Für die SPD und ihren Kanzlerkandidat Peer Steinbrück scheint es kein Halten mehr zu geben: beide rutschen in der Wählergunst immer weiter ab. In dem am Mittwoch veröffentlichten Wahltrend des Magazins "Stern" und des Fernsehsenders RTL verliert die Partei zwei Punkte und kommt nur noch auf 23 Prozent. Die Union erzielt dagegen mit 43 Prozent ihren besten Wert unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) überhaupt.
Die 23 Prozent der SPD sind der niedrigste Wert in dieser Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa seit Juli 2011. Damit wäre die SPD auch bei ihrem schlechtesten, jemals bei einer Bundestagswahl erzielten Ergebnis angekommen: Im Jahr 2009 hatten nur 23 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten gemacht. Anfang Oktober, direkt nach der Nominierung Steinbrücks, hatte die SPD in der Forsa-Umfrage noch 30 Prozent erzielt.
Nur noch 18 Prozent für Steinbrück
Auch der Kanzlerkandidat selbst verliert trotz der Bemühungen der SPD, nach dem Holperstart ins Wahljahr mit inhaltlichen Themen zu punkten, in der Bevölkerung weiter an Ansehen. Wenn die Deutschen ihren Regierungschef direkt wählen könnten, würden sich nach dem Wahltrend nur noch 18 Prozent für Steinbrück entscheiden - das waren 4 Punkte weniger als in der Woche zuvor. Für Angela Merkel würden 59 Prozent stimmen, ein Punkt mehr als vor Wochenfrist. Die Kanzlerin hat rund acht Monate vor der Bundestagswahl damit einen Vorsprung von 41 Prozentpunkten vor ihrem Herausforderer.
Steinbrücks Positionen im WiWo-Check
Ein drittes Hilfspaket für Athen schließt Steinbrück inzwischen nicht aus. Das Land dürfe nicht aus der Währungsunion ausgeschlossen werden. 2011 liebäugelte der SPD-Politiker mit Euro-Bonds, heute ist er zurückhaltend.
Note: mangelhaft
Steinbrücks Finanzmarktkonzept wirbt für die Trennung von Universalbanken in einen Investmentteil und das klassische Kreditgeschäft. Großbanken sollen einen gemeinsamen Rettungsfonds finanzieren, für Risiken selbst haften. Die meisten anderen Vorschläge sind politisch längst in der Mache.
Note: befriedigend
Kaum ein SPD-Politiker stand öffentlich so wacker zu Hartz-Reformen und Sozialstaatsumbau wie Steinbrück. Doch hält er Kurs? Inzwischen plädiert auch er für einen gesetzlichen Mindestlohn und strengere Regeln für Zeitarbeit.
Note: befriedigend
Steinbrück will verhindern, dass die Beiträge für Beschäftigte und Arbeitgeber zu hoch steigen. Eingriffe in das Rentenniveau lehnt er ab. Krach mit der Parteilinken nimmt er bislang in Kauf.
Note: gut
Die SPD will den Spitzensatz bei der Einkommensteuer erhöhen, die Abgeltungsteuer heraufsetzen, die Erbschaftsteuer verschärfen, die Vermögensteuer wieder einführen: Grundsätzlich unterstützt Steinbrück das Steuerkonzept der SPD.
Note: mangelhaft
Kleine und mittlere Unternehmen will er vor neuen Lasten schützen, gerade bei der Vermögensteuer. Parteibeschlüsse will Steinbrück immer auf ihre Mittelstandstauglichkeit überprüfen.
Note: gut
Die erneuten Stimmenverluste der SPD führt Forsa-Chef Manfred Güllner unter anderem darauf zurück, dass viele ihrer potenziellen Wähler durch die Debatte um ihren Kanzlerkandidaten frustriert und irritiert seien. Dem "Stern" sagte er: "Die ducken sich weg und mögen sich nicht zu ihrer Partei bekennen." Die Reihen der Unions-Anhänger dagegen seien geschlossen. Güllner: "Die stehen frohgemut hinter ihrer Partei und der Kanzlerin." Der Eindruck sei, Merkel mache es doch gut, ihr könne man vertrauen. Bei Steinbrück seien sich viele nicht sicher.
