Erst am Montag wird Peer Steinbrück formell zum Kanzlerkandidaten der SPD gekürt, doch gleich nach seiner verfrühten Kür am Freitag startete der Ex-Finanzminister in den Wahlkampf. Aber bevor er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus dem Sattel stoßen kann muss er die eigene Partei hinter sich bekommen. Verklausuliert, aber unmissverständlich forderte Steinbrück beim Parteitag der NRW-SPD in Münster daher die Richtlinienkompetenz ein: "Das Programm muss zum Kandidaten passen, der Kandidat zum Programm. Ihr müsst dem Kandidaten an der einen oder anderen Stelle auch etwas Beinfreiheit einräumen."
Beim linken SPD-Parteiflügel traf Steinbrück, der die ungeliebte Rente mit 67 als Minister durchgedrückt hat, jedoch nach wir vor auf große Skepsis. In Münster mahnte er daher zu Geschlossenheit im Wahlkampf. "Ich werbe für euer Vertrauen, meines habt ihr", sagte er. Um Kanzler werden zu können, müsse er nicht nur die 500.000 SPD-Mitglieder überzeugen, sondern auch 62 Millionen Wähler erreichen.
Die Eckpunkte des SPD-Rentenkonzepts
Sie soll nach 30 Beitragsjahren auch nach längerer Arbeitslosigkeit oder Tätigkeit in einem Billigjob einen Mindestanspruch von 850 Euro im Monat garantieren. Für alle, die trotz 30 Beitrags- und 40 Versicherungsjahren nicht auf diesen Betrag kommen, soll im Sozialrecht eine zweite Stufe der Grundsicherung eingeführt werden.
(gegenüber erstem Entwurf neu): Wer 45 Versicherungsjahre - nicht Beitragsjahre - aufweist, soll auch schon vor dem 65. Lebensjahr ohne Einbußen in Rente gehen können. Bislang erhalten Beschäftigte nur dann die volle Rente, wenn sie 45 Jahre in die Versicherung eingezahlt haben und 65 Jahre alt sind.
Bezieher sollen keine Abschläge mehr hinnehmen. Bislang wird der Betroffene dabei so gestellt, als habe er bis zum 60. Lebensjahr weiter Beiträge zur Rente gezahlt. Die Zeit zwischen Eintritt der Erwerbsminderung und dem 60. Lebensjahr wird „Zurechnungszeit“ genannt. Diese Zeit will die SPD in einem Schritt bis zum 62. Lebensjahr verlängern. Zudem soll die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren für den Eintritt in die Erwerbsminderung besser bewertet werden.
Beschäftigte in körperlich und psychisch belastenden Berufen (etwa Schichtarbeiter) sollen ab dem 60. Lebensjahr auf das neue Modell zurückgreifen können. In Zehn-Prozent-Schritten kann danach die Arbeit bis zu 70 Prozent reduziert werden.
Ihre Anerkennung will die SPD für alle Neurentner vereinheitlichen. Bislang sind Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bei der Rentenberechnung schlechter gestellt.
Für Freiberufler, die ohne Rentenvorsorge sind und deshalb häufig in Altersarmut landen, soll es ein eigenes Beitragssystem geben. In den ersten Jahren nach Gründung eines Unternehmens könnte für sie Beitragsfreiheit gelten.
Sie soll als Ausgleich für die Absenkung des Rentenniveaus - von jetzt gut 50 auf 43 Prozent bis 2030 - massiv ausgebaut werden. Als „zweite Stufe“ neben der Rentenversicherung soll sie weitgehend die Riester-Rente ersetzen. Geplant ist eine „Betriebsrente Plus“, in der jeder Arbeitnehmer, falls er nicht ausdrücklich widerspricht, zwei Prozent seines Bruttolohns einzahlt. Der Staat soll diesen Sockelbetrag mit 400 Euro im Jahr fördern. Auch die Unternehmen sollen sich beteiligen.
