-Aufsteigerin „AKK“ - eine Frau für größere Aufgaben?
Kramp-Karrenbauer rückt als besonnene, populäre Politikerin ins Blickfeld; als eine, die Wahlen gewinnen kann. Nicht zum ersten Mal taucht ihr Name in Gedankenspielen zur Nachfolge der Langzeitkanzlerin und CDU-Chefin auf, manche sehen jetzt im Erfolg von „AKK“ Parallelen. Den Spruch, mit dem Merkel für die Frau von der Saar warb, könnte sie angesichts schwieriger Zeiten auch auf sich selbst münzen: „Am Berg wechselt man die Pferde nicht.“ Dass sich die beiden mit ihrem Mitte-Kurs gut verstehen, ist ebenfalls schon länger bekannt.
Koalitionsoptionen - eine komplizierte Sache
Die SPD kann zumindest theoretisch mit Grünen, Linken, FDP und natürlich der Union koalieren - in Kiel, Düsseldorf, auch im Bund. Bislang hat Kanzlerkandidat Schulz nach links geblinkt, was im Saarland nicht gut ankam. Auf Bundesebene wünschen sich viele Bürger - wie an der Saar - die Fortsetzung der großen Koalition, allerdings mit Schulz statt Merkel auf dem Fahrersitz. CDU und CSU haben derzeit weniger Auswahl, eine erstarkende FDP wäre der Union als Partner klar am liebsten. Den Grünen fällt die Entscheidung für Schwarz-Grün oder für Rot-Rot-Grün durch die Saar-Wahl nicht leichter. Die Linke muss im Bund erst einmal intern klären, ob sie mitregieren möchte. Klar ist die Sache nur für die AfD - mit den Rechtspopulisten will keiner.
Nächste Ausfahrt: Kiel - und dann Düsseldorf
Bei diesen Wahlen in deutlich größeren Bundesländern muss Schulz, der einstige Linksverteidiger von Rhenania Würselen, zeigen, dass er auf Halten spielen kann. Die SPD führt jeweils eine Regierung mit den Grünen, beide Bastionen muss Schulz sichern, um den SPD-Motor für die Bundestagswahl nicht schon im Mai abzuwürgen. Derzeit thront die SPD von Hannelore Kraft in NRW-Umfragen dank „Schulz-Effekt“ bei 37 bis 40 Prozent und ist damit klarer Favorit, allerdings schwächeln die Grünen. In Kiel ist der SPD-Vorsprung auf die CDU knapper, die Grünen sind aber gegen den Bundestrend weiterhin stark. Es könnte also hier wie dort reichen für Schulz' Traumkoalition.
Meinungsforscher - ziemlich daneben
Bei der Demoskopie ist noch Luft nach oben. Den klaren Sieg der CDU im Saarland hatte keiner auf dem Schirm, auch das mäßige Abschneiden der von Schulz euphorisierten SPD nicht. Zwischen 35 und 37 Prozent wurden Kramp-Karrenbauer von den Instituten zugetraut (vorläufiges amtliches Endergebnis: 40,7). Anke Rehlingers Saar-SPD wurde kurz vor der Wahl bei 32 bis 34 Prozent gesehen (29,6). Bei Linken (12,9), Grünen (4,0), FDP (3,3) und AfD (6,2) lagen die Forscher näher dran.