Andreas Dombret "Die Phase niedriger Zinsen wird nicht so schnell zu Ende gehen"

Der Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Geldpolitik der EZB und die Auswirkungen auf die Banken.

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Andreas Dombret Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Dombret, seit Wochen erhöht die EZB die Obergrenze für Notkredite, die die griechische Zentralbank an die Geschäftsbanken des Landes vergeben darf. Kritiker bezweifeln, dass die Banken solvent sind. Hält die EZB marode Banken in Griechenland künstlich am Leben?

Andreas Dombret: Nach Einschätzung der Europäischen Bankenaufsicht, dem SSM, sind die vier großen griechischen Banken solvent. Allerdings hängt ihre Solvenz wegen ihrer hohen Bestände an Staatsanleihen und anderen Forderungen gegenüber staatlichen Institutionen vom Wohl und Wehe der griechischen Staatsfinanzen ab. Die Regierung in Athen sollte deutliche Fortschritte auf dem Weg zu soliden Staatsfinanzen, einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft und einem funktionierenden Staatswesen machen.

Griechenlands Zahlungsverpflichtungen 2015

Müssen bei einem Staatsbankrott Griechenlands die Steuerzahler der übrigen Euro-Länder die griechischen Banken rekapitalisieren?

Ich spekuliere nicht über einen griechischen Staatsbankrott. Da Griechenland die EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Finanzinstituten noch nicht umgesetzt hat, richtet sich im Falle einer Bankeninsolvenz die Abwicklung einer Bank derzeit nach griechischem Recht. Im Euro-Raum werden der mit der Bankenunion errichtete Einheitliche Abwicklungsmechanismus und der Einheitliche Abwicklungsfonds erst ab dem kommenden Jahr angewendet.

Im Fall eines Staatsbankrotts Griechenlands dürfte der Fonds finanziell überfordert sein.

Nochmals, ich spekuliere nicht über einen Staatsbankrott. Es liegt im ureigenen Interesse Griechenlands, seine Staatsfinanzen zu sanieren.

Können die europäischen Bankenaufseher die Solvenz der griechischen Banken überhaupt beurteilen?

Auf die vier größten Banken Griechenlands entfallen rund 85 Prozent der Bilanzsumme aller griechischen Banken. Diese vier Banken unterliegen der direkten Europäischen Bankenaufsicht, die sich also ein eigenes Bild von der Lage der großen Banken macht. Das Urteil der Bankenaufseher über die griechischen Banken ist gut fundiert.

Das Eigenkapital griechischer Banken besteht zum Teil aus latenten Steuergutschriften gegenüber dem griechischen Staat, der nach Aussage seines eigenen Finanzministers bankrott ist.

Latente Steueransprüche als Bestandteil des Eigenkapitals sehe ich grundsätzlich kritisch. Diese Bilanzierungsmöglichkeit wird seit langer Zeit von vielen mit großen Vorbehalten betrachtet und im Rahmen von Basel III begrenzt. Deshalb ist es bemerkenswert, dass einige europäische Staaten wie zum Beispiel Griechenland, Spanien, Portugal und Italien nun doch zulassen, dass latente Steueransprüche ohne zeitliche Begrenzung dem harten Kernkapital zugerechnet werden – was im Endeffekt zu einer Verwässerung der Eigenkapitalquote führt. Besonders brisant ist dies dann, wenn der betreffende Staat finanzielle Schwierigkeiten hat. Ich begrüße daher sehr, dass diese Praxis von der EU-Kommission unter Beihilfeaspekten genau hinterfragt wird.

Welche Folgen hätte ein Euro-Austritt Griechenlands für die Banken in Europa?

Die Gefahr einer direkten Ansteckung über die Finanzmärkte ist heute viel geringer als im Jahr 2010. So haben die deutschen Banken nur noch Forderungen von insgesamt 2,4 Milliarden Euro gegenüber Griechenland in ihren Büchern. Selbst wenn diese Forderungen komplett ausfielen, würde jede deutsche Bank weiterhin die Eigenkapitalanforderungen der Aufsicht erfüllen. In anderen Euro-Ländern sind die direkten Forderungen der Banken gegenüber Griechenland noch geringer. Mittlerweile befinden sich mehr als 70 Prozent der griechischen Staatsschuldtitel in öffentlicher Hand.

