Italien Bis hierher und nicht weiter

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Kein Sieg des „Populismus“

Auch wenn der Sturz des eigentlich so viel Hoffnung verbreitenden Premiers Renzi von außen wie ein Akt des Wahnsinns aussehen mag: So wahnsinnig ist der Schritt nicht. Deswegen tut auch Unrecht, wer das fünftgrößte Industrieland der Welt als drittes „Opfer“ des Rechtpopulismus nach entsprechenden Wahlergebnissen in Großbritannien und den USA sieht: Brexit, Trump, Italien? Der Dreiklang funktioniert nicht richtig. Denn in Italien wurde die Bewegung des „No“ nahezu ebenso stark von der linken wie von der rechten Seite des politischen Spektrums betrieben. Es waren nicht nur die Gaga-Populisten der Bewegung „Cinque Stelle“ um Komiker Beppe Grillo, die Renzi die Niederlage beibrachten, oder die Post-Faschisten von der Lega Nord sondern ebenso der linke Flügel von Renzis Sozialdemokraten selbst und große Teile des linksliberalen Bürgertums.

Und dennoch gilt es, an diesem Ergebnis nichts zu beschönigen. Nur, weil es rationale Gründe für das Nein der Italiener gibt, muss das Resultat kein schönes sein. Im Gegenteil: Italien, das so dringend einen wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Aufbruch bräuchte, stehen quälende Wochen wenn nicht Monate mit politischer Selbstbespielung bevor. Und für Europa wird es Zeit, sich die Sinnfrage zu stellen.

Und Europas Antwort?

Denn, anders als es der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn etwa in einer erste Reaktion weißmachen wollte, stellen sich sehr wohl aus dem Ergebnis einige Frage an die europäische Gemeinschaft, die so gemeinschaftlich in diesen Wochen nicht scheint: Wie, etwa, will man die Bevölkerungen Südeuropas wieder von Sinn und Wert des Projektes überzeugen? Die Antwort darauf ist nicht unmöglich, muss aber gegeben werden. Und welche Zukunft hat ein Währungsregime, das im Norden des Kontinents als Weichwährung, im Süden des Kontinents aber als Hartwährung gesehen und von beiden Seiten deswegen bekämpft wird? Der bisherigen Mischung aus vertraglicher Härte (um Nordeuropa zu beruhigen) und realer Flexibilität (um Südeuropa zu beruhigen) scheint die Gemeinschaft jedenfalls in wenig gute Fahrwasser geführt zu haben.

Die Antwort, wie das zu lösen sein wird, müssen auch und vor allem die Nordeuropäer geben. Man braucht nicht viel Phantasie, um zu erahnen, dass ein erneuter Appell in Sachen Spardisziplin und „jetzt erst recht“ nicht reichen wird als Antwort. Zudem viele Südeuropäer eine Antwort für sich gefunden zu haben scheinen: Entweder raus aus dem Euro, wie es die Protestbewegungen fordern, oder den Euro und Europa nach eigenem Willen umgestalten. Denn, wie viele italienische Politiker gerade gerne zum Besten geben: „Wir Südeuropäer sind schließlich die Mehrheit in der Union.“ Das ist natürlich in gewisser Weise Quatsch. Aber eben Quatsch, dem man aus Brüsseler und Berliner Perspektive besser etwas entgegensetzt – bevor er endgültig als Wahrheit verfängt.

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