Am Dienstag war eine peinliche Panne zum Auftakt der Reihe "Wohnzimmergespräche" in Braunschweig bekannt geworden. Bei der Aktion will Steinbrück mit normalen Bürgern ins direkte Gespräch kommen. Doch am Montag besuchte der Ex-Finanzminister ausgerechnet die Eltern einer ehemaligen Mitarbeiterin von SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Seit 2008 arbeitete die Frau in Heils Wahlkreisbüro in Gifhorn, zudem war sie Stadtbezirksverordnete im Braunschweiger Stadtteil Nordstadt.
Das Netz lacht über Steinbrück
Heil will davon nichts geahnt haben. Er schrieb am Dienstag bei Twitter: "Ich wusste nicht, dass sich Eltern einer früheren Mitarbeiterin auf Zeitungsanzeige für Wohnzimmergespräch beworben haben und ausgewählt wurden." Auch Steinbrück habe nicht gewusst, dass er quasi zu Gast bei (Partei-) Freunden war, beteuerte Heil. Auch Steinbrücks Sprecher Michael Donnermeyer betonte, beworben habe sich schließlich die Mutter der ehemaligen Mitarbeiterin, und man könne die Leute nicht bis in die zweite Generation checken. Es habe sich nicht um eine SPD-Veranstaltung gehandelt.
Die Steinbrück-Boys
Chef der SPD-Bundestagsfraktion, intellektueller Sparringspartner
selbstständiger Berater, persönlicher Ratgeber
"Operativer Leiter" Wahlkampfteam, ruhiger Gegenpol
Thüringischer Wirtschaftsminister, Wahlkampfstrategie
Sprecher des Kanzlerkandidaten, Kommunikationsprofi
Nichtsdestotrotz ergießen sich Kübel voll Hohn und Spott über Steinbrück und sein neuestes Fettnäpfchen. Im sozialen Netzwerk Facebook wurde bereits das Schlagwort "Eierlikörgate" geprägt, und bei Twitter fliegt Steinbrück unter dem Hashtag "#Eierlikörgate" einiges um die Ohren. Mit schnippischen Bemerkungen wie "(Das) war ein genialer Trick der Eierlikörindustrie! Was die Peer Steinbrück wohl zahlen mussten?", "Erst hatten sie kein Glück, und dann kam auch noch Peer dazu" oder "Wenn man Vorwerk, die Zeugen Jehovas und den Bofrost-Mann endlich los ist, kommt er: Der ProblemPeer!" macht sich das Netz über den SPD-Mann lustig. Eine andere Nutzerin twittert schadenfroh: "Noch so 'n #Eierlikörgate und die SPD ist unter 20%".
Die SPD hatte vor Weihnachten in niedersächsischen Regionalzeitungen per Anzeige nach Interessenten gesucht. Mehr als 150 private Gastgeber hatten - laut SPD - den 66-jährigen Steinbrück eingeladen. Die "Wohnzimmergespräche" sollen in den nächsten Monaten in ganz Deutschland fortgeführt werden. "Wir schicken ihn auf die Ochsentour, das kommt sehr gut an", sagte der Berliner SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ist davon überzeugt, dass Peer Steinbrück trotz der miserablen Umfragewerte Kanzlerkandidat bleiben wird. „Peer Steinbrück ist Kanzlerkandidat vor und nach der Niedersachsen-Wahl“, sagte Steinmeier zu „Spiegel online“ mit Blick auf die Landtagswahl am Sonntag. Falls es dort für Rot-Grün nicht reichen sollte, dürfte die Debatte über Steinbrück in der Partei in Fahrt kommen - allerdings hat die SPD kaum Alternativen.
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte am Mittwoch in Berlin: "Peer Steinbrück ist unser Kanzlerkandidat und er bleibt unser Kanzlerkandidat." Der frühere Finanzminister sei "ein Zugpferd". "Der wird nicht versteckt, der wird vorgezeigt." Den erneut gesunkenen Umfragewerten begegnete Oppermann mit demonstrativer Gelassenheit. "Das beeindruckt uns überhaupt nicht", sagte er. Manfred Güllner arbeite im Übrigen gerade vor Wahlen "mit extremen Zahlen".