"Bei Fusionen darf es keine Denkverbote geben."

Die Niedrigzinspolitik der EZB belastet die Banken. Wie lange halten die Institute das durch?

Die Absenkung und Verflachung der Zinskurve ist zurzeit die größte Herausforderung für Europas Banken. Vor allem deutsche Banken sind hiervon betroffen. Ihr Geschäft ist zinssensitiver als das der Konkurrenz in anderen Ländern. Daher sollten die Banken die Zinsabhängigkeit ihrer Geschäfte reduzieren, indem sie innovative Ideen entwickeln und ihr Geschäftsmodell stärker auf Provisionseinnahmen umstellen. Denn die Phase niedriger Zinsen wird nicht so schnell zu Ende gehen. Außerdem sollten die Banken ihre Kosten senken. Die demografische und die technologische Entwicklung sprechen dafür, das Filialnetz zu straffen. Auch bei der Abspaltung von Geschäftsbereichen und bei Fusionen darf es keine Denkverbote geben.

Die EU-Kommission will im Rahmen einer Kapitalmarktunion die Finanzierung der Unternehmen in Europa stärker auf die Kapitalmärkte ausrichten. Ist das ein vernünftiger Ansatz?

Die jüngste Finanzkrise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass den Unternehmen mehrere Finanzierungswege offenstehen. Aus Sicht der Bundesbank sollte es bei der Kapitalmarktunion nicht darum gehen, die bisher dominierende Kreditfinanzierung der Unternehmen durch die Kapitalmarktfinanzierung zu ersetzen, sondern sie um diese zu ergänzen. Ein Schwerpunkt sollte dabei auf dem Ausbau der Eigenkapitalmärkte liegen. Wenn Unternehmen ab einer bestimmten Größe ihre Finanzierungsquellen diversifizieren, erhalten sie neben der Kreditfinanzierung mit dem Kapitalmarkt ein zweites Standbein. Wenn in einer Krise eine der beiden Quellen versiegt, besteht die Möglichkeit, die andere anzuzapfen. Das erhöht die Stabilität des Finanzsystems.

Was muss getan werden, damit die Unternehmen sich stärker am Kapitalmarkt finanzieren?

In erster Linie sollten die Barrieren für den Zugang zum Kapitalmarkt abgebaut werden. Darüber hinaus müssen die Kapitalmärkte stärker integriert werden. Studien für die USA, Kanada und Schweden zeigen, dass integrierte Kapitalmärkte dazu beitragen können, die Risikoteilung zu verbessern und den Einfluss von Wirtschaftseinbrüchen auf den Konsum zu dämpfen. Zudem bieten integrierte Kapitalmärkte kleinen und mittleren Unternehmen bessere Finanzierungsmöglichkeiten, etwa bei der Wagniskapital- und der Crowd-Finanzierung.

Welche Barrieren müssen abgebaut werden?

Kurzfristig sollten die Vorgaben für Verbriefungen und Privatplatzierungen in Europa standardisiert werden. Zudem bietet es sich an, auch die Richtlinien für Prospekte bei Börseneinführungen anzupassen und den bürokratischen Aufwand bei Börsengängen zu reduzieren. Langfristig ist es sinnvoll, das Insolvenzrecht, das Gesellschaftsrecht und das Steuerrecht zu harmonisieren. So sollte die steuerliche Bevorzugung von Fremdkapital gegenüber Eigenkapital abgeschafft werden.

Die einzelnen Regierungen haben unterschiedliche Ansichten, was standardisiert werden sollte. Wird aus der Kapitalmarktunion ein Generationenprojekt?

Die EU-Kommission will die ersten Elemente der Kapitalmarktunion bereits bis 2019 umsetzen. Bei den Maßnahmen, die größere Gesetzesänderungen erfordern, ist dieser Zeitplan sehr ambitioniert. Dagegen ist das Vorhaben, EU-weite Märkte für eine transparente und standardisierte Verbriefung von Krediten zu schaffen, bereits weit gediehen. Auch bei der Wagniskapitalfinanzierung, Privatplatzierungen und Crowd-Finanzierungen sollten Erfolge in überschaubarer Zeit möglich sein. Alles in Allem bin ich überzeugt, dass die Kapitalmarktunion ein wichtiger Schritt in Richtung einer tieferen Integration Europas ist.

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