Waffenlieferungen Der Bundeskanzler hat ein Anton-Hofreiter-Problem

Der Grünenpolitiker Anton Hofreiter forderte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Handeln auf. Quelle: dpa

Wenn es um das Thema Waffenlieferungen geht, scheinen die Grünen aktuell enorm Druck auf die Regierung zu machen. Olaf Scholz muss reagieren, damit ihm die Erzählung der Zeitenwende nicht entgleitet. Ein Kommentar.

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Anton Hofreiter hat sich schneller entschieden als der Kanzler. Gemeinsam mit FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und SPD-Außenpolitiker Michael Roth besuchte der Grünen-Politiker diese Woche Kiew – und kehrte mit einer deutlichen Forderung zurück.

„Wir müssen jetzt endlich anfangen, der Ukraine das zu liefern, was sie braucht“, sagte Hofreiter: „Schwere Waffen.“ Für Olaf Scholz hatte er deshalb eine klare Ansage im Gepäck: Der Regierungschef spreche von „Zeitenwende, aber er setzt sie nicht ausreichend um“, kritisierte Hofreiter: „Da braucht es deutlich mehr Führung.“

Wer Führung bestellt, bekommt sie auch – das sind die Worte des Kanzlers gewesen. Doch ausgerechnet Hofreiter, der bei der Kabinettsbildung ausgebootet und mit dem Vorsitz des Europa-Ausschusses abgespeist wurde, treibt Scholz nun vor sich her. 

Wenn der Kanzler nicht mit einem klaren Plan zur weiteren Unterstützung der Ukraine gegengesteuert, wird er den Stempel des Zauderers nur noch schwer los.

Klar gibt es Argumente gegen eine schnelle Lieferung von Panzern wie Marder oder Leopard 1 in die Ukraine. Militärs erklären dieser Tage immer wieder, dass die Instandsetzung genauso wie die Ausbildung am Gerät zu lange dauert, um akut helfen zu können.

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Genauso relevant bleibt das Argument, dass schwere Waffen im Grunde einem Kriegseintritt gleichkommen und damit einen Weltkrieg mit unberechenbaren Gefahren provozieren könnten.

Scholz aber schweigt dazu. Er will sich offenbar nicht allein vom Augenblick leiten lassen. Er hat geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden – das muss ihn in all seinen Entscheidungen leiten. Doch scheint ihm eine wichtige Erkenntnis zu fehlen.

Durch seine „Zeitenwende“-Rede ist eine Aufbruchstimmung in Deutschland und Europa entstanden, die auch Verunsicherung schafft. Sie verlangt nach klarer Führung und transparenter Erklärung. Scholz darf deshalb jetzt nicht in eine alte SPD-Kanzler-Manier verfallen.

Schon Helmut Schmidt hatte es Anfang der 80er-Jahre versäumt, die Notwendigkeit der Aufrüstung zu vermitteln. Gerhard Schröder versagte bei der Erklärung seiner Agenda 2010. Und jetzt, so sieht es zumindest aus, scheint Olaf Scholz seine Zeitenwende nicht zu schaffen.

Das wäre ein fatales Signal, innen- wie außenpolitisch. Statt sich von Koalitionsmitgliedern wie Hofreiter vorführen zu lassen, sollte Scholz deshalb jetzt sagen, was er will.


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