Die höheren Beamten in Nordrhein-Westfalen sind sauer auf ihren Dienstherrn. So sauer, dass sie es bei ihren Demonstrationen vor dem Landtag in Düsseldorf auch nach Ansicht von Jochen Ott, Oberstudienrat a.D. und SPD-Landtagsabgeordneter, "übertrieben" haben: Theatralisch hängten Lehrer, Polizisten und Ministerialreferenten vor einigen Tagen ihr "letztes Hemd" an eine überdimensionierte Wäscheleine, um gegen das neue Beamtenbesoldungsgesetz der Landesregierung zu demonstrieren. Das gab zwar schöne Bilder für die Presse, doch allzu viel Mitleid haben sie von den Nichtbeamten, erst recht ihren nicht verbeamteten Kollegen im Schul- oder Ministerialdienst da nicht zu erwarten. "Unterm Strich", so Ott, "steht man als Beamter doch sehr günstig da."
So denkt vermutlich auch eine Mehrheit der Wähler. Und daher kann die NRW-Regierung unter Hannelore Kraft es wohl politisch verkraften, die höheren Landesbeamten - unter denen die SPD traditionell treue Anhänger hat - gegen sich aufzubringen. Sie verweigert ihnen per Gesetz die "Anpassung" der Besoldung an die Gehaltserhöhung der Angestellten des öffentlichen Dienstes. Nur die unteren Besoldungsgruppen (bis A10) erhalten die ausgehandelten Tariferhöhungen von 5,6 Prozent, die Bezüge in den mittleren Besoldungsgruppen werden 2013 und 2014 nur um jeweils ein Prozent erhöht, die höheren Besoldungsgruppen ab A13, also auch schon Studienräte und Oberamtsräte gehen leer aus. Und Kraft steht damit nicht allein in Deutschland. Ihr Genosse Torsten Albig in Kiel tut es ihr gleich - und erntet die gleiche Beamtenwut. Alle Länder außer Bayern und Hamburg verzögern die Anpassung bis 2014 oder begrenzen sie deutlich.
Vordergründig argumentiert die Düsseldorfer Landesregierung allein mit dem akuten Sparzwang. Die Schuldenbremse im Grundgesetz verpflichtet den Bund ab 2016 und die Länder ab 2020 auf neue Schulden zu verzichten. Landeshaushalte bestehen fast zur Hälfte aus Personalkosten inklusive wachsender Lasten für die Pensionen der Beamten im Ruhestand. Ohne jemandem weh zu tun, lässt sich da nicht sparen. Die uneingeschränkte Übernahme des Tarifkompromisses für den gesamten öffentlichen Dienst in NRW würde 2013 und 2014 insgesamt 1,31 Milliarden Euro kosten. Die jetzt beschlossene Lösung kommt mit nur 600 Millionen Euro aus.
Aber hinter der verweigerten Anpassung steht eine sehr viel weiter reichende Entwicklung. Die Beamten dürften in Zeiten der Schuldenbremse zum Lieblingsobjekt des demonstrativen Sparwillens der Politik werden. Sie sind dazu prädestiniert: Ihre finanziellen Privilegien werden ihnen von weiten Teilen der Bevölkerung (also den Wählern) geneidet, ein starker Widerstand jenseits der 1,9 Millionen Beamten ist daher kaum zu erwarten. Und die Arbeit niederlegen dürfen sie nicht.
Das Beamtentum als solches gerät zunehmend unter einen öffentlichen Rechtfertigungsdruck, dem es nicht gewachsen scheint. Schon vor zehn Jahren gab es in Nordrhein-Westfalen unter Wolfgang Clement Pläne, den Beamtenstatus auf wenige Aufgaben zu begrenzen und für den Rest des öffentlichen Dienstes ein einheitliches Dienstrecht mit einheitlicher Bezahlung einzuführen. Damals blieb es bei Diskussionen, doch das Ende des Beamtentums, wie wir es kennen, dürfte nun schleichend kommen. Vor allem die Begrenzung der Pensionsverpflichtungen, die die Budgets auf Jahrzehnte belasten, wird ein immer stärkeres Argument gegen das Beamtentum. Am Ende dieses langen Prozesses könnte ein weitgehend ausgetrocknetes, um die meisten Privilegien beschnittenes und personell stark verkleinertes Beamtenheer stehen.