
Vom Flüchtling zum Millionär. Der Londoner Ökonom Philippe Legrain spricht gerne über solche Erfolgsgeschichten. Sergey Brin, Mitbegründer von Google, ist einer, der es geschafft hat. Brin wurde in der Sowjetunion geboren. Als er fünf Jahre alt war, siedelten seine Eltern in die Vereinigten Staaten über, heute ist er Multimilliardär und technischer Leiter von Alphabet, der Muttergesellschaft von Google. „Brin ist die Ausnahme und nicht die Regel“, gesteht Ökonom Legrain zwar ein. Dennoch sei er ein gutes Beispiel, was Flüchtlinge erreichen können, wenn sie in ihrer neuen Heimat nur die richtigen Bedingungen treffen.
Für die USA zahlt es sich aus, talentierte Flüchtlinge zu entdecken und zu fördern. Drei von vier Patenten, die an US-Spitzenuniversitäten entwickelt und angemeldet werden, stammen von Studenten, die nicht in Amerika geboren wurden – also Flüchtlinge oder Einwanderer. Nicht jede Entwicklung mündet in einem neuen Google. Gerade im Silicon Valley tummeln sich aber viele Gründer mit Migrationshintergrund.
Sind solche intellektuellen und wirtschaftlichen Gewinne auch in Deutschland möglich? Legrain glaubt schon. In einem Report für die New Yorker Tent-Stiftung kommt er zu dem Ergebnis, dass Flüchtlinge eine Rendite von knapp 100 Prozent bringen können. Jeder Euro, der demnach in einen Flüchtling in Deutschland oder anderen europäischen Ländern investiert wird, würde mit knapp zwei Euro zurückgezahlt werden.
Die Berechnungen beruhen auf Daten des Internationalen Währungsfonds. Demzufolge müssten die EU-Staaten zwischen 2015 und 2020 für Flüchtlinge 8,8 Milliarden Euro zusätzlicher Investitionen stemmen. Zugleich würde im gleichen Zeitraum das Wirtschaftswachstum um 126,6 Milliarden Euro höher ausfallen – eben durch die zugezogenen Flüchtlinge, die in den EU-Staaten leben, arbeiten und konsumieren.
Das Problem: Legrain stützt sich auf Modelle mit schwer berechenbaren Faktoren. Das wird vor allem bei den Kosten deutlich. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hält jährliche Mehrausgaben zwischen knapp 20 und 55 Milliarden Euro für möglich. Der teuerste Fall würde eintreten, wenn weiterhin eine Million Flüchtlinge pro Jahr zu uns kommen.
Was Flüchtlinge dürfen
Wer eine sogenannte Aufenthaltsgestattung bekommt, darf nach drei Monaten in Deutschland eine betriebliche Ausbildung beginnen. Wer geduldet ist, kann vom ersten Tag an eine Ausbildung machen. In beiden Fällen ist jedoch eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde nötig.
Gleiches gilt für Praktika oder den Bundesfreiwilligendienst beziehungsweise ein freiwilliges, soziales Jahr: Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach drei Monaten ohne Zustimmung der ZAV damit beginnen, wer den Status „geduldet“ hat, darf das ab dem ersten Tag.
Wer studiert hat und eine Aufenthaltsgestattung besitzt, darf ohne Zustimmung der ZAV nach drei Monaten eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung aufnehmen, wenn sie einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen und mindestens 47.600 Euro brutto im Jahr verdienen werden oder einen deutschen Hochschulabschluss besitzen (unabhängig vom Einkommen).
Personen mit Duldung können dasselbe bereits ab dem ersten Tag des Aufenthalts.
Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach vierjährigem Aufenthalt jede Beschäftigung ohne Zustimmung der ZAV aufnehmen.
Da sich der Zustrom in den letzten Monaten drastisch reduziert hat, erscheinen eine halbe Million Neuankömmlinge oder weniger in diesem Jahr wahrscheinlich. Bund und Länder streiten derzeit über die Kostenteilung. Die Länder beziffern ihre Ausgaben für Betreuung, Ausbildung, innere Sicherheit, Gesundheit und Wohnraum auf mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr.