Werner knallhart

Schafft endlich das Tanzverbot an Ostern ab!

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Raus aus der Staats-Frömmelei

Der Effekt zugunsten der Religionsfreiheit ist null. Es bleibt einzig und allein der erhobene Zeigefinger, die Disziplinierung zur Andächtigkeit. Was maßt sich der Staat da bloß an?

Tanz ist Ausdruck von Lebensfreude. Wer öffentliche Musikvorführungen verbietet, will Freude verbieten. Gefühle umbiegen. Besinne dich gefälligst auf das, was wir vorgeben! Viele Landespolitiker, selbst bei den Grünen, wollen am Tanzverbot nicht rütteln. Und begründen das gerne mit ihrer eigenen Christlichkeit und dem Wunsch, dass die Gesellschaft an diesem einem Tag innehält. Was, wenn nicht? Droht dann der Untergang des christlichen Abendlandes?

Man stelle sich vor, Politiker, die Katzenliebhaber sind, verbieten das Halten von Hunden. Die Argumentation wäre vom Grundsatz identisch.

Schlagen die Grünen einen Veggi-Day in Deutschlands Kantinen vor, dann ist der Aufschrei bei den Konservativen groß. Tenor: "Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, was ich esse."

Der Ruf nach Verboten

Aber bei der Vorgabe, wie ich mich fühlen soll, da muckt kaum einer auf. Wie wäre es mit Kant: Behandele andere so, wie du selber behandelt werden möchtest. Und lass also diejenigen in Ruhe, die anders fühlen und glauben als du.

Tanzverbot für mehr Besinnlichkeit. Als wenn auch nur ein einziger Mensch, der gerne tanzen möchte und es nicht darf, statt dessen anfängt zu beten. In der Offenburger Disko damals konnte ich diesen Trend zumindest nicht feststellen.

Mit der Andächtigkeits-Verordnung durch die Politik erweist der Staat den christlichen Kirchen deshalb einen Bärendienst. Wenn diese verhindern wollen, dass ihnen die Leute weiter in Scharen davonlaufen und sich mitunter kaum mehr Nachwuchs fürs Priesteramt finden lässt, dann sollten sie sich dieses Hineinregieren in die Seele der Menschen in ihrem Namen verbitten.

Solange es ein Tanzverbot gibt, wird für viele junge Menschen "Du darfst nicht!" das einzige sein, was sie an Ostern vom christlichen Glauben mitbekommen.

Das Gleiche gilt in vielen Bundesländern auch an Weihnachten und etlichen anderen Tagen. Hessen ist das Land, das alle Tanzverbote mitnimmt, die sich im Kalender anbieten. Sogar am Ostersonntag und am Ostermontag, an Tagen, die selbst aus christlicher Sicht Tage der Freude sind, darf nicht getanzt werden. Fehlt noch die Regel, dass man an seinem Geburtstag nicht lachen darf - aus Dankbarkeit, geboren zu sein.

Immerhin: Einige Bundesländer tricksen sich langsam raus aus der Staats-Frömmelei.

In Berlin, Hamburg und Bremen gilt das Fröhlichkeitsverbot an Karfreitag nicht ganztägig. In Berlin nur von 4 Uhr morgens bis 21 Uhr. Also in einer Zeit, in der die meisten Menschen in der Regel ohnehin nicht mehr oder noch nicht in Tanzlaune sind. Einzig die 36-Stunden-Durchtänzer im Berghain würden stutzen. Aber die Betreiber dort werden es sicherlich halten wie die des Offenburger Clubs damals: Tanzen bis die Polizei kommt. Das offizielle Online-Portal der Stadt Berlin beschwichtigt schon: "Das ... Tanzverbot wird auch in diesem Jahr nicht streng durchgesetzt."

Und die Polizei-Beamten können sich am Karfreitag sicherlich auch etwas Besinnlicheres vorstellen, als mit einem Großaufgebot den Club zu stürmen und durch das heruntergelassene Visier hindurch zu brüllen:

"KEINE BEWEGUNG! ES IST OSTERN!"

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