Gegen Zockerei und Gier Boni-Begrenzung schockt Londoner City

London reagiert wütend auf die Deckelung der Banker-Boni in der EU und droht mit Abwanderung. Die Schweiz geht dagegen noch einen Schritt weiter und stimmt am Sonntag darüber ab, ob allzu üppige Manager-Gehälter per Gesetz verboten werden sollen. Für Gier drohten dann Gefängnis- und Geldstrafen.

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Boris Johnson Quelle: dpa

Europa setzt als einzige Region der Welt den umstrittenen Millionen-Boni für Banker enge Grenzen. Das Europäische Parlament und die irische EU-Ratspräsidentschaft beschlossen in der Nacht zu Donnerstag nach monatelangem Streit, dass ab nächstem Jahr die variable Vergütung das Fixgehalt generell nicht mehr übersteigen darf. Mit Zustimmung der Aktionäre kann der Bonus zwei Mal so hoch sein.

Die Regelung ist Teil eines umfangreichen Gesetzespakets für höhere Kapitalanforderungen für Banken, kurz Basel III genannt. Sie waren auf internationaler Ebene ausgehandelt worden und sind die wichtigste Konsequenz aus der Finanzkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008. Mit der besseren Absicherung gegen Risiken soll verhindert werden, dass die Steuerzahler Banken erneut mit Milliarden vor der Pleite retten müssen, um nicht die gesamte Wirtschaft zu gefährden.

In deutschen Regierungskreisen war von einem großen Schritt nach vorne die Rede. Die Regeln sollten noch vor der Bundestagswahl im September in nationales Recht umgesetzt werden. Die Einigung muss jetzt noch formell abgesegnet werden. Die EU-Finanzminister werden am Dienstag darüber beraten.

"Vernichtender Schlag für London"
Großbritannien, wo der Finanzsektor ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, erneuerte seine scharfe Kritik am Eingriff in die Vergütungspolitik, allen voran Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson. "Alles, was man mit dieser Maßnahme hoffen kann zu erreichen, ist, auf Kosten einer taumelnden EU (die Finanzzentren) in Zürich, Singapur und New York zu stärken“, sagte Johnson. "Die Menschen werden sich fragen, warum wir in der EU bleiben, wenn die auf solch klar erkennbare Eigentor-Politik besteht“, betonte er.

"Brüssel kann den weltweiten Markt für Banker-Talente nicht kontrollieren, Brüssel kann nicht die Boni weltweit festsetzen." Die britische Regierung forderte, den Banken zu ermöglichen, Personal außerhalb Europas anzustellen, um die Bonusgrenze umgehen zu können. Doch die Vorschriften gälten für die rund 8200 europäischen Banken überall sowie für die Auslandsbanken in Europa, betonte Verhandlungsführer Karas. Die Briten befürchten, dass die Londoner City als größter Finanzplatz Europas weiter ausblutet. In der City sind in den vergangenen fünf Jahren bereits rund 100.000 Jobs in der Finanzbranche verloren gegangen.

Auch in der Finanzbranche stießen die Vorgaben auf Unverständnis. Der Verband der privaten Banken in Deutschland sprach von einer "unangemessenen Bevormundung der Eigentümer". Der Alleingang Europas benachteilige die hiesigen Banken, sagte der Chef einer Großbank, der namentlich nicht genannt werden wollte. "Das ist ein vernichtender Schlag für London. Kein Finanzzentrum außerhalb Europas wird ähnliche Grenzen setzen." In Österreich wurde ähnlich argumentiert: "Es gibt viele Banken in Europa, die im Gegensatz zu uns mit amerikanischen und asiatischen Instituten im Handelsgeschäft konkurrenzfähig sein müssen. Für die wird das sehr schwer sein", sagte Erste-Bank -Chef Andreas Treichl.

"Zeit für ein bisschen Bescheidenheit"

Die Gehälter der 30 Dax-Vorstände
Kurt Bock (BASF) Quelle: dpa
Martin BlessingUnternehmen: Commerzbank Nettogewinn 2011: 638,00 Millionen Euro Vergütung des Vorstandschefs 2011: 500.000 Euro Vergütung in Prozent des Nettogewinns 2011: 0,08 Relative Performance im Branchenvergleich: 13,3 Prozent
Martin Winterkorn (Volkswagen) Quelle: dapd
Norbert Reithofer Quelle: dpa
Peter Löscher (Siemens) Quelle: dpa
Dieter Zetsche (Daimler) Quelle: dapd
Michael Diekmann Quelle: dpa

Die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen begrüßten dagegen die neuen Vorschriften. "Boni-Exzesse sind im Jahr sechs der Krise unserer Gesellschaft nicht mehr vermittelbar", sagte Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon. Banken müssten sich wieder darauf konzentrieren, Unternehmen und Konsumenten mit Darlehen zu helfen. Ähnlich äußerte sich EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier: Banken und Hedge-Fonds seien Teil der Gesellschaft und sollten beachten, was die Bürger denken. "Die Zeit für ein bisschen Bescheidenheit ist gekommen."

