Wirtschaftsminister Altmaier im Silicon Valley Evangelist mit Selbstzweifeln

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fährt auf seiner USA-Reise mit einem autonomen Fahrzeug der US-Firma Zoox. Quelle: dpa

Peter Altmaiers Mission: In den USA für Deutschlands Vorzüge als Tech-Standort zu werben. Doch die Begegnungen des Wirtschaftsministers im Silicon Valley säen Zweifel an seiner eigenen Mission.

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Das Mac Arthur Park Restaurant in Palo Alto liegt zwischen dem Campus der Stanford Universität und dem Eingang der University Avenue. Ein BBQ-Restaurant nahe jener berühmten Silicon-Valley-Meile, an der Ebay, Google und Facebook ihre ersten Büros hatten. Es ist Montagmittag gegen 12 Uhr, als Peter Altmaier ins Restaurant stapft. Der Bundeswirtschaftsminister ist auf Reise durch die USA - von West nach Ost, vom Silicon Valley zu Handelskonsultationen in Washington, zu Apple und Google und außerdem zum Daimler-Werk in Alabama, wo der Stuttgarter Autokonzern einer der größten Arbeitgeber ist.

Doch jetzt ist erstmal Zeit fürs Mittagessen. Zur intellektuellen Unterhaltung sind Altmaier „Technologie-Evangelisten“ versprochen worden. Das sind, salopp gesagt, Persönlichkeiten, die technologischen Fortschritt predigen, fest von ihrer Mission überzeugt sind und andere davon überzeugen sollen. Das Silicon Valley hat den Vorteil, dass sich hier – meistens jedenfalls – Leute damit schmücken, die das selber schon vorgelebt haben. Das trifft sich gut, denn ist Altmaier im Grunde nicht selbst ein Evangelist, überzeugt vom Wirtschaftsstandort Deutschland und seiner Regierung?

Der große Unterschied zu den Evangelisten im Valley ist, dass sie an ihre Botschaften nicht nur glauben, sondern diese meistens auch umsetzen können. Und dabei nicht gegen meinungs- oder finanzstarke Lobbyisten, vermeintliche politische Freunde oder die Opposition kämpfen müssen. Oder gezwungen werden sollen, sich für oder gegen die Brennstoffzelle zu entscheiden.

Tatsächlich bekommt Altmaier bei diesem Mittagessen ein Spitzenmenü deutscher Tech-Kompetenz serviert: Sebastian Thrun etwa, der als Vater des autonomen Autos gilt, für Google Gründer Larry Page am selbstfliegenden Hubschrauber bastelt und seine Lernplattform Udacity zum weltweiten Vermitteln von Wissen einsetzt. Und Pascal Finette, der die Singularity Universität mit hochgezogen hat, die Führungskräften und Unternehmern einen Ausblick gibt, was ihren Firmen und ihnen persönlich für Umbrüche bevorstehen. Frederik Pferdt, einst für die Personalentwicklung bei Google zuständig und nun dessen Chief Innovation Evangelist. Alex Schuth, der mit Denali Medikamente von morgen entwickelt. Barbara van Schewick, die Jura an der Stanford Universität unterrichtet und eine der weltweit führenden Expertinnen für Netzneutralität ist. Kati Schmidt, eine der ersten Mitarbeiterinnen von Airbnb, die dort gekündigt hat und jetzt wieder Unternehmerin ist. Lars Neustock, der an der Uni Stanford in Elektrotechnik promoviert und unter anderem daran forscht wie Algorithmen automatisch Bauteile designen könnten, die dann auf 3D Druckern produziert werden.

Was Altmaier von ihnen zu hören bekommt, kann ihn weder überraschen noch freuen: Dass Deutschland und Europa viel zu oft in den Mittelpunkt stellen, wie Technologie missbraucht werden könne: „Wir können schädlicher Nutzung vorbeugen, aber wir sollten nicht immer von vornherein darauf fixieren“, betont Sebastian Thrun. „Wir müssen für mehr Verständnis in der Gesellschaft werben, damit sie sich nicht vor Technologie fürchtet.“

Auch Medikamentenforscher Schuth würde sich freuen, wenn nicht ständig davor gewarnt würde, wie Daten missbraucht werden können, zum Nachteil von Kranken. Sondern wie den Kranken tatsächlich geholfen werden kann - und welche Medikamente und Therapien das nachweislich nicht tun. Singularity-Vorreiter Finette doziert über eine Sanduhr, die sich gerade in der Weltwirtschaft auftut: Am oberen Ende jene Unternehmen, die stark spezialisierte Güter und Dienstleistungen offerieren, in kleinerem Maßstab, aber mit sehr hohen Margen. Am unteren Ende Unternehmen wie Google, Ebay, Amazon, Apple oder Facebook, die hoch skaliert und weltweit ihre Dienste anbieten, mit teils stark unterschiedlichen Margen, aber sehr erfolgreich. Die Herausforderung ist, so Finette, dass die Mitte der Sanduhr immer weiter eingeengt werde. Mit dem Unterschied, dass die dort befindlichen Unternehmen nicht automatisch nach unten fallen, sondern nach und nach verschwinden – unter anderem Teile des so wichtigen deutschen Mittelstandes.

Dauerthema beim Mittagessen ist der Mentalitätsunterschied zwischen den USA und Europa. Etwa, wenn Schmidt, die ihren Job bei Airbnb gekündigt hatte, danach von ihren Freunden in den USA Gratulationen bekommt. Während die Unterhaltung mit deutschen Bekannten von der Sorge geprägt ist, ob sie nicht einen kardinalen Fehler gemacht hat und ihre wirtschaftliche Existenz in Frage steht. Auch schmerzhaft für den deutschen Minister: Die bescheidene Menge an Wagniskapital in Deutschland, im Gegensatz zu den USA und mittlerweile Asien. Was viel weniger Startups produziert. Als Altmaier noch Kanzleramtsminister war, erzählte ihm der damalige Google-Chef Eric Schmidt, dass die USA da einfach einen Vorteil habe. Es gehen eine Menge Startups nach kurzer Zeit pleite. Aber es sind so viele, dass am Ende noch genug da sind und richtig groß werden können.

Trotzdem könne die Politik einiges tun: Singularity-Dozent Finette erzählt, wie er vor ein paar Jahren „fast aus einer Konferenz in Deutschland geworfen worden wäre.“ Dort pries man sich damit, dass nun groß in Künstliche Intelligenz investiert würde. Finette wies damals darauf hin, dass die Summe in ganz Europa nur drei Milliarden Dollar betragen würde, während China mindestens 30 Milliarden Dollar in die Hand nimmt und die USA mindestens 20 Milliarden Dollar. Inzwischen ist es noch mehr Geld – was die USA und China betrifft. Plus das, was US-Giganten wie Microsoft, Apple, Google, Amazon oder Facebook investieren. Es zeichnet sich ab, dass die globalen Standards bei Künstlicher Intelligenz künftig von USA und China festgezurrt werden. Und der deutsche Maschinenbau, so gut wie er ist, dann einen Großteil des Know-how von dort zukaufen muss und sich nach der dann vorgegebenen Infrastruktur und Prioritäten richten muss.

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