Tilman Cosack Die EEG-Umlage sinkt, der Strompreis bleibt gleich

Die EEG-Umlage wird voraussichtlich erstmals seit ihrer Einführung sinken. Ein Verdienst der Politik ist das aber nicht, sagt der Energieexperte Tilman Cosack. Und der Verbraucher profitiert davon auch nicht.

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Der Offshore-Windenergiepark „BARD Offshore 1“ vor der ostfriesischen Insel Borkum. Der hier erzeugte Strom wird durch die EEG-Umlage mitfinanziert. Quelle: dpa

Herr Cosack, die EEG-Umlage wird erstmals seit ihrer Einführung nicht ansteigen, sondern fallen. Wird davon etwas beim Verbraucher in Form von sinkenden Strompreisen ankommen?

Cosack: Wahrscheinlich eher nicht. Es wird sich nach den derzeit vorliegenden Schätzungen lediglich um eine kleine Absenkung handeln. Die EEG-Umlage wird aller Voraussicht nach von 6,24 Cent pro kWh auf etwa sechs Cent fallen. Diese Kostenreduktion wird für den Endverbraucher nicht nennenswert auswirken. Der Privatverbraucher zahlt momentan als Endkunde etwa 26 bis 28 Cent pro kWh Strom – da wird sich ein Viertelcent weniger EEG-Umlage am Ende auf der Stromrechnung kaum bemerkbar machen.

Tilman Cosack ist Geschäftsführender Direktor des energierechtlichen Instituts „IREK“ an der Hochschule Trier und Herausgeber der Zeitschrift „ER EnergieRecht“.

Also ist das Sinken kein Erfolg?

Es ist gut, dass die EEG-Umlage nicht – wie es in den letzten Jahren geschehen ist – in diesen riesigen Sprüngen weiter angestiegen ist. Das war durchaus dramatisch. 2010 lag die Ökostrom-Abgabe noch bei 2,05 Cent pro kWh, jetzt steht sie bei 6,24 Cent. Da war durchaus zu befürchten, dass die Umlage in Bereiche steigt, die für den Endkunden kostenmäßig letztlich nicht mehr tragbar sind. Das hätte die derzeit noch hohe Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung nachhaltig schädigen können.

Zur Person

2011 sagte Angela Merkel im Bundestag, die EEG-Umlage sollte nicht weiter steigen – damals lag sie bei 3,5 Cent pro kWh.

Es gab sogar einmal Pläne der Bundesregierung –man muss fast schon sagen in grauer Vorzeit –, dass die EEG-Umlage ab 2015 sinkt, bis sie etwa 2020 schließlich ganz entfallen sollte. Das ist aus heutiger Sicht natürlich nicht realistisch. Der Wegfall würde bedeuten, dass man den Strom aus erneuerbaren Energien zum gleichen Preis herstellen könnte wie konventionellen Strom. Das ist das Ziel – aber das ist in den nächsten fünf Jahren nicht zu erreichen.

Derzeit liegt der Anteil der Ökostrom-Abgabe am Strompreis bei 18 Prozent.

Ja, das ist eine ganze Menge. Letzten Endes ist die Umlage aber nicht der einzige Kostenfaktor. Es gibt noch ganz andere Kosten, die der Endverbraucher trägt – etwa die Stromsteuer oder die Umsatzsteuer von 19 Prozent. Davon profitiert der Staat letzten Endes massiv. Nur die EEG-Umlage zu betrachten, ist eine verkürzte Sichtweise. Man könnte auch darüber nachdenken, die Abgaben zu senken, die direkt an den Staat gehen.

So setzte sich der Strompreis 2014 zusammen

Laut Vattenfall machen Steuern, andere Abgaben und die EEG-Umlage erstmals mehr als die Hälfte des Strompreises aus.

Ja. Bei der EEG-Umlage 2014 dienen nur etwa 2,6 Cent der direkten Förderung den Erneuerbaren Energien. Wesentliche Kostenfaktoren sind aber etwa auch der Rückgang der Börsenstrompreise und die Befreiung der stromintensiven Industrie von der Umlage – letzteres kostet alleine mehr als fünf Milliarden Euro jedes Jahr.

Wenn die Bundesregierung nichts an diesen Stellschrauben dreht, wird das Absinken der Ökostrom-Umlage eine einmalige Sache sein?

Der Grund für die jetzt zu erwartende Absenkung waren die ungünstigen Witterungsverhältnisse im August. Der August ist traditionell der stärkste Monat für die Solarstromproduzenten. In diesem Jahr war er stark bewölkt, die Sonne schien kaum. Das führt dazu, dass weniger Solarstrom produziert und eingespeist wird. Da der Solarstrom nach wie vor die teuerste Form der erneuerbaren Energien ist, macht sich das durchaus bemerkbar. Auch hat die kräftige Erhöhung der EEG-Umlage für das Jahr 2014 dazu geführt, dass ein Defizit von mehr als zwei Milliarden Euro, mit dem das EEG-Konto noch zu Jahresbeginn belastet war, abgebaut werden konnte. Zumindest mit dieser finanziellen Altlast wird der Stromverbraucher zukünftig nicht mehr belastet werden.

