
Die Abwesenheitsnotiz als automatische Antwort auf die E-Mail ist nur auf den ersten Blick das Pendant zur Mailbox beim Anruf. Denn die Telefon-Mailbox, der Anrufbeantworter oder wie immer man diesen unseligen Service nennen möchte, lässt sich deaktivieren. Und jeder, der bei Trost ist, tut dies auch. Denn in den allerseltensten Fällen hilft die Mailbox dem Anrufer wirklich weiter.
"Der gewünschte Gesprächspartner ist im Moment nicht erreichbar. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht für - PFFFFFStefnimaiZZZZZZ PIEEEEP."
"Ja, guten Tag, ich hoffe, ich bin richtig bei Stefanie Meyer, ich rufe an wegen dem Aquarium bei Ebay. Ich wollte fragen, wann ich vorbeikommen kann. Bitte rufen Sie doch mal zurück. Meine Nummer ist...."
Blablabla. Wir wissen, wie das endet:
"Ja, guten Tag, hier ist Stefanie Meyer. Sie hatten heute Nachmittag angerufen?"
"Ja, ich hatte Ihnen ja auf die Mailbox gesprochen."
"Ach so, die habe ich noch gar nicht abgehört, hihi! Ich hatte Ihre Nummer in der Anrufliste. Worum geht es denn?"





In praktisch allen Fällen ist ein Rückruf nötig. Selbst eine auf die Mailbox gesprochene Bitte um eine Tischreservierung in einem Restaurant, die wie gemacht zu sein scheint für eine aufgesprochene Nachricht, ist erst richtig dingfest, wenn das Restaurant nochmal kurz zur Bestätigung anruft.
Wozu also die Mailbox? Ich habe seit 1999 ein Handy. Und bereits Ende 1999 habe ich meine Mailbox für immer deaktiviert. Noch nicht eine Sekunde lang hatte ich den Eindruck, dass das irgendwem geschadet hat.
Das Blöde bei der E-Mail ist: Da geht das nicht so einfach mit dem Nicht-erreichbar-sein.
E-Mails werden zugestellt, auch wenn Sie nicht am Rechner sitzen. Auch wenn Sie gerade mit einer eiskalten Dose Bier in der Hand auf einem aufgepumpten Treckerreifen-Schlauch im lauwarmen Golf von Siam treiben.
Dafür gibt es die Abwesenheitsnotiz. Die kürzeste Version würde lauten: "Ich lese zurzeit meine E-Mails nicht." Peng.
Wie Sie die Zahl der E-Mails reduzieren können
Das gefühlte Email-Aufkommen inklusive der Zeit, die Sie für Emails benötigen, unterscheidet sich Erfahrung nach sehr von den realen Werten.
Es gibt kaum eine Zahl in der Unternehmenswelt, über die man trefflicher streiten kann, als die „richtige“ Anzahl an Emails, die ein Manager pro Tag bewältigen sollte. Einige finden 300 völlig normal, andere regional aktive Angestellte schreiben 20 und erhalten 30 Emails pro Tag. Natürlich ist es vom Einzelfall abhängig.
Wer 100 Emails oder mehr pro Tag bekommt, liegt aus Sicht der Autoren „auf jeden Fall jenseits einer akzeptablen Grenze“. Es gäbe keinen relevanten Managerjob, in dem er über täglich 100 Sachverhalte informiert werden muss. Wenn doch, macht er irgendetwas falsch.
Lassen Sie sich aus jedem Verteiler löschen, den Sie nicht zwingend brauchen. Falls Sie ein Kollege unerwünscht in (s)einen Verteiler aufnimmt, sprechen Sie mit darüber.
Wenn Sie Emails von bestimmten Personen bekommen oder mit bestimmten Schlüsselwörtern, können Sie ihren Email-Client so programmieren, dass sie entweder sofort gelöscht oder in einen bestimmten Ordner verfrachtet werden.
Überprüfen Sie die Informations-Emails wie Newsletter, die Sie bekommen. Filtern Sie die, die sie nicht (mehr) brauchen, hinaus. Lassen Sie diese Emails in einen bestimmten Ordner einlaufen. Wenn Sie an einem Tag keine Zeit haben, sie zu lesen, stören Sie Ihren Alltag nicht.
Es gibt Unternehmen, bei den machen Empfangs- und Lesebestätigungen 30 Prozent des Email-Aufkommens aus. Schalten Sie diese Tools ab. Zum einen sind sie ohnehin unzuverlässig und zum anderen nerven sie viele Empfänger massiv.
Wenn Sie noch Spam bekommen, informieren Sie dringend Ihre IT-Abteilung. Es ist heutzutage absolut möglich, völlig frei von Spams zu leben.
Nicht nur, aber besonders leitende Angestellte müssen sich auf ihre Kernaufgaben fokussieren. Und das gilt auch für ihr Email-Postfach. Wer mal nachzählt, kommt auf maximal 40 Prozent. Also weniger als die Hälfte der Emails eines Managers haben mit seinen Kernaufgaben zu tun.
Ein besonderes Problem ist das in CC-Setzen. Doch eine Email, in der ein Vorgesetzter in Kopie gesetzt wird, zählt keineswegs zu „Personal führen“ oder „Fortschritte kontrollieren“. Also reduzieren sie jede überflüssige Email und sagen Sie es auch den Kollegen, dass sie nicht mehr zwingend in CC gesetzt werden wollen. Von Ausnahmen abgesehen sollte keine Email mehr als zwei Empfänger haben.
Früher mussten Mitarbeiter Zeit investieren, um Informationen so aufzubereiten, dass sie für den Vorgesetzten nutzbar waren. Eine CC-Kopie dreht den Arbeitsaufwand um: null für den Mitarbeiter, viel für den Chef. Da Kopien ja für den Empfänger und nicht den in CC-Gesetzten gedacht sind, braucht Letzter überdurchschnittlich viel Zeit, um sie zu lesen.
Wenn jemand eine Email in Kopie erhalten hatten, hat er deren Inhalt nicht automatisch gelesen und voll verstanden. Das scheint eine triviale Wahrheit zu sein, doch die Anspruchshaltung in Unternehmen ist oft eine andere. Bedenken Sie also, dass ihr Chef oder Ihr Kollege nicht jede CC-Email auswendig kennt.
Kopiert ein Mitarbeiter seinen Chef bzw. ein Kollege den anderen auf seine Email, werden die Empfänger der Email ihn auch wieder mit hinein nehmen.
Legen Sie fest, wie Sie informiert werden möchten. Wenn Sie keine CC-Kopie wollen, heißt das ja nicht, dass Sie auf Informationen verzichten möchten. Etablieren Sie ein Berichtswesen, verlangen Sie kommentierte Info-Kopien, demotivieren Sie externe CC-Setzer und verweisen Sie konsequent auf die Kompetenz der zuständigen Mitarbeiter.
Nun muss ein leitender Angestellter auch solche Aufgaben lösen, die nicht zu seinem Kernbereich gehören und man notwendiges Übel nennen könnte. Diese Dinge kommen in aller Regel per Email. Gänzlich vermeiden lässt sich das nicht, wohl aber reduzieren. Differenzieren Sie zwischen Notwendige-Übel-Emails und solchen, die tatsächlich unnötige Zeitverschwendung sind. Der Anteil ist höher als Sie denken.
Aber das wäre so, als ließe man unter jeder E-Mail stehen: "Von meinem iPad gesendet".
Das macht man irgendwie nicht. Also denkt man sich etwas Eigenes aus:
Die gute Seele
"Vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich bin vom 15. bis 18. März nicht im Büro. Bitte wenden Sie sich an meine Kollegin..." So kennen wir es seit den Neunzigerjahren. Nichts Besonderes.
Um die ohnehin schon überarbeitete Vertretung kurz vorm eigenen Urlaubsantritt zu besänftigen, ist auch üblich: "In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte an..."
Das vermittelt: Ob ich da bin oder nicht - der Laden läuft weiter wie geölt. So einen devoten Dienstleister wünscht sich jeder Kunde.
Der kreative Individualist
"Vielen Dank für Ihre E-Mail. Jedoch bin ich bis zum 14. März nicht im Büro und versuche anstatt dessen, ein paar hoffentlich ansehnliche Schwünge in den Tiefschnee zu ziehen. In dringenden Fällen..."
Dynamisch, nicht? Dies ist ein echtes Zitat aus der Abwesenheitsnotiz von Kay Oberbeck, dem Direktor für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit von Google Nordeuropa.
