Zukunftsforscher Horst Opaschowski warnt 2019 wird ein Jahr der Konfrontationen

Donald Trump, Xi Jinping Quelle: Foto: Reuters, AP, imago; Illustration: Marcel Stahn für WirtschaftsWoche

Der Zukunftsforscher Horst Opaschowski blickt auf die Folgen des Machtkampfs zwischen US-Präsident Trump und Chinas Präsidenten Xi sowie auf die Spaltung der Gesellschaft.

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WirtschaftsWoche: Herr Opaschowski, die USA unter Trump suchen die Konfrontation mit China. Kommt die in Blöcke geteilte Welt wie im Kalten Krieg zurück, die wir eigentlich schon historisch überwunden glaubten?
Horst Opaschowski: An eine Rückkehr zum Kalten Krieg glaube ich nicht, eher an einen tiefen geopolitischen Strukturwandel. Vordergründig geht es um Autoimporte und Sojabohnen, doch es steckt mehr dahinter. Der Handelsstreit zwischen China und den USA ist ein Machtkampf, der uns noch jahrelang in Atem halten kann. Opfer dieser Auseinandersetzung sind nicht nur Aktienkurse und Finanzmärkte, sondern auch gemeinnützige Organisationen und soziale Netzwerke, die auf der Strecke zu bleiben drohen. US-Präsident Trump und der chinesische Staatspräsident Xi Jinping werden die großen Unberechenbaren des Jahres 2019 sein. Das Machtspiel der politischen Kernkonzepte beider Protagonisten, also Xis „Made in China 2025“ gegen Trumps „America First“, wird seine Spuren hinterlassen.

Welche Spuren?
Der aktuelle Bericht des US-Geheimdiensts CIA über die Welt im Jahr 2035 spricht vom baldigen Ende der Ära amerikanischer Dominanz. Das wäre ein globales Erdbeben, vergleichbar mit dem Ende des Kommunismus. Das globale Gleichgewicht wird gestört und die geltenden Spielregeln bei Handelsstreitigkeiten werden weitgehend außer Kraft gesetzt.

In Europa indessen scheinen sich Teile der Bevölkerung durch die Institutionen nicht mehr vertreten zu fühlen, wie man an den Protesten in Frankreich sehen kann. Wie holt die Politik diese Menschen zurück?
Erst müsste die Politik die Situation schonungslos beschreiben, dann kann sie darüber nachdenken, wie sie die Leute zurückholt. Ausgedrückt in den Begriffen der Zukunftswissenschaft hat ein neudemokratisches und postinstitutionelles Zeitalter begonnen. Die Menschen laufen den Kirchen, Parteien und Gewerkschaften massenhaft davon.

Horst Opaschowski prägte die Disziplin der Zukunftsforschung. Quelle: dpa Picture-Alliance

Warum?
Bürger und Institutionenvertreter leben immer stärker aneinander vorbei, sie leben in unterschiedlichen Wertewelten. Bei den Wählern entsteht der Eindruck, Parteien seien mehr am Machterhalt als am Gemeinwohl interessiert. Es ist doch kein Zufall, dass derzeit in der Werteskala der Bevölkerung defensive Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Respekt, Anstand, Benehmen, Vertrauen und Verlässlichkeit ganz oben stehen.

Gibt es einen Ausweg aus dieser Situation?
Politiker sollten aufhören, sich in erster Linie als Finanzminister zu verstehen, die Macht und Kontrolle über die Vergabe von Steuergeld haben. Der soziale Frieden im Land kann doch nicht nur eine Geldfrage sein. In England gibt es bereits das erste Einsamkeitsministerium.

Zukunftsforscher Horst Opaschowski

Das klingt skurril. Was hat es mit diesem Ministerium für Einsamkeit auf sich?
Das finde ich weniger skurril, eher sozial und pragmatisch. Es ist vernünftig, wenn die Politik etwas gegen die Vereinsamung zum Beispiel älterer Menschen tut, was die Aufgabe dieses 2018 eingerichteten Ministeriums in England sein soll. Kontaktarmut ist heute schon die größte Altersarmut. Wer kann denn wem noch vertrauen oder geduldig zuhören? Das soziale Klima muss sich grundlegend verändern. Institutionen müssen wieder werthaltiger in die Offensive gehen. Dann gilt für die nahe Zukunft: Werthaltigkeit ist die neue Nachhaltigkeit.