Die Mehrkosten für die Betriebsrenten gegenüber heutigen Fördermodellen werden auf sechs Milliarden Euro im Jahr geschätzt. Sie sollten nach SPD-Ansicht aus Steuermitteln aufgebracht werden. Für die Solidarrente werden jährlich ansteigend etwa eine Milliarde veranschlagt, für die Kindererziehungszeiten 150 Millionen im Jahr. Beides soll durch Haushaltsmittel finanziert werden.
Teuer käme auch die Ausweitung der Erwerbsminderungsrente. Die Kosten dafür stiegen nach SPD-Berechnungen von 500 Millionen 2014 auf 7,7 Milliarden 2030. Finanziert werden soll dies aus den Beiträgen der Versicherten.
Ihren Anstieg will die SPD in kleinen Schritten verstetigen. Die Sätze sollen von 2014 bis 2029 um durchschnittlich 0,4 Prozent höher steigen als bislang geplant. Damit würde aber das von der Rentenversicherung angepeilte Beitragsniveau von 22 Prozent bis 2029 nicht übersprungen.
Der Parteivorstand kommt am Montag zusammen, um den 65-jährigen Ex-Finanzminister auf Vorschlag von Parteichef Sigmar Gabriel als Herausforderer von Merkel bei der Bundestagswahl 2013 zu nominieren. Als Wahlziel gab Steinbrück bei seiner Rede in Münster eine rot-grüne Koalition aus; "Wir setzen eindeutig auf Sieg und nicht auf Platz." Ein Bündnis mit der Linkspartei oder mit den Piraten schloss er definitiv aus. Eine große Koalition schloss er nicht aus - allerdings nicht mit ihm selbst: für ein Ministeramt unter Merkel stehe er nicht zur Verfügung.
Allerdings gibt es für eine rot-grüne Koalition nach den aktuellen Umfragen derzeit ebenso wenig eine Mehrheit wie für eine Wiederauflage von Schwarz-Gelb. Im Emnid-Sonntagstrend für "Bild am Sonntag" trennen SPD (27 Prozent) und Union (37 Prozent) zehn Prozentpunkte. Rot-Grün käme zusammen nur auf 40 Prozent; die aktuelle Regierungskoalition trotz der Schwäche der FDP (fünf Prozent) hingegen auf 42 Prozent. Die Linkspartei erreicht demnach acht Prozent, die Piraten sechs.
Steinbrücks Positionen
Steinbrück ist auch gegen eine Krisenpolitik, die ausschließlich eine Einsparungen in den Krisenstaaten verfolgt. Den in Not geratenen Ländern Konsolidierungsprogramme über den Kopf zu ziehen, reiche nicht aus, sagte SPD-Kandidat. In vielen Euro-Staaten drohe jetzt eine Radikalisierung des politischen Klimas. Eine grundsätzliche Abkehr von der Konsolidierungspolitik forderte Steinbrück allerdings nicht: Es gehe bei der Frage nach Konsolidierung und Wiederaufbau nicht um ein „Entweder oder“, sondern um ein „Sowohl als auch“.
Steinbrück ist dafür, dass Deutschland und andere starke Staaten den Krisenländer mit ihrer Bonität helfen. Denn durch die Rettungsschirme sei Europa schon in einer gemeinsamen Schuldenhaftung. Dafür müssten die Schuldner aber auch Kompetenzen abgeben: „Es bedarf einer Instanz im Euroraum, die Durchgriffsrechte auf die nationale Haushaltsführung hat.“
In der Debatte um die Personalentscheidung eines neuen Euro-Gruppenchefs ist Steinbrück der Meinung, ein Deutscher sei für diese Position nicht geeignet. „Ich halte das für einen Fehler“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat zu den Überlegungen, Schäuble als Nachfolger für Jean-Claude Juncker zu bestimmen . Er sei davon überzeugt, dass Deutschland „als größtes Schiff im Konvoi der Europäischen Währungsunion“ nicht in die Position eines Schiedsrichters innerhalb EU kommen sollte.
Gegenüber dem Handelsblatt warb Steinbrück für Steuerhöhungen: „Ich bin dafür, dass die Sozialdemokratie offensiv den Standpunkt vertritt, in Teilbereichen Steuern zu erhöhen.“ Die Einnahmen seien erforderlich, „um erstens den Staatshaushalt zu konsolidieren, zweitens mehr in die Bildung zu investieren und drittens die Finanzlage der Kommunen zu verbessern.“ Dafür würde er in einem Bundestagswahlkampf offensiv werben. „Alle Versprechen, die Steuern senken zu wollen, prallen an der Realität ab“, sagte der SPD-Politiker.
