
Im Wahlkampf-Hauptquartier von Marine Le Pen wird demonstrativ aus einer Trump-Tasse getrunken. So zu sehen in einem betont locker inszenierten Youtube-Video aus dem Pariser Büro von David Rachline, dem Kampagnenchef der französischen Rechtspopulistin. Die Botschaft ist klar: Die Front National sieht den Sieg von Donald Trump in den USA als Zeichen, dass auch ihre Stunde gekommen ist.
An diesem Wochenende schwört Le Pen ihre Mitstreiter in Lyon auf den Wahlkampf ein und stellt ihr Programm vor. Noch nie konnte die Rechtsaußen-Partei so ein gutes Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl erwarten. In Umfragen für den ersten Wahlgang im April liegt sie mit um die 25 Prozent seit Wochen vorn und kann damit rechnen, in die entscheidende Stichwahl im Mai zu kommen.
Die Abstimmung ist damit auch eine Entscheidung über das Schicksal der Europäischen Union. Denn eins ist klar: Der ohnehin angeschlagenen EU droht bei einem Le-Pen-Sieg das Auseinanderbrechen. Die 48-Jährige hat schon angekündigt, dass sie innerhalb von sechs Monaten ein Referendum über den Austritt der zweitgrößten Euro-Wirtschaft aus der Gemeinschaft organisieren würde. In ihrem Wahlprogramm steht die Forderung an erster Stelle. Wenn die EU keinem Komplettumbau nach Le Pens Gusto zustimmt, will Le Pen für den „Frexit“ werben.
Das ist Geert Wilders
Der niederländische Politiker Geert Wilders wurde am 6. September 1963 in Venlo geboren und ist seit 1992 mit einer Ungarin verheiratet. Neben einer Tätigkeit bei einer Versicherungsgesellschaft studierte Wilders Rechtswissenschaften an der niederländischen Open Universiteit. Geert Wilders lebte eine längere Zeit in Israel. Wegen Volksverhetzung - Wilders nannte Muslime pauschal "gefährlich" - stand Wilders Anfang 2010 vor Gericht. Die Richter sprachen ihn frei, bei seiner Äußerung handele es sich um "freie Meinungsäußerung".
Euroskepsis und Fremdenhass ist das, was die „Partei für die Freiheit“ (PVV) ausmacht. In den Augen ihres Gründers Geert Wilders ist der Islam eine faschistische Ideologie. Ein Einwanderungsstopp ist seiner Ansicht nach die einzig logische Konsequenz. Wilders spricht sich zudem gegen einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union aus und findet, dass die EU sich in einem "schrecklichen Zustand" befindet.
Anfang 2006 gründete Wilders die "Partij voor de Vrijheid", mit der er bei den niederländischen Parlamentswahlen am 22. November 2006 antrat und aus dem Nichts neun Sitze im Parlament erhielt. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wählte ihn daraufhin 2007 zum Politiker des Jahres. 2010 holte seine Partei bei den Wahlen über 15 Prozent der Stimmen. Wilders wurde zum Zünglein an der Waage und duldete die Minderheitsregierung von Mark Rutte.
Geert Wilders ist radikaler Gegner des Islams. Er fordert eine Steuer für das Tragen von Kopftüchern und Vergleich den Koran bereits mit Hitlers „Mein Kampf“. Für seine Äußerung, Muslime seien grundsätzlich potentiell gefährlich, musste er sich vor Gericht verantworten.
Seit der Übernahme der rechtsextremen FN von ihrem Vater, dem wegen Anstiftung zum Rassenhass verurteilten Jean-Marie Le Pen, bemüht sich Marine Le Pen, der Partei ein bürgerlicheres Image zu verpassen. Damit konnte sie bei Wahlen Zugewinne feiern, die wegen des Mehrheitswahlrechts aber nicht zu großer Macht führten.
Le Pen habe den FN-Diskurs „banalisiert“, sagte die Professorin Cécile Alduy, die ihre Sprache untersucht hat, dem Magazin „L'Obs“. Aber: „Um von einer ideologischen Entschärfung zu sprechen, müsste man das über das Vokabular hinaus in den Maßnahmen ihre Programms feststellen. Das ist nicht der Fall.“
„Zur Erneuerung der Partei gehörte, offenen Rassismus zu unterbinden“, analysiert die Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik. „Xenophobie ist allerdings weiterhin ein bestimmendes Thema. Statt Judentum ist das neue Feindbild der Islam.“ Ein Thema, das Le Pen vor allem vor dem Hintergrund der islamistischen Anschlagsserie in Frankreich herausstellt.





Le Pen präsentiert sich als nah an den Sorgen der Bürger und appelliert meisterhaft an das verbreitete Gefühl des Misstrauens und der Enttäuschung über „die da oben“. Nach dem Scheitern der Staatschefs Nicolas Sarkozy und François Hollande, die beide mit dem Versprechen eines Wechsels angetreten waren, ist diese Kluft ständig spürbar. Das Land leidet weiter unter einer hohen Arbeitslosigkeit vor allem bei jungen Leuten.
