
Die bevorzugte Marke für Massagesessel in Asien heißt Osim. Ich sage das nur deshalb, weil ich vor gut zehn Jahren dachte, ich könnte es mir im allerschönsten dieser Sessel schon bald arbeitsalltäglich bequem machen, wenn ich bloß 5000 Euro riskieren und in ein paar Osim-Aktien investieren würde. Naja gut, vergessen wir's, ich hab's nicht getan. 5000 Euro!
Jedenfalls lebte ich vor etwa zehn Jahren in Singapur, der asiatischen Hochburg für „inspired well-being" (Osim-Slogan) und war vom weltweiten Siegeszug des Massagesessels überzeugt. Osim, dachte ich, das wird für Singapur so etwas werden wie Coca-Cola für die USA oder der Fischer-Dübel für Deutschland. Ein kultureller Botschafter des tropischen Stadtstaates. Ein Markenzeichen der Entspannung aus dem autokratischen Fernen Osten.
Überall in den Einkaufszentren standen damals die ersten Osims herum, bald darauf auch in den Abflughallen der Flughäfen, im Dutzend nebeneinander aufgereiht. Und überall saßen zufriedene Menschen in den Osims, ach was: überall aalte und räkelte sich das Wohlbefinden selbst darin.
Ganz klar, so ein Massagesessel, dachte ich, das ist die Zukunft des Wartens und Entspannens. Wo immer bald ein paar Osims stehen werden, wird der Mensch sich liebend gerne abfertigen lassen.
Ich muss zugeben: Ganz so ist es nicht gekommen. Natürlich, auch in deutschen Flughäfen gibt es heute Massagesessel. Nur findet man sie nicht, wenn man sich nicht zugleich die Mühe macht, sie auch aufzusuchen. In Münchens Terminal 1 zum Beispiel muss man eigens eingerichtete Ruhezonen im „nicht-öffentlichen Bereich" in der Nähe der Module A und C auf der Ebene 04 ansteuern, wenn man seine Durchblutung fördern will.
Dafür immerhin arbeiten die Münchner Sessel nach dem Münzeinwurf (zwei Euro für zehn Minuten) nicht nur vollautomatisch, sondern auch "dem Prinzip der Shiatsu-Massage", die Knet-, Streich-, Streck- und Walktechniken kombiniert, um optimale Vitalisierungsergebnisse zu erzielen.





Im Dresdner Flughafen wiederum hat man die Wahl zwischen ein paar Massagesesseln im "Abflugbereich (Sicherheitszone)" und einem weiteren, stark vereinzelten Exemplar im "hochwertig gestalteten Ambiente" des "SPIEL-IN"-Casinos. In diesem Casino kann man übrigens "ganzjährig" anderen Reisenden dabei zusehen, wie sie "alkoholfreie Kaltgetränke, Kaffeespezialitäten und Snacks zum Spiel" gereicht bekommen.
Kein Wunder also, dass die meisten Flughafenbetreiber – sei‘s noch immer, sei es wieder - Menschenhand an ihre Reisenden legen lassen. Offenbar hört die "Ökonomisierung aller Lebensbereiche" exakt da auf, wo’s uns im Wortsinn unter die Haut geht.
Auch im Einkaufszentrum meines Vertrauens, das Sie sich exakt so vorstellen können wie das Einkaufszentrum Ihres Vertrauens, habe ich keinen einzigen Massagestuhl ausfindig machen können. Wohl aber ein neues Massagestudio gleich gegenüber. Natürlich bekam ich dort gleich wieder Mitleid mit Buddha, auf dessen Anwesenheit kein deutsches Massagestudio verzichten kann. Aber das ist ein anderes Thema.
Das Unternehmen ReMass aus Berlin-Treptow würde mir an dieser Stelle wahrscheinlich heftig widersprechen. Es bewirtschaftet eigenen Angaben zufolge nicht weniger als 160 "Ruhezonen" in deutschen, niederländischen und italienischen Shopping-Centern und Flughäfen. Auch hat Geschäftsführer Stefan Michaelis den Kollegen vom "Tagesspiegel" vorgerechnet, dass 1,5 Millionen Kunden im Jahr in einem seiner Sessel Platz nehmen und dabei zwischen einem Euro und Zweifuffzig für eine Massage springen lassen.