
Seit 2005 hat sich die Zahl der Spielautomaten deutschlandweit verdoppelt. Es gibt heute circa 8000 Spielhallen, in denen rund 165.000 Spielgeräte stehen – und mit ihnen nahm die Zahl der Spielsüchtigen drastisch zu. Eigentlich bestünde Handlungsbedarf für die Politik – eigentlich.
Die Spielbranche sei „sehr abhängig“ von politischen Entscheidungen, heißt es in der heute erschienen Studie „Lobbying in Deutschland“ (.pdf). Herausgegeben wurde sie von Transparency International Deutschland. Doch die Parteien spielten der Spielbranche in die Hände. Insgesamt schneidet Deutschland nicht gut ab - im Bereich der Regulierung weise es große Defizite auf. Vor allem an Transparenz und Integrität mangele es.
So gäbe es beispielsweise keine legislative Fußspur – also einen Vermerk in den Gesetzen, der dokumentiert, auf welchem Verband die Ideen beruhen, die in Gesetzesentwürfen eingearbeitet werden. Auch Sanktionen gegen Lobbyisten werden nicht vermerkt. Nicht einmal ein verbindlicher Verhaltenskodex für Lobbyisten ist vorhanden. Rudolf Speth, Autor der Studio und tätig an der Freien Universität Berlin, erklärte, die Einflussnahme auf die Politik habe sich verändert. Waren früher Verbände und Gewerkschaften wichtige Strippenzieher, sind es heute Unternehmen, die PR-Profis oder Anwälte beauftragen. Transparency International fordert deswegen zehn Maßnahmen, die den Lobbyismus stärker regulieren soll.
Das fordert Transparency International
Verknüpft werden soll dieses Register mit einem Verhaltenskodex und Sanktionierungsmöglichkeiten durch einen Beauftragten für Transparenz und Lobbykontrolle.
Der Beauftragte für Transparenz und Lobbykontrolle soll verantwortlich sein für die Führung und Überwachung des Lobbyistenregisters und die Beobachtung der legislativen Fußspur.
Die Nebeneinkünfte sollen verpflichtend veröffentlicht werden - auf den Cent genau.
Dies soll gewährleistet werden durch die Einführung einer Wertgrenze von 150 Euro für geldwerte Zuwendungen Dritter und ein Verbot der Annahme von Direktspenden.
Sie sollen nicht nur transparent werden, sondern auch gleichgestellt werden.
Die legislative Fußspur soll dokumentieren, welcher externe Sachverstand bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfs an welchen Stellen eingeflossen ist.
Alle gesellschaftlichen Interessen sollen einen fairen Zugang zum Gesetzgebungsverfahren haben. Zudem soll jährlich offengelegt werden, welche Interessensverbände auf welche Gesetze Einfluss nahmen.
Dies soll gewährleistet werden durch ein Interessenregister, das finanzielle Interessen sowie haupt- und nebenamtliche Tätigkeiten der vergangenen fünf Jahre offenlegt.
Die Autoren fordern gesetzliche Karenzzeiten von drei Jahren für Regierungsmitglieder sowie Parlamentarische Staatssekretäre, wenn ein Zusammenhang zwischen der bisher ausgeübten Tätigkeit und der nach dem Ausscheiden aus dem Dienst beabsichtigten Tätigkeit besteht.
Gegenstand der Klagebefugnis könnten beispielsweise Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der Öffentlichkeit und Ausgewogenheit bei der Vorbereitung bindender politischer Entscheidungen sein.
Daneben beleuchtet die Studie die aktuelle Gesetzeslage zum Lobbying, stellt Forderungen an die Regulierung und zeigt konkrete Fallbeispiele – wie den der Spielindustrie, der einiges über die Funktionsweise, die Schwächen im politischen System und Wirkung von Lobbying aussagt.
Das Fall Gauselmann
Das die Zahl der Spielautomaten so stark gewachsen ist, hängt vor allem mit der Liberalisierung der Spielverordnung im Jahr 2006 durch den Bund zusammen. Der profitiert durchaus davon: Der Betrag an Umsatz-, Vergnügungs- und Gewerbesteuer hat sich von 250 Millionen im Jahr 2005 bis 2008 verfünffacht. Das macht auch deutlich, wie die Gewinnmargen in der Spielindustrie gewachsen sind.
Einer der Hauptprofiteure dieses Wachstums ist laut Studie die Unternehmensgruppe Gauselmann AG, der größte Hersteller von Spielautomaten und Betreiber der Merkur-Spielotheken. 2012 setzte das Unternehmen über eine Milliarde Euro um – ohne die Liberalisierung der Spielverordnung wäre das wohl kaum möglich gewesen.
„Ich habe meinen Spitzenleute, die sehr gut verdienen, tatsächlich gesagt: Unser Geschäft ist abhängig von den Gesetzen der Politik. Deshalb erwarte ich von euch, dass ihr etwas spendet“, erzählt Paul Gauselmann 2012 der Berliner Zeitung. „Da ist nichts falsch dran.“
Geregelt werden Parteienspenden über das Parteiengesetz. Laut Transparency International bietet dieses aber zahlreiche Schlupflöcher für verdeckte Spenden: Gespendete Beträge unterhalb der 10.000 Euro-Grenze, die im Abgeordnetengesetz festgeschrieben ist, müssen beispielsweise gar nicht veröffentlicht werden. Spenden oberhalb dieser Grenze werden erst mit einer Verzögerung publik – sie müssen in den Rechenschaftsberichten der Parteien veröffentlicht werden. Allerdings erscheinen diese erst eineinhalb Jahre nach Ablauf des Jahres. Erst ab 50.000 Euro müssen die Spenden beim Bundestagspräsidenten angezeigt werden.
Gauselmann habe diese Bestimmungen des Parteiengesetzes für sich ausgenutzt. Seit 1990 hat sein Unternehmen laut Studie mehrere Millionen an CDU, SPD und FDP gespendet. Um das „Verständnis in den unterschiedlichen Parteien“ zu gewinnen, sei es hilfreich, „wenn wir den Politikern helfen, ihren Wahlkampf zu begleichen“, heißt es in einem internen Papier der Gauselmann AG, auf das sich Transparency International beruft.