




Wenn man die Sache wie Sebastian Edathy sieht, dann ist sie eigentlich ganz simpel: Er hat nichts Strafbares getan, sich ganz im Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt, also muss man ihn in Ruhe lassen – so schmerzhaft das einige finden mögen.
Wenn man die Sache wie Sigmar Gabriel sieht, dann ist sie auch ganz simpel: Wer wie Sebastian Edathy online Filme kauft, in denen nackte Kinder spielen, der ist vielleicht noch kein Pädophiler, aber er unterstützt ein Gewerbe, das sich mindestens im Graubereich der Kinderpornografie bewegt. So jemand hat in der SPD nichts mehr zu suchen.
Die Linie von Edathy lautet also: Die Regeln des Rechtstaats müssen gelten, auch wenn es weh tut. Die Linie des SPD-Parteichefs hingegen lautet: Parteimitgliedschaft ist keine Kategorie des Rechts allein, sondern auch der Moral. Das sind, ganz grob gezeichnet, die Positionen, die gerade in der SPD miteinander ringen. „Edathys Ruf ist ohnehin zerstört, vielleicht sollten wir es dabei bewenden lassen“, sagt ein Genosse. Der Mann muss raus aus der Partei, finden andere.
Kinderpornografie in Deutschland
Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie in Deutschland sind strafbar. Dies sieht Paragraf 184b des Strafgesetzbuches vor. Schon das Herunterladen von Kinderpornografie am Computer könne strafbar sein, heißt es auf der Homepage des BKA.
Im Jahr 2012 hat die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) bei „Besitz und Verschaffung von Kinderpornografie“ 3239 Fälle erfasst. Ein Jahr zuvor waren es nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden noch 3896 Fälle gewesen. Das Jahr 2010 lag in etwa auf dem Niveau von 2012. 2007 hatte es noch einen Höchststand mit fast 9000 erfassten Fällen gegeben. Für das vergangene Jahr liegen noch keine Zahlen vor.
Ein Großteil der Fälle bezieht sich auf das Internet. Im Jahr 2012 waren es 2196, ein Jahr zuvor 2623. Aus der Statistik geht nicht hervor, welche soziale Schichten von den polizeilichen Ermittlungen betroffen sind. Auch zur möglichen Dunkelziffer will das BKA keine Vermutungen anstellen.
Angesichts der internationalen Dimension des Internets ist das Bundeskriminalamt Zentralstelle bei der Auswertung der Fälle von Kinderpornografie. Seit 2009 zählen diese Delikte zu den Schwerpunkten des BKA, wie eine Sprecherin sagte.
Der Parteichef hat in diesem Konflikt am Montag noch einmal seine Haltung bekräftigt. Das angestrengte Parteiordnungsverfahren gegen Edathy müsse sein. Der ehemalige Abgeordnete habe „der SPD großen Schaden zugefügt“. So ähnlich steht es auch im Beschluss des Parteivorstandes, über den intern lange diskutiert wurde. Das zuständige Verfahren in Hannover ruht allerdings, solange die dortige Staatsanwaltschaft noch ermittelt. Gabriel will das Verfahren danach fortsetzen, egal zu welchen Ergebnissen die Ermittler kommen. Vor allem Edathys Berufung auf die Bedeutung des jugendlichen Akts in der Kunstgeschichte stößt vielen Sozialdemokraten auf – auch ihm. „Seine persönliche Interpretation seines Verhaltens stimmt jedenfalls nicht mit meiner überein“, so Gabriel kühl.
Die Skeptiker und Warner in Sachen Parteiausschluss argumentieren nüchterner. Schon die Verfahren gegen Thilo Sarrazin und Wolfgang Clement bedeuteten für die SPD viel negative Aufmerksamkeit, die man sich hätte sparen können. Außerdem, so die Überlegung, seien moralische Verfehlungen und deren Bewertung allein ziemlich zweifelhafte Instrumente. Wer mit ihnen operiere müsse immer wieder neue Grenzen ziehen, welches Verhalten noch SPD-kompatibel sei und welches nicht. Und nicht jeder Fall sei so vermeintlich eindeutig zu beurteilen wie der Edathys.
Gabriels harte Linie will dennoch niemand offen kritisieren. Zu unangefochten steht der Vizekanzler dar, zu unmöglich hat Edathy sich selbst gemacht. Der Konflikt schwelt also unter der Oberfläche vorm sich hin. Die Partei ist noch lange nicht befriedet.