Umgang mit China „Berlin will die chinesische Führung auf keinen Fall vor den Kopf stoßen“

Quelle: imago images

Erst der Eklat um Christian Lindner, dann ein erneuter Schlagabtausch von Annalena Baerbock: Wie schlecht steht es um das deutsch-chinesische Verhältnis? Und was bedeutet das für die Wirtschaft? Antworten von China-Experte Max Zenglein.

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WirtschaftsWoche: Herr Zenglein, Christian Lindner wurde gerade von Peking quasi ausgeladen, Annalena Baerbock lieferte sich erst gestern einen erneuten Schlagabtausch mit ihrem chinesischen Amtskollegen. Wie schlecht steht es um die deutsch-chinesischen Beziehungen?
Max Zenglein: Die Beziehungen sind wesentlich komplexer geworden, und Deutschland versucht noch seine Position zu finden. Da ist vieles im Fluss – aber wie die konkrete Neuausrichtung ausgestaltet sein wird, weiß noch niemand so recht. Die Haltung der Chinesen erscheint recht klar: Peking will, dass Berlin bei geopolitischen Fragen so neutral wie möglich bleibt, und setzt dabei vor allem auf die Wirtschaftsbeziehung.

Woran machen Sie das fest?
China ist für die deutsche Wirtschaft ein sehr bedeutender Faktor. Und die deutschen Unternehmen wiederum sollen ihren Einfluss auf die hiesige Politik geltend machen - dahingehend, dass eben keine harte Abwendung aus dem chinesischen Markt stattfinden wird.

Gleichzeitig haben Sie gerade eine Studie vorgelegt, die zeigt, dass die chinesischen Investitionen in Deutschland auf historisch niedrigem Stand liegen. Wie passt das zusammen?
Da kommen einige Faktoren zusammen: angefangen bei den Covid-Spätfolgen über strikte Kapitalverkehrskontrollen in China bis hin zu Investitionsprüfung auf europäischer Seite. Trotz des insgesamt niedrigen Investitionsniveaus ist Europa für China von strategischem Interesse. Chinesische Unternehmen investieren verstärkt in die Produktion von Batterien für E-Autos – damit hat Europa eine wichtige Rolle in der Internationalisierung der chinesischen Autoindustrie.

Zur Person

China will also Abkopplung vermeiden. Was will die Ampel?
Die Tendenz geht in Richtung Resilienz, Risikominimierung, kurzum: weniger China. Aber eben sehr dosiert. Die Bundesregierung will die chinesische Führung auf keinen Fall vor den Kopf stoßen und einen harten Bruch unbedingt vermeiden.

Der übliche Dreiklang lautet, dass China Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale sei. Drückt man sich damit nicht politisch um eine klare Positionierung?
Das ist genau die Frage. Einerseits fängt der Dreiklang die Komplexität der Beziehung gut ein, zumal die Betonung immer stärker auf Rivale und Wettbewerber liegt. Andererseits bleiben damit auch immer eine gewisse Inkonsequenz und Grauzonenbereiche. Nehmen Sie Japan als Gegenbeispiel: Wie lief die 5G-Diskussion dort ab? Es gab keine. Jedenfalls keine, in der die Sorge vor einer chinesischen Reaktion eine Rolle gespielt hätte. Chinesische Anbieter bleiben da einfach draußen.

Diese klare Linie fehlt hier?
Die Lage ist in der Tat zu komplex, als dass man ihr immer mit einer binären Antwort gerecht würde. Raus aus China – ja oder nein? Das ist die falsche Frage. Niemand behauptet, dass eine harte Abkopplung angesichts der deutschen Wirtschaftsverflechtungen der richtige wirtschaftspolitische Weg ist. Die richtige Frage wäre: Was sind unsere Interessen? Es wäre ein Anfang, wenn wir klar unsere Interessen definieren würden und dann entlang dieser Interessen die jeweils konsequenten Entscheidungen ableiten würden.

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Wie würden Sie die geopolitische Rolle der EU und Deutschlands dann umreißen? Als Mittler zwischen Fernost und West? Oder eben doch unverbrüchlich an der Seite der USA?
Die EU sollte eine eigenständige Rolle spielen. Das muss man aber wollen und überhaupt erst können. Sonst droht meines Erachtens die Gefahr, dass Europa zwischen den Interessen der Großmächte zerrieben wird. Dazu gehört, die Bande zu außereuropäischen Ländern zu stärken, die in einer ähnlich ambivalenten Lage sind, insbesondere in Ostasien. Wir sehen jedenfalls massive geopolitische Veränderungen, auf die Brüssel und Berlin reagieren müssen.

Lesen Sie auch: Die Abhängigkeit von China ist die neue Schicksalsfrage der deutschen Wirtschaft. Wie wir die Risiken minimieren – ohne den Handel infrage zu stellen.

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