Marine Le Pens Antwort: Protektionismus und deutliche Reduzierung der Einwanderung - einen Einreisestopp à la Trump fordert sie aber nicht. Le Pen will etwa eine Steuer auf Arbeitsverträge für Ausländer, eine „Sozialabgabe“ auf Importe, den Austritt aus der Nato. Das alles wird flankiert mit dem Versprechen von Entlastungen für Geringverdiener und Mittelschicht.
Wie radikal ist der Front National?
Parteiführerin Marine Le Pen versucht ihre Partei zu "entdiabolisieren" und für alle Franzosen wählbar zu machen. Deswegen verwehrt sie sich dagegen, radikal oder ausländerfeindlich genannt zu werden. Sie kündigte rechtliche Schritte gegen all jene an, die die Partei rechtsextrem nennen. Ihre Partei "sei weder rechts, noch links".
Der Front National nennt sich selbst "patriotisch" und "national". Man wolle die "französische Identität, Tradition und Souveränität" wahren. So sollen Franzosen in ihrem Heimatland generell bevorzugt werden. Das Motto – und ein Buchtitel des ehemaligen FN-Chefs Jean-Marie Le Pen – lautet: "Les Français d'abord" ("Franzosen zuerst"). Demnach sollen französische Staatsbürger bei der Arbeitsplatzsuche und bei Sozialleistungen gegenüber Nicht-Franzosen besser gestellt werden.
Der FN will den Bau von Moscheen in Frankreich verbieten, ebenso das Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit um die "Islamisierung" des Landes zu stoppen. Einwanderer aus muslimischen Ländern werden kritisch gesehen.
Marine Le Pens Vater, Jean-Marie Le Pen, fiel mehrfach durch antisemitische Äußerungen negativ auf. verharmloste die Gaskammern der Nazis als "Detail der Geschichte", bezeichnete die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg als "nicht besonders unmenschlich" und stachelte zum Fremdenhass auf. Noch heute meldet sich der 85 Jahre alte Ehrenvorsitzende wöchentlich zu Wort. Politikwissenschaftler wie Jean-Yves Camus verweisen darauf, dass sich Marine Le Pen keineswegs klar von ihrem Vater distanziert
2007 schloss sich der Front National mit anderen rechten Parteien – unter anderem die österreichische FPÖ – zu einer Fraktion unter dem Namen "Identität, Tradition, Souveränität" zusammen. Wenige Monate später löste sich die Fraktion auf.
Die Regionalzeitung "Midi Libre" aus Montpellier nennt den Front National trotz der Drohgebärden der Partei weiterhin rechtsextrem. "Lassen Sie es uns ohne Umschweife und ohne Hass sagen – auch wenn dies ihrer Vorsitzenden nicht gefällt: Die Front National ist rechtsextrem. Marine le Pen kann noch so viel drohen, gegen jeden vor Gericht zu ziehen, der die FN in diese politische Familie einstuft – wir fragen uns, aus welchem Grund - ihre Partei bleibt der Flaggenträger des französischen Nationalsozialismus. (...) Auch wenn ihre populistischen Thesen einen Teil der Wähler verführen, bleibt die Front National eine Gefahr für die Demokratie. Eine Gefahr für den Sozialpakt, der die Bürger vereint. Und ein Risiko für das Gleichgewicht in Europa."
Der Wirbel um die Scheinbeschäftigungsvorwürfe gegen den konservativen Kandidaten François Fillon könnte Le Pen weiter nützen. Dieser galt als ein Bollwerk gegen ein Vorrücken der Front National etwa im katholischen Wählermilieu.
Dabei steht Le Pen selbst in der Kritik, weil sie verdächtigt wird, als Europaabgeordnete aus EU-Mitteln Mitarbeiter bezahlt zu haben, die in Wahrheit für ihre Partei arbeiteten. Sie kontert die Vorwürfe und die laufenden Ermittlungen schlicht mit der Anschuldigung, diese seien rein politisch motiviert.
Nun sollte nicht vergessen werden, dass Le Pen zwar für den ersten Wahlgang Rückenwind hat - für den zweiten Wahlgang sagen Umfragen ihr aber ebenso regelmäßig eine krachende Niederlage voraus. Egal, ob sie nun in einem Duell gegen Fillon oder den unabhängigen Polit-Jungstar Emmanuel Macron steht. Zwar steht die Aussagekraft von Umfragen spätestens seit dem Brexit-Votum zur Debatte, doch der Abstand ist mit um die 60 zu 40 Prozent schon sehr deutlich.
Dennoch haben in Frankreich in den vergangenen Monaten auch Politiker wie der ehemalige Premierminister Manuel Valls gewarnt, dass ein Sieg Le Pens möglich sei. In jedem Fall hat die Front-National-Chefin es geschafft, zur zentralen Figur des Wahlkampfs zu werden - und dürfte damit auch maßgeblich dessen Themen prägen.