„Deutschland braucht einen Kurs- und Perspektivenwechsel“

Gibt es noch so etwas wie die Mitte der Gesellschaft oder zersplittert diese ähnlich wie die Parteien in Deutschland?
Es ist offenkundig, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. Das trifft auch die Mitte. Nicht nur der Wohlstand, auch das Wohlergehen der Menschen ist von der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich betroffen. Die soziale Kluft ist eines der Hauptprobleme des nächsten Jahrzehnts und damit eine große Herausforderung und Gefahr für die Demokratie. Deutschland braucht einen Kurs- und Perspektivenwechsel zu mehr sozialer und wirtschaftlicher Gleichheit. Selbst die ehemals breite Mittelschicht bekommt die Aufspaltung der Gesellschaft in Armutsgefährdete und Besserverdienende, in Aufsteiger und Absteiger, in Gewinner und Verlierer zu spüren.

Ich kann das auch mit Empirik untermauern: Nach dem Nationalen WohlstandsIndex für Deutschland, den ich seit 2012 gemeinsam mit dem IPSOS-Institut durchführe, haben nur mehr vier von zehn Bundesbürgern „keine Angst vor der Zukunft“ (43%). Alle übrigen machen sich Sorgen. Die Erklärung: Die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland besitzt kein Eigentum und damit auch keine Zukunftssicherheit.

Was hält ein Zukunftswissenschaftler eigentlich von der Manipulation des Erbguts bei Menschen? Ein chinesischer Wissenschaftler hat Laien und Fachleute geschockt, weil er die Gene von Babys verändert haben will. Hat die Menschheit hier eine rote Linie überschritten oder können wir noch zurück?
Das ist ein großes Thema für die Zukunftswissenschaft, weil auch eine unheilvolle Verknüpfung von Biotechnik, Gentechnik und Digitalisierung damit verbunden ist, wenn wir nicht aufpassen. Bereits 1999 hatte ich in meinem Buch „Generation @“ davor gewarnt, das menschliche Gehirn zu scannen, in einem Computer zu duplizieren und den Computer zum neuen Homo Sapiens aufzuwerten.

Fünf Jahre später habe ich über genetisch manipulierte Wunschkinder geschrieben, so wie sie nun in China auf die Welt gekommen sein sollen. Das unkontrollierte Klonen von Menschen war eines meiner Worst-Case-Szenarien für die nahe Zukunft. Jetzt droht diese rote Linie tatsächlich überschritten zu werden. Also müssen wir uns in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik um die Ethik der Technik heute und nicht erst morgen Gedanken und Sorgen machen. Der Auftrag der neuen Datenethikkommission der Bundesregierung kann daher nur lauten: Künstliche Intelligenz und Digitalisierung müssen sich am Gemeinwohl orientieren.
Welche Wünsche haben die Deutschen für die Zukunft?
Beim Gedanken an die ganz persönliche Zukunft setzt die Bevölkerung nach wie vor große Hoffnungen auf die 3Gs: Geld, Gesundheit und Geborgenheit. Ohne Geld geht gar nichts, ohne Gesundheit aber auch nicht. Und bei Geborgenheit denken die Bürger an die eigene Familie, den Freundeskreis sowie an ein freies und friedliches Zusammenleben.

Über das Unwort des Jahres wurde auch 2018 wieder viel diskutiert, deshalb wie in den Jahren zuvor wieder die Frage nach Ihrem persönlichen Unwort?
Aus Sicht des Zukunftsforschers lautet mein persönliches Unwort des Jahres 2018 „Maximale Realität“ – eine unheilvolle Wortverbindung, die scheinheilig Schein mit Sein und irreführend ein Immer-Mehr mit einem Immer-Besser verwechselt. Das erinnert an ein anderes Unwort namens „Alternative Fakten“.

Die sieben größten Baustellen für 2019
Deutschland hat die Energiewende eingeleitet. Das letzte Kernkraftwerk soll spätestens 2022 vom Netz gehen. Quelle: dpa
Die Netzbetreiber sträuben sich. Beim Breitbandausbau geht es vielen zu langsam. Quelle: dpa
Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat sich die Situation zwar etwas entspannt, weil weniger Asylbewerber ins Land kommen. Quelle: dpa
Nach Jahren des Sparkurses soll die Bundeswehr mit modernem Gerät aufgerüstet werden, um für Aufgaben der Landesverteidigung und für internationale Einsätze bereit zu sein. Quelle: dpa
Die einen fürchten um ihre Gesundheit, die anderen klagen über Fahrverbote. Quelle: dpa
Der Ruf nach mehr Polizisten kommt aus Bund und Ländern. Quelle: dpa
Brexit und der Umgang mit Trump Quelle: REUTERS
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