In der Rentendiskussion hat Steinbrück ging Steinbrück auch auf Konfrontationskurs mit seiner Partei. „Die Antwort auf den mathematischen Druck der Demografie“ könne „nicht die ersatzlose Streichung der Rente mit 67 sein“, sagte der Kanzlerkandidat. Auf ihrem Parteitag Ende 2011 hatte die SPD aber beschlossen, die Anhebung der Altersgrenzen auszusetzen, bis die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe.
Bei seiner Einschätzung des von Schwarz-Gelb geplanten Betreuungsgeldes verzichtete Steinbrück auf viele Worte. Das Betreuungsgeld sei eine „dämliche und skandalöse Fernhalteprämie“.
Bei diesen Zahlen bleibt einem Kanzler Steinbrück nur eine einzige Möglichkeit: Eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen. Genau das brachte der Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki (FDP), ein Studienkollege von Steinbrück, am Wochenende ins Gespräch.
„Die schlechteste Regierung seit 1949“
Bei seinem ersten Wahlkampfauftritt nach der Entscheidung der Troika für die Kanzlerkandidatur zeigte sich Steinbrück in Münster kämpferisch und rief zur Geschlossenheit auf: "Diese Bundestagswahl ist nur durch die Mobilisierung der Anhänger zu gewinnen." Großen Beifall erhielt er vor allem dann, wenn er die Bundesregierung frontal angriff. "Schwarz-Gelb kann nicht regieren - so einfach ist das. Die Vorstellung ist die schlechteste eines Bundeskabinetts seit 1949", klagte er. "Es wird diese Bundesregierung in zwölf Monaten nicht mehr geben."
Steinbrücks Vorschläge zur Bändigung der Finanzmärkte (2012)
Finanztermingeschäfte (Derivate), die völlig unkontrolliert an der Börse vorbei abgewickelt werden, sollen stark eingeschränkt werden. Solche Over-the-Counter-Geschäfte (OTC - „über den Tresen“) nehmen seit einiger Zeit massiv zu.
Begrenzung der absoluten Zahl von Warenterminverträgen zu Spekulationszwecken (sogenannte Positionslimits). Verbot von Geschäften mit Agrar- und Energierohstoffen sowie Nahrungsmitteln für Banken und Finanzgesellschaften.
Das seit 2010 geltende Verbot von ungedeckten Leerverkäufen auf Aktien und Staatsanleihen wird auf Kreditderivate von Banken und Firmen ausgeweitet.
Nur noch vorher überprüfte Unternehmen dürfen damit an der Börse tätig werden. Notwendig sei eine Mindestverweildauer, bis ein Auftrag ausgeführt wird.
Dazu sollen auch ausländische Töchter europäischer Banken herangezogen werden. Ebenso der außereuropäische Handel mit Wertpapieren von Emittenten aus Europa.
Zu Vermeidung von Blasen soll in Europa für die Beleihung eine Obergrenze von 80 Prozent zum Preis der Immobilie bzw. zum eingebrachten Eigenkapital vereinbart werden - in Boom-Phasen von 60 Prozent.
Der Staat soll sich aus der Haftung für die Banken weitgehend zurückziehen. Die Institute sollen europaweit aus eigenen Mitteln einen Rettungsschirm in Höhe von 150 bis 200 Milliarden aufbauen. Dieser „Banken-ESM“ soll auch Großbanken abwickeln oder restrukturieren können. Für kleine und mittelgroße Banken soll ein nationaler Fonds zuständig sein. Auch die Aktionäre und Gläubiger seien neben den Eigentümern an den Verlusten zu beteiligen.
Zunächst soll der Eigenhandel von Banken beschränkt werden. Darunter versteht man Geschäfte, die zur kurzfristigen Gewinnerzielung auf eigene Rechnung getätigt werden. In einem zweiten Schritt ist die Trennung des Einlage- und Kreditgeschäfts vom Investmentteil geplant. Fortführung der Bereiche unter dem Dach einer Holding als rechtlich eigenständige Töchter.