Aber dass der Mann sowohl Kommunikationsprofi als auch Chef ist, das hätte er nicht mehr dazu sagen müssen, oder?
Die größten Fehler beim Einsatz von E-Mails
„Welche negativen Auswirkungen ergeben sich aus einem unreflektierten Umgang mit dem Medium E-Mail?“ Der E-Mail-Spezialist Günter Weick, der mit seinen Kollegen von SofTrust Consulting seit 2001 die E-Mail-Kultur internationaler Unternehmen gestaltet, nennt in seinem Buch „Wenn E-Mails nerven“ zwölf potentielle negative Nebenwirkungen.
Eine davon ist die Verschwendung von Arbeitszeit. Beratungsgesellschaften beziffern den Wert der verlorenen Arbeitszeit auf mehrere Milliarden Euro jährlich.
E-Mails haben Suchtpotenzial. Auf lange Sicht leisten die Mitarbeiter so in der regulären Arbeitszeit weniger.
Wer sich von E-Mails treiben lässt, ermüdet schneller, wie Studien belegen. Die ständigen Unterbrechungen durch Emails erhöhen das Bournout-Risiko.
Jeder dürfte es schon mal erlebt haben, dass der Text einer E-Mail falsch verstanden wird. Missverständnisse passieren einfach sehr viel häufiger als in direkten Gesprächen. Zudem treten auch fachliche Fehler leichter auf.
Hierarchien haben sich ja nicht aus Zufall gebildet. Wer berichtet was an wen – das umgeht die E-Mail-Kommunikation viel häufiger, als es alle Beteiligten wahr haben wollen. Vielleicht geht der „kleine Dienstweg“ per Email manchmal schneller, aber das geht zu Lasten von Zuverlässigkeit und Qualität.
Anstatt richtig in Prozessen organisiert zu sein, wird vieles immer wieder als Einzelfall betrachtet. Das ist nicht nur aufwendiger, sondern es passieren auch mehr Fehler.
Soziologen und Psychologen sagen, dass jene Menschen, die vor allem elektronisch kommunizieren, die Fähigkeit und das Interesse verlieren, sich mit Menschen direkt auseinanderzusetzen.
Es gibt viele Themen, in den E-Mails einfach die uneffektivere Kommunikationsform sind (siehe Seite 2). Die Geschäftsvorfälle dauern länger als notwendig und erfordern mehr Aufwand. So manches Thema, das sich per E-Mail über Wochen hinzieht, ist in einer Zehn-Minuten-Besprechung vom Tisch.
Das dringende Kleine im Posteingang wird wichtiger als das wirklich wichtige Große. Auch das ist ein Nachteil der E-Mail-Kommunikation. Umso wichtiger ist es, sich da gut zu organisieren.
Es kommt schnell zu einem Realitätsverlust: Mitarbeiter schicken Dutzende E-Mails durch die Gegend und glauben, sie hätten wirklich gearbeitet. Doch wie produktiv sind die meisten E-Mails wirklich? Hat man für das Unternehmen tatsächlich so viel bewegt, wie man in derselben Zeit hätte können?
Wer über weitere Strecken des Tages auf eingehende E-Mails reagiert, hat folglich weniger Zeit zum Agieren. Das frustriert den Einzelnen und bringt dem Unternehmen wenig.
Jeder will E-Mails schnell vom Tisch haben. Also wo immer möglich gilt da die Devise: weiterleiten statt erledigen.
Stellen Sie sich vor, eine Sachbearbeiterin vom Büro für Kundenbeschwerden bei Ferrero schreibt in ihre Abwesenheitsnotiz: "Jedoch bin ich heute nicht an meinem Platz. Ich muss zum Tierarzt. Mein Border Collie kriegt am späten Vormittag eine gutartige Zyste raus."
Was interessiert uns deren Privatscheiß, würde man denken. Aber Führungsleute dürfen ihr Leben ausbreiten. Da ist das irgendwie ganz nah dran an den Menschen.
"Ich bin heute morgen mit dem kleinen Zeh am Tischbein hängen geblieben. Autsch! Bin beim Arzt und komme erst gegen Ende der Woche wieder rein. Bis denne. Dein Papst".
So wollen die Leute Menschen mit Macht erleben.