Griechenland Unternehmer stellen sich der Krise

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Auf die kleinen Dinge konzentrieren

Yannis Boutaris ist bei den Bürgern und EU-Besuchern beliebt. Das hat mit seinen Reformen zu tun. In der Stadtverwaltung fegt Boutaris aus, lässt die Zahl der Direktorate verringern, lässt erstmals eine Arbeitsplatzbeschreibung für jeden Stadtangestellten anfertigen. Damit man weiß, wer wofür gebraucht wird. »Das ist meine größte Herausforderung!«, sagt er. Doch man erwartet auch recht viel von ihm. Man erwartet, dass er den frustrierten Thessalonikern neue Horizonte öffnet.

Diese Stadt am Mittelmeer war einmal das Manchester Mazedoniens. Aber die Textilfabriken, Ledermanufakturen, Strickereien, Wollfärbereien wanderten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in den neunziger Jahren nach Norden ab, nach Exjugoslawien und Bulgarien. Der von deutschen Ministern öffentlich angeregte Euro-Austritt Griechenlands hilft da wenig. Denn die billigen Massenprodukte zum Export hätte Thessaloniki gar nicht zu bieten.

Wovon also soll die zweitgrößte Stadt Griechenlands künftig leben? Die Billigproduktionsidee hält Boutaris für ebenso untauglich wie das bisher viel zu lang gepflegte griechische Entwicklungsmodell des fremdgesponserten Konsums. »Small is beautiful!«, ruft er. Die Griechen sollten sich auf die kleinen Dinge konzentrieren, die sie gut beherrschen, und diese dann wirklich auch exzellent herstellen.

"Wir verkaufen unsere Produkte nicht gut genug"

Gleich, ob sie in den Weinbergen, in der Obstwirtschaft, in den Olivenhainen, in Solarfarmen oder hinter der Hotelrezeption stehen. »Wir verkaufen uns und unsere Produkte nicht gut genug.« Boutaris regt an, von den Italienern zu lernen, die Qualität und Marken pflegen würden. Ein Großteil des besten griechischen Olivenöls geht nach Italien und wird dem »reinen italienischen« Öl beigemischt. »Das müssen wir selbst machen«, sagt Boutaris.

Da stimmen viele zu. Auf einem Wirtschaftskongress nicht weit vom Bürgermeisteramt versammeln sich Unternehmer aus Nordgriechenland. Hier ist wenig zu hören von dem Athener Gejammer über die Programme der EU und des Internationalen Währungsfonds. Es ist ein Kongress gegen die erstarrte Hauptstadt Athen, gegen den handlungsunfähigen Zentralstaat, eine liberale Kritik an verfetteter Administration. Die Redner holen aus gegen die Politiker der großen Parteien, die seit Jahren Reformen sabotieren, gegen die Klientelwirtschaft, gegen die sinnlose Verschwendung von EU-Ressourcen.

»Der Staat ist unsere Krise«, sagt der Wirtschaftsprofessor Moise Sidoropoulos. Auf der Bühne fordern Redner, die Griechen sollten aufhören, »von einem warmen Staatsjob zu träumen«. Manche schlagen vor, die EU solle Beamte in die griechischen Ministerien entsenden, andere empfehlen ihrem Land als Unterstützung Berater aus Amerika. Die Art des Wirtschaftens solle sich ändern.

»Wir wollen keine Geschäftsleute, die staatlichen Schutz suchen, wir wollen Unternehmer, die auf den Markt gehen und kämpfen«, ruft einer. Das klingt richtig mutig. Was wäre denn der Markt der Griechen?

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