Millionengehälter plus Riesenboni - wenn Bosse Geld scheffeln wie Dagobert Duck, ärgert das auch die Schweizer. Die Eidgenossen können dank direkter Demokratie per Volksentscheid dafür sorgen, dass Managergehälter nicht grenzenlos in den Himmel wachsen. An diesem Sonntag stimmen sie deshalb über die "Abzocker-Initiative“ ab. Wenn sie durchkommt, müssen Gehaltsexzesse unter Strafe gestellt und die Rechte von Aktionären massiv gestärkt werden.

Welche Vorstandschefs ihr Geld wert sind
Kurt Bock, Vorstandsvorsitzende des Chemiekonzerns BASF spricht in Mannheim bei einer Hauptversammlung Quelle: dpa
Kurt Bock, Vorstandsvorsitzender des Chemiekonzerns BASF Quelle: dpa
Martin Blessing, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank Quelle: dapd
Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG Quelle: dpa
Norbert Reithofer, Vorstandsvorsitzender von BMW Quelle: dpa
Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG Quelle: dpa
Dieter Zetsche, Vorstandschef Daimler AG Quelle: REUTERS

Gefängnisstrafen für gierige Manager

Jahrzehntelang war das Wirtschaftsmodell der Schweiz als besonders liberal und deshalb besonders erfolgreich gepriesen worden. Dass der Staat - zumal mit Mitteln der Strafjustiz - in die Chefetagen hineinregieren könnte, erschien absurd. Doch dann kam die Finanzkrise. Auch in der reichen Schweiz rieben sich Menschen die Augen angesichts von Millionen-Boni, die Banker und Vorstandsmitglieder selbst dann noch kassierten, wenn Unternehmen Verluste einfuhren. Zu denen, die sich aufregten, gehörte Thomas Minder. Der heute 52-jährige Chef der familieneigenen Kosmetikfirma Trybol in Neuhausen am Rheinfall beließ es nicht beim Ärgern. Der Hobby-Politiker, der als parteiloser Abgeordneter im Parlament sitzt, sammelte vor fünf Jahren mehr als 100.000 Stimmen und setzte damit den Volksentscheid "gegen die Abzockerei“ durch.

Nach den Vorschlägen des "modernen Wilhelm Tell“, wie Minder von Anhängern genannt wird, sollen Aktionäre und nicht mehr Konzernvorstände das letzte Wort über Manager-Vergütungen haben. Dem Votum der Anteilseigner sollen sich Großunternehmen jährlich nach Neuwahlen des Verwaltungsrates unterwerfen müssen. Zudem sollen Sonderboni für Spitzenmanager - wie das 2012 gezahlte "Begrüßungsgeld“ von vier Millionen Franken (heute 3,27 Millionen Euro) für Ex-Bundesbanker Axel Weber bei dessen Antritt als UBS-Präsident - verboten werden. Zuwiderhandlungen werden laut Minder-Initiative "mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe bis zu sechs Jahresvergütungen bestraft“.