Die Gewinner und Verlierer der EEG-Reform
Betreiber von Biomasseanlagen Quelle: dpa
Betreiber von Solarparks Quelle: dpa
Betreiber von Offshore-Windparks Quelle: dpa
Große energieintensive Unternehmen Quelle: dpa/dpaweb
Große Eigenstromerzeuger Quelle: dpa
Onshore-Windrad-Bauer, Zulieferer, Entwickler Quelle: dpa
Energieintensive Mittelständler und Kleinbetriebe Quelle: dpa

Das Sinken ist also nicht strukturell bedingt.

Nein, es hat sich ja nichts geändert im Vergleich zum Vorjahr. Im vergangenen Jahr hat die ganze Energiewelt gewartet, dass die Regierung endlich Reformen durchsetzt. Aufgrund des Wahlkampfs hat sich dann aber nichts getan. Die EEG-Reform hätte man schon 2013 ansetzen können – die strukturellen Probleme waren bekannt. Nun hat die neue Regierung, auch auf Druck der EU-Kommission, in einem äußerst knappen Zeitraum – zurückhaltend gesagt – die Reform durchgepeitscht.

Die Reform ist kein großer Wurf

Das große Ziel von Sigmar Gabriels Reform war es, etwas an der Befreiung von der EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen zu ändern. Hat sich da etwas getan?

Am Kreis der privilegierten Unternehmen und der Höhe der Befreiung hat sich nicht viel geändert. Das Ziel, an dieser Stelle Kosten einzusparen, ist verfehlt worden. Die gut fünf Milliarden Euro, von denen die Industrie freigestellt ist, werden nach wie vor auf andere, schmalere Schultern umverteilt: Auf die kleinen Unternehmer, die Gewerbetreibenden, die privaten Endverbraucher.

Also ist die Reform gescheitert?

Das wäre zu hart gesagt. Sie ist zumindest kein großer Wurf. Dabei muss man allerdings bedenken, dass der EEG-Bereich stark von mächtigen Interessengruppen dominiert wird, die im Hintergrund großen Einfluss ausüben können. Da in diesem knappen Zeitraum überhaupt eine Reform durchzubringen, verdient Respekt. Das neue EEG sieht die Direktvermarktung als neuen Regelfall der Förderung vor - aus meiner Sicht ist das eine richtige Weichenstellung. Die Übertragungsnetzbetreiber wären ansonsten aller Voraussicht nach zu den mächtigsten Anbietern am Strommarkt geworden. Es ist besser, diese Aufgabe Direktvermarktern zu überlassen. denn diese haben ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran, die Stromproduktion aus den Zeiten mit dem höchsten Angebot zu verlagern – hinein in die Zeiten, in denen die Nachfrage den Preis bestimmt.

Ausgewählte Firmen, die von der EEG-Umlage befreit sind

Die Unternehmen sagen, dass sie aufgrund der Strompreise in Deutschland nicht mehr zu adäquaten Kosten produzieren könnten. Dabei sind die Strompreise in Spanien und Italien doch wesentlich höher.
Nicht nur dort. In den skandinavischen Ländern herrscht ein ähnliches Niveau. Wir sind zwar kein Niedrigpreisland so wie Frankreich, das viel Atomstrom nutzt. Aber die Strompreise hier sind nicht übermäßig teurer als im Ausland.

Können Sie die Beschwerden der Unternehmen trotzdem verstehen?
Ich sehe bestimmte Unternehmen, die im Rahmen ihrer Bruttowertschöpfung einen hohen Kostenanteil im Bereich Energie haben. Da finde ich zumindest eine teilweise Befreiung angemessen. Die Frage ist, ob sie vollständig sein muss – vor allem vor dem Hintergrund, dass sich der Strompreis in Deutschland nicht exorbitant von dem in Europa abhebt. So ist stromintensive Industrie durchaus ein Gewinner der EEG-Reform 2014. Es ist zumindest für die nächsten Jahre auch sicher, dass sie befreit bleiben wird.

Fehlen so nicht Anreize für Unternehmer, den Strom-Verbrauch zu senken?

Man hätte den Anreiz vergrößern können. Wobei ich durchaus glaube, dass alle stromintensiven Unternehmen intensiv darüber nachdenken, wie sie zu geringeren Energiekosten ihre Produkte herstellen können. Der Gesetzgeber hat aber eine große Chance verpasst. Im Gesetzestext steht als eine der Voraussetzungen für die EEG-Umlagebefreiung, dass die Unternehmen ein Energiemanagementsystem einführen müssen. Das bloße Vorhandensein eines solchen Systems reicht aber bereits aus. Zwingende Vorgaben zur Senkung des Energieverbrauchs im Rahmen des Energiemanagements beispielsweise um fünf Prozent pro Jahr zu senken, hat der Gesetzgeber aber nicht gesetzt.

Also bleibt die Energieeffizienz hier auf der Strecke.

Wenn Unternehmen die Befreiung haben wollen, sollte der Gesetzgeber einfordern, dass sie ihre Energieeffizienz verbessern. Das ist ja ein Ziel der Energiewende, das aus meiner Sicht bisher nicht ausreichend behandelt wird.

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