Schulfach Wirtschaft „Es geht um einen vorurteilsfreien Blick“

Wie der Lehrplan zukünftig aussehen soll. Quelle: imago images

Jüngst kritisierte WirtschaftsWoche-Redakteur Bert Losse in einem offenen Brief an NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer den marktwirtschaftskritischen Abitur-Prüfungsstoff seines Sohnes im Fach Sozialwissenschaften. Im Interview nimmt Gebauers Staatssekretär Mathias Richter (FDP) jetzt dazu Stellung – und erklärt, wie die ökonomische Bildung an den Schulen des Landes künftig organisiert werden soll.

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WirtschaftsWoche: Herr Richter, was sagen Sie zu der Kritik, dass viele Lehrpläne und Prüfungsvorgaben des Landes NRW in Sozialwissenschaften eine übertrieben marktwirtschaftskritische Haltung transportieren?
Mathias Richter: Diese Kritik kann ich zum Teil nachvollziehen. In Aufgaben, Texten und Lernmitteln tauchen auch aus meiner Sicht immer wieder einseitig kritische Darstellungen zur Funktionsweise und zu den Wirkungsmechanismen marktwirtschaftlich ausgerichteter Wirtschaftsordnungen auf.

Zum Beispiel?
Es darf etwa keine Prüfungstexte geben, die sich ausschließlich kritisch mit der Kohleverstromung und Energieversorgung im Rheinischen Revier auseinandersetzen – und zugleich nur wohlwollend die Proteste im Hambacher Forst beleuchtet. Lehrpläne und Schulbücher dürfen auch nicht einseitig eine Anti-Globalisierungshaltung vermitteln. Auch die Vorzüge von Freihandel, offenen Märkten und kluger Entwicklungshilfe müssen benannt werden. In manchen Erdkundebüchern wimmelt es aber nur so von monoperspektivischen, stereotypen Bildern: Umweltzerstörung, Müllkippen, Naturkatastrophen, triste Kohlehalden als Folgen der Globalisierung. So etwas entspricht nicht meinem Anspruch einer ausgewogenen Darstellung. Unsere Lehrpläne für die einzelnen Unterrichtsfächer müssen ausgewogen, auf Risiken und Chancen gleichermaßen ausgerichtet sein und den Schülerinnen und Schülern eine eigenständige Urteilskompetenz vermitteln. Das Ministerium hat begonnen, eine fachlich ausgewogenere ökonomische Bildung in den Schulen voranzutreiben. Wir tun das mit Augenmaß, es geht nicht darum, eine Ideologie durch eine andere zu ersetzen. Es geht um einen vorurteilsfreien Blick auf die Wirtschaft – mit ihren vielen positiven, aber natürlich auch kritischen Facetten. 

Und was ist mit dem Prüfungsstoff im Abitur?
Bei den Abiturfragen gibt es einen langen Vorlauf. Wichtige Vorgaben für die Klausuren 2019 sind bereits vor drei Jahren gemacht worden, also 2016. Wir werden künftig auf eine bessere Ausgewogenheit achten.

Am 19. Juni will der Schulausschuss des Landtags die Einführung eines neuen Schulfachs Wirtschaft beschließen. Was planen Sie genau?
Wir wollen, wie im Koalitionsvertrag beschlossen, an allen Schulformen der Sekundarstufe I die ökonomische Bildung stärken. Nach der Sommerpause starten wir zunächst mit einem Fach Wirtschaft-Politik an den Gymnasien des Landes, weil wir da wegen der Rückkehr zum Abitur in neun Jahren (G9) ohnehin die Lehrpläne ändern mussten. 2020/2021 folgen dann Haupt,- Real-, Sekundar- und Gesamtschulen. Das neue Fach wird in der Sekundarstufe I mit acht Wochenstunden unterrichtet, also zum Beispiel vier Jahre à zwei Stunden. Über die konkrete Verteilung können die Schulen vornehmlich selbst entscheiden. 

Welches Fach fällt stattdessen weg oder erhält weniger Stunden?
Keins. Wir haben mehr Platz in der Stundentafel durch die Rückkehr zu G9. Bei den anderen Schulformen der Sekundarstufe I nutzen wir Ergänzungsstunden und bauen die ökonomische Bildung in den Lehrplänen aus.  

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