"Die Initiative schwächt den Werkplatz Schweiz“

Die bestverdienenden Firmenlenker Europas
Platz 10: Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender bei der Daimler AG8.654.000 Euro Quelle: Die Unternehmensberatung Hostettler, Kramarsch & Partner (hkp) hat die Vergütung der in den Börsenindizes STOXX Europe 50 und EURO STOXX 50 geführten Unternehmen für das Geschäftsjahr 2011 ausgewertet. Quelle: dpa
Platz 9: Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG8.706.633 Euro Quelle: dpa
Platz 8: Josef Ackermann, Ex-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank9.355.150 Euro Laut hkp-Studie liegen die Gehälter für Manager im Finanz- und Bankenbereich unter dem europäischen Durchschnitt (5.719.286 Euro). Der Grund: Die Marktsituation, sowie eine verstärkte Regulierung der Branche drücken die Gehälter - auch auf den höheren Managementebenen. Noch vor der Wirtschafts- und Finanzkrise waren die CEO-Löhne bei Banken & Co die höchsten in Europa. Quelle: dpa
Platz 7: Sir Terry Leahy, Chief Executive der britischen Handelsmarktkette Tesco9.922.936 Euro Die Gehälter der Top-Manager in Großbritannien, Schweiz und Deutschland bilden die Spitze im europäischen Vergleich. Im Durchschnitt verdienen die Schweizer CEOs 8.047.000 Euro, ihre Kollegen auf den britischen Inseln 6.730.000 Euro und die deutschen Vorstandsvorsitzenden 6.664.000 Euro. Die hkp-Studie stellt fest, dass innerhalb derselben Branche sich die Gehälter nach und nach annähern, doch die Unterschiede im Ländervergleich bleiben groß. Ein Schlüsselfaktor für die Vergütung: die Unternehmensgröße, die Branche, und der Standort des Konzernsitzes. Die Gehälter der europäischen Manager liegen laut hkp deutlich unterhalb der ihrer us-amerikanischen Kollegen. Quelle: dpa/dpaweb
Platz 6: Severin Schwan, Chief Executive Officer beim Schweizer Pharmakonzern Roche10.021.932 Euro Quelle: REUTERS
Platz 5: Peter Voser, Chief Executive Officer beim britischen Mineralöl- und Erdgaskonzern Royal Dutch Shell10.208.000 Euro Quelle: dpa
Platz 4: Bernard Arnault, Chef der französischen Luxusgüter-Gruppe Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH)10.696.670 Euro Arnault hat im September die belgische Staatsbürgerschaft beantragt und angenommen - aus Angst vor den Steuererhöhungsplänen der französischen Regierung unter Staatspräsident Francois Hollande. Quelle: dpa

Damit würde sich die Chefetagen-Kultur börsennotierter Schweizer Unternehmen erheblich ändern. Das Land bekäme das schärfste Aktienrecht der Welt. Unisono warnen Unternehmen, dass so weitgehende Einschränkungen der Wettbewerbsfähigkeit schweren Schaden zufügen würden. Dagegen holte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse mit einer massiven Werbekampagne aus, bei der kräftig die Keule "Drohender Jobverlust“ geschwungen wurde: "Die Initiative schwächt den Werkplatz Schweiz“, ist überall im Land auf Riesenpostern neben den Gesichtern erfolgreicher Unternehmer zu lesen. Die millionenschwere Kampagne zur Rettung der Millionen-Boni schien Wirkung zu zeigen. Die Zustimmung zur „Minder-Initiative“ ging zurück.

Doch inzwischen erscheint die Annahme als ziemlich sicher. Mehr als 60 Prozent der Schweizer wollen laut Umfragen dafür stimmen. Unfreiwillig hat dazu der bestbezahlte Manager der Schweiz beigetragen. Ausgerechnet in der heißen Phase des Meinungskampfes zur „Abzocker-Initiative“ wurde bekannt, dass sich Daniel Vasella - der scheidende Präsident des Schweizer Pharmariesen Novartis - mit dem Vorstand auf eine Abfindung von sage und schreibe 72 Millionen Franken (58,5 Millionen Euro) verständigt hatte.

Das Geld sollte dafür fließen, dass der 59-Jährige, der vorher bei Novartis schon hunderte Millionen verdient hatte, sechs Jahre lang nicht zur Konkurrenz geht. Die Empörung der Eidgenossen war enorm. Diese "Selbstbedienungsmentalität“ erschüttere das Vertrauen in die Wirtschaft, schimpfte auch Justizministerin Simonetta Sommaruga. Als Vasella schließlich seinen Verzicht auf die Abfindung bekanntgab, war alles zu spät. "Man kann nicht auf etwas verzichten, was einem gar nicht zusteht“, erklärte Minder - und erntete Beifall.

Angesichts hoch fliegender Emotionen gehen sachlich nachvollziehbare Bedenken gegen das Minder-Modell unter, wie es scheint. Kritiker weisen zum Beispiel darauf hin, dass der Zwang zu jährlichen Verwaltungsratswahlen sich als eine Art Einfallstor für Hedgefonds und "Heuschrecken“-Investoren erweisen könnten, die Schweizer Unternehmen unter ihre Kontrolle bringen wollen.

Obwohl selbst die politische Linke und die Gewerkschaften nicht einhellig hinter der Minder-Initiative stehen, hat ein von der Regierung in Bern unterbreiteten Gegenvorschlag wohl keine allzu großen Chancen. Er würde im Falle der Ablehnung der Minder-Initiative in Kraft treten. Auch mit dem Gegenvorschlag soll Abzockerei bekämpft werden.

Allerdings viel stärker auf der Basis von Freiwilligkeit - ohne Drohung mit dem Knast.

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