
Großbritanniens Finanzminister George Osborne verhält sich ganz so wie der legendäre Robin Hood – jedenfalls weiß er, wie man mit der rechten Hand nimmt, um dann mit der linken zu geben: Bei der Vorstellung seines neuesten Haushaltsentwurfs zog er zunächst ein Kaninchen aus dem Hut, indem er eine Zuckersteuer auf Softdrinks ankündigte. Die Erlöse der neuen Abgabe, die 2018 in Kraft treten, rund 18 bis 24 Pence je Liter betragen und im Jahr 530 Millionen Pfund (679 Millionen Euro) in die Kassen des britischen Fiskus spülen soll, würden dann der Förderung des Schulsports in den Grundschulen zugutekommen, so Osborne.
Die schwierige Beziehung der Briten zu Europa
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union waren nie einfach. Der konservative britische Premierminister David Cameron will bei einer Wiederwahl 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU ansetzen - und vorher das Verhältnis des Königreichs zu Brüssel neu verhandeln. Geprägt von tiefem Misstrauen gegenüber Europa setzte Großbritannien in der Vergangenheit wiederholt Sonderregeln durch - und steht traditionell mit einem Fuß außerhalb der EU.
Da Großbritannien zwar viel in den EU-Haushalt einzahlte, aber kaum von den milliardenschweren Agrarhilfen profitierte, forderte die britische Premierministerin Margaret Thatcher 1979: „I want my money back!“ („Ich will mein Geld zurück!“) Die „Eiserne Lady“ setzte dann 1984 eine Rabatt-Regelung für ihr Land durch, nach der Großbritannien 66 Prozent seines Nettobeitrags an die EU zurückerhält. Der Rabatt besteht bis heute, obwohl er immer wieder den Unmut anderer EU-Länder erregt, da sie nun den britischen Anteil mittragen müssen. Doch abgeschafft werden kann die Regel nur, wenn London zustimmt.
Wer von Deutschland nach Frankreich, Österreich oder in die Niederlande reist, muss dafür seinen Pass nicht vorzeigen. Großbritannien-Urlauber sollten den Pass jedoch dabei haben: Die Briten haben sich nicht dem Schengen-Abkommen angeschlossen, das den EU-Bürgern Reisefreiheit von Italien bis Norwegen und von Portugal bis Polen garantiert.
Seit der EU-Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 in Kraft getreten ist, kann Großbritannien wählen, an welchen Gesetzen im Bereich Inneres und Justiz es sich beteiligt. Zudem erwirkte die britische Regierung den Ausstieg aus 130 Gesetzen aus der Zeit vor dem Lissabon-Vertrag. Im Dezember 2014 stieg London dann bei rund 30 Regelungen wieder ein, darunter beim Europäischen Haftbefehl. Diese „Rosinenpickerei“ nervt im Rest der EU viele.
In der Verteidigungspolitik setzt Großbritannien auf die Nato. Als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im März für den Aufbau einer europäischen Armee warb, kam das „No“ aus London postwendend. „Verteidigung ist eine nationale, keine EU-Angelegenheit“, sagte ein Regierungssprecher. Obgleich Großbritannien Ende der 1990er Jahre den Widerstand gegen die Gründung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) aufgab, wacht es darüber, dass die Europäer hier nicht zu weit gehen. So hat London verhindert, dass es ein Militärhauptquartier in Brüssel gibt. EU-Einsätze wie etwa in Mali werden deshalb dezentral aus den Mitgliedstaaten geleitet.
Auch in der Euro-Krise ist die an ihrer Pfund-Währung festhaltende britische Insel ein gutes Stück weiter von der Kern-EU weggedriftet. Mit Sorge wurden in London die mühseligen Arbeiten zur Euro-Rettung beobachtet, zudem fürchtete die britische Regierung Folgen für den Finanzstandort London durch strengere Banken-Regulierung oder eine Finanztransaktionssteuer. Für Empörung in der EU sorgte, dass sich Großbritannien dem Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin nicht anschloss.
Eine bittere Pille zwar für die Hersteller von Limonade und Cola, doch der TV-Starkoch Jamie Oliver, der jahrelang für eine solche Maßnahme agitiert hatte, um Fettleibigkeit und Karies bei Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen, jubelte. Und selbst Oppositionsführer Jeremy Corbyn lobte zähneknirschend die überraschende Maßnahme des konservativen Finanzministers. Doch während der Schatzkanzler sich damit viele positive Schlagzeilen sicherte, blieben seine anderen – und viel bedeutenderen – Steuerankündigungen weitgehend unbemerkt. So stellte der Finanzminister Steuervergünstigungen für kleine und mittelständische Unternehmen in Höhe von sieben Milliarden Pfund in Aussicht, will aber gleichzeitig Großunternehmen im Umfang von neun Milliarden Pfund stärker zur Kasse bitten, indem er Steuerschlupflöcher stopft.
Großbritannien senkt Körperschaftssteuer
Generell aber beabsichtigt er, der Industrie etwas Gutes zu tun und kündigte deshalb für das Fiskaljahr 2020 eine Senkung der britischen Körperschaftssteuer von derzeit 20 Prozent auf 17 Prozent an. Zum Vergleich: als Osborne 2010 Schatzkanzler wurde, betrug die Körperschaftssteuer im Vereinigten Königreich noch 28 Prozent. Großbritannien nähert sich nun immer stärker dem Nachbarn Irland an: das Niedrigsteuerland mit seiner Körperschaftssteuer von nur 12,5 Prozent ist ja schon lange ein Magnet für ausländische Konzerne – vor allem aus den USA. Deren aggressive Steuersparvermeidungsmethoden haben dem Ruf Irlands geschadet, sind aber auch in Großbritannien ein heiß diskutiertes Thema.
Großbritanniens wichtigste Importländer
Importe: 15,6 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 2,9 Prozent
Importe: 17,3 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 3,3 Prozent
Importe: 21,9 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 4,1 Prozent
Importe: 22,2 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 4,2 Prozent
Importe: 27,9 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 5,2 Prozent
Importe: 32,2 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 6,0 Prozent
Importe: 36,3 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 6,8 Prozent
Importe: 41,5 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 7,8 Prozent
Importe: 46,6 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 8,8 Prozent
Importe: 79,3 Milliarden Euro
Anteil an den Gesamtimporten: 14,9 Prozent
Quellen: Office for National Statistics
Zuletzt war Osborne selbst diesbezüglich in die Schusslinie geraten. Denn der Technologiekonzern Google hatte sich im Steuerstreit mit dem britischen Fiskus rückwirkend auf eine Steuerzahlung von nur 130 Millionen Pfund für die letzten zehn Jahre geeinigt – ein lächerlich geringer Betrag, wie Kritiker monierten, denn er belief sich auf nur rund drei Prozent, des Ertrags. Möglich war das weil Google vorher - ganz legal – verschiedene Optionen zur Verringerung seiner Steuerlast angewandt hatte. Von 2005 bis 2015 betrugen die in Großbritannien generierten Erträge von Google rund 24 Milliarden Pfund. 2008 hatte Google sein Hauptquartier für die Region Europa, Nahost und Afrika (EMEA) dann allerdings nach Irland verlegt und alle in Großbritannien getätigten Geschäfte von da an über das Nachbarland abgerechnet.