Ihre Zahl soll von bislang zehn auf zwei bis drei schlagkräftige Institute verringert werden.
Für Hedge-Fonds, Private Equity, Zweckgesellschaften oder Geldmarktfonds sollen die gleichen Eigenkapitalregeln gelten wie für Banken. Verbot der Kreditvergabe an solche Finanzgesellschaften und der Beteiligung von Banken an ihnen.
Plädiert wird für eine europäische Bankenaufsicht nur für systemrelevante Großbanken unter dem Dach der EZB. Deutsche Spar- und Genossenschaftsbanken sollen nicht davon betroffen sein.
Alle Top-Verdiener (nicht nur der Vorstand) einer Bank sollen ihr Einkommen veröffentlichen. Die erfolgsabhängigen Zuschläge dürfen das Festgehalt nicht übersteigen.
In der Euro-Krise attackierte Steinbrück Kanzlerin Merkel. Sie müsse den Deutschen "endlich die Wahrheit sagen", sagte Steinbrück der "Welt am Sonntag". Griechenland werde sich noch sieben bis acht Jahre lang kein Geld am Kapitalmarkt leihen könne. "So lange werden wir helfen müssen."
Die Griechen müssten zu ihren Verpflichtungen stehen, "aber wir sollten ihnen mehr Zeit geben", verlangte Steinbrück. Er schloss nicht aus, einem weiteren Hilfspaket zuzustimmen: "Ob die SPD im Bundestag einem dritten Hilfspaket für Athen zustimmen würde, kommt auf die Bedingungen an."
Strikt wandte sich Merkels Herausforderer gegen einen Euro-Austritt Athens: "Wir sollten allen, die martialisch den Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone fordern, deutlich sagen: Ihr wisst nicht, wovon ihr redet! Die politischen und ökonomischen Erschütterungen wären verheerend."
Mit seinen Griechenland-Ideen löste Steinbrück sofort Widerspruch aus. Unions-Chefhaushälter Norbert Barthle kritisierte, schon jetzt über ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland zu reden. Aber auch der Ökonomund IMK-Chef Gustav Horn kritisierte Steinbrück: "Er hat noch nicht die grundlegende Funktion von Zentralbanken auch für die Rettung Griechenlands verstanden. Nur wenn die EZB die Zinsen für Griechenland und die anderen Krisenländern niedrig hält, haben diese und der Euro insgesamt eine Chance gegen die Panik -und Spekulationswellen der Finanzmärkte" schreibt Horn auf seiner Facebook-Pinwand.
Für gesetzlichen Mindestlohn und gleiche Bezahlung
Für Deutschland forderte Steinbrück einen gesetzlichen Mindestlohn und eine gleiche Bezahlung von Stammbelegschaft und Leiharbeitern sowie von Frauen und Männern.
Zusammen mit Steinbrücks formeller Nominierung will Parteichef Sigmar Gabriel am Montag auch einen Vorschlag machen, wie der Streit über eine Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent gelöst werden kann. Vertreter der Parteilinken wie Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel mahnten dazu, sich Zeit zu nehmen. Es müsse nicht schon am Montag eine Entscheidung fallen, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Mehrere SPD-Linke verlangen ein Einfrieren des Rentenniveaus bei derzeit etwa 50 Prozent.
Reaktionen auf die Nominierung Steinbrücks
Die SPD-Linke will Steinbrück zunächst vor allem in die Pflicht nehmen. „An die Parteibeschlüsse etwa zur Vermögenssteuer oder zur Abgeltungsteuer ist auch ein Kanzlerkandidat gebunden“, sagte die Sprecherin der SPD-Linken, Hilde Mattheis, der „Frankfurter Rundschau“ (Samstag). Auch in der Debatte über das SPD-Rentenkonzept seien „Kompromisse kaum vorstellbar“. Die SPD müsse sich dafür aussprechen, die geplante Absenkung des Rentenniveaus zu verhindern.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte am Samstag im Deutschlandfunk, Steinbrück habe für das Amt des Bundeskanzlers die "notwendige Lebens- und Berufserfahrung". Zudem habe er gute Ideen zur Regulierung der Finanzmärkte und Banken. "Ich glaube, wir haben eine gute Chance", sagte Künast zu den Aussichten von Rot-Grün im Bund. An Spekulationen über eine Ampelkoalition wollte sie sich nicht beteiligen: Die Liberalen würden im nächsten Bundestag "nicht drin sein. Deshalb stellt sich die Frage gar nicht", sagte Künast.
Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, sieht den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück sehr skeptisch. Peer Steinbrück sei "sicher nicht unser Wunschpartner", sagte Höhn am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Er sei "eigentlich eher an der FDP als an den Grünen". Das erleichtere den Grünen die Zusammenarbeit mit Steinbrück nicht. Steinbrück sei "ein klarer Machtpolitiker", sie glaube, "deswegen würde er eine solche Situation wie jetzt mit der Ampel (...) auf jeden Fall billigend in Kauf nehmen". Höhn sagte dem Sender, sie glaube, dass Steinbrück sich ein Ampel-Kabinett mit dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin vorstellen könne. Für sie selbst sei dies "schon eine ziemliche Horrorvision".
Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki lobte die Festlegung auf Steinbrück als „sehr kluge Entscheidung der SPD“. „Peer Steinbrück ist einer, der auch der Bundeskanzlerin Angela Merkel Schach bieten kann“, sagte der FDP-Fraktionschef im Kieler Landtag der „Leipziger Volkszeitung“ (Samstag). „Mit ihm bietet sich für meine Partei eine weitere Koalitionsoption.“
Kritik kam von der Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping. „Steinbrück steht sicher nicht für einen Aufbruch“, sagte sie der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Online-Ausgabe). „Aber der Politikwechsel entscheidet sich an Inhalten, nicht an Personen.“ Der Co-Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, kommentierte im Kurznachrichtendienst Twitter: „Kanzler wird er nicht. Vize will er nicht. Steinbrück ist ein Zählkandidat und definitiv keine Einladung an Arbeitnehmer und Gewerkschaften.“
Der Bonner Parteienforscher Gerd Langguth hält Steinbrück für den gefährlichsten Herausforderer von Kanzlerin Merkel. „Ihm traut man am ehesten zu, dass er etwas von Wirtschaft und Finanzen versteht. Gerade in der Euro-Krise ist er der beste Kandidat“, sagte Langguth den „Ruhr Nachrichten“ (Samstag). Steinbrück dürfe aber nicht „zu schnoddrig an Themen herangehen. Er wird die SPD noch vor große Geduldsproben stellen.“
Der im Seeheimer Kreis organisierte rechte Flügel der SPD mahnte beim Rentenniveau zur Gelassenheit. "Schwerpunktmäßig muss man sich darum kümmern, dass die Renten für den einzelnen höher sind", sagte Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs zu Reuters. "Die Frage, ob man 43 oder 45 Prozent von viel hat oder 50 Prozent von wenig, ist nicht der Maßstab."
Kahrs zeigte sich überzeugt, dass Steinbrück keinen Flügelstreit in der Partei befürchten muss: "Er ist in der Lage, sehr vernünftig mit der Parteilinken zusammenzuarbeiten und auch Dinge mit denen zu erarbeiten, in denen die Linke schwerpunktmäßig kompetent ist." Schäfer-Gümbel verwies darauf, dass Steinbrück auf allen Feldern Initiativen anstoßen könne. Entschieden werde aber in den Parteigremien.
Der SPD-Kanzlerkandidat bedauerte auch sein Verhalten in der sogenannten Schach-Affäre. Steinbrück hatte 2006 als Finanzminister bei mehreren bundeseigenen Firmen um Millionenspenden für ein privates Schachturnier geworben. "Damals habe ich das nicht als ehrenrührig oder dubios empfunden.
Aus heutiger Sicht ist für mich klar: Ich würde es nicht wieder machen", sagte er der "Welt am Sonntag". Bei ihm habe das allerdings nichts mit Vorteilsgewährung oder Vorteilsannahme zu tun gehabt.