Erstmals in der Krim-Krise haben sich Vertreter von Russland und der Ukraine persönlich zu einem Gespräch getroffen. Der russische Vizeaußenminister Grigori Karassin sei in Moskau mit dem ukrainischen Botschafter Wladimir Jeltschenko zusammengekommen, teilte das Außenministerium in Moskau am Samstag mit.
„In aufrichtiger Atmosphäre wurden Fragen der russisch-ukrainischen Beziehungen besprochen“, hieß es in einer Mitteilung der Behörde. Moskau erkennt die prowestliche neue Führung in Kiew nicht an, weil sie aus Sicht des Kreml mit einem „Umsturz“ an die Macht gekommen sei. Die Ukraine hatte Russland mehrfach zum Dialog aufgefordert.
Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollen am Samstag erneut versuchen, auf die ukrainische Halbinsel Krim zu gelangen. Bis zum Ende der Mission am kommenden Mittwoch würden alle unterschiedlichen Strecken ausprobiert und alle diplomatischen Mittel genutzt werden, sagte OSZE-Sprecherin Cathie Burton in Wien. Prorussische Bewaffnete hatten den Beobachtern bereits am Donnerstag und Freitag an unterschiedlichen Kontrollposten den Zugang zur Krim verwehrt. Die rund 50 Experten aus 28 Ländern sollen noch bis nächsten Mittwoch die militärischen Aktivitäten Russlands in der Ukraine beobachten. Nun wurde den Militärbeobachtern mit Warnschüssen der Zugang zur Krim verwehrt.
US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich positioniert und fordern den Rückzug russischer Soldaten von der ukrainischen Halbinsel Krim. Das teilte das Weiße Haus nach einem Telefongespräch der beiden Politiker mit. Zugleich verlangten sie den Zugang internationaler Beobachter und Menschenrechtsbeobachter in der Krisenregion. Sie plädierten für freie und faire Präsidentenwahlen in der Ukraine im Mai, hieß es am Freitagabend (Ortszeit) in Washington.
Russland müsse der Bildung einer internationalen Kontaktgruppe rasch zustimmen, die zu einem direkten Dialog zwischen der Ukraine und Russland führen solle, um so die Krise zu deeskalieren und die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen.
„Die politischen Führer bekräftigten ihre schwere Besorgnis über Russlands klare Verletzung des internationalen Rechts angesichts seiner militärischen Intervention in der Ukraine“, teite das Weiße Haus nach dem Telefonat mit. Obama habe die jüngsten Sanktionsbeschlüsse der EU sowie die gemeinsame Position der EU und der USA begrüßt, hieß es.
Angriffe auf ukrainische Streitkräfte
Zuvor hatte es in der Bundesregierung geheißen, dass man kommende Woche über einen solchen Schritt nachdenken werde. Dabei schaue man nicht auf die Rückwirkungen solcher Sanktionen auf die EU, sagte die Bundeskanzlerin nach einem Gespräch mit dem irischen Ministerpräsidenten Enda Kenny. "Wenn es weitere Angriffe auf die Ukraine und ihre territoriale Integrität geben sollte, dann werden wir mit einem breiten Bündel von Maßnahmen antworten." Zugleich betonte sie, dass die EU die Ukraine erheblich unterstützen wolle, eine EU-Mitgliedschaft aber nicht auf der Tagesordnung stehe. Die konservative Parteiengruppe EVP hatte bei ihrem Treffen in Dublin eine Ukraine-Resolution beschlossen, in der ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Antrages auf EU-Beitritt hingewiesen wird.
Zuvor wurde bekannt, dass russisch sprechende Uniformierte auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim einen Militärstandort der ukrainischen Streitkräfte attackiert haben sollen. Eine Gruppe aus etwa 20 Bewaffneten habe sich mit einem Lastwagen Zugang zu dem Areal nahe der Hafenstadt Sewastopol verschafft, teilten die Behörden in Kiew am Freitagabend der Agentur Interfax zufolge mit. Von Schüssen war nicht die Rede. Ein Korrespondent der britischen Zeitung „Daily Telegraph“ berichtete unter Berufung auf den stellvertretenden ukrainischen Kommandeur, dass die Uniformierten später wieder abgezogen seien.
Das Motiv der Angreifer sei unklar. Unbestätigten Berichten zufolge sollen bei Zusammenstößen am Rande Journalisten verletzt worden sein. Der moskautreue Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow widersprach im ukrainischen Fernsehen Vorwürfen, prorussische Uniformierte hätten einen Konflikt provoziert oder Journalisten angegriffen.
Russland, das in Sewastopol seine Schwarzmeerflotte stationiert hat, kontrolliert seit einer Woche die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim. Moskau bestreitet aber, Soldaten außerhalb vereinbarter Bereiche einzusetzen. Bewaffnete in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen seien „Selbstverteidigungskräfte“. Die prowestliche neue Führung in Kiew beklagt hingegen, die ukrainischen Kasernen auf der Halbinsel würden von moskautreuen Einheiten blockiert.
Neben den USA hat sich auch China in der Krim-Krise zu Wort gemeldet. Die Regierung fordert Ruhe und Besonnenheit. Die Krise sollte durch Gespräche gelöst werden, sagte Außenminister Wang Li am Samstag in Peking auf seiner jährlichen Pressekonferenz. Alle Beteiligten sollten das fundamentale Interesse aller Bevölkerungsgruppen in der Ukraine, das Interesse an einem regionalen Frieden und Stabilität im Blick behalten. China werde sich in den Konflikt nicht einmischen. Es handele sich um eine innere Angelegenheit des Landes. China respektiere die Entscheidungen der ukrainischen Bürger.
Während sich die Krise zuspitzt, ist die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko nach dpa-Informationen in Berlin eingetroffen. In der Charité will sich die ukrainische Oppositionspolitikerin wegen eines Rückenleidens behandeln lassen. Die ukrainische Oppositionspolitikerin hatte zuvor den Gipfel der Europäischen Volkspartei in Dublin besucht.
Merkel hat die Forderung von Timoschenko nach sofortigen harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland zurückgewiesen. Es gebe seit dem Sanktionsbeschluss der EU vom Donnerstag keinen neuen Sachstand, sagte sie am Freitag in Dublin. Die EU habe sehr deutlich gemacht, wie sie vorgehen werde: "Wir erwarten uns innerhalb weniger Tage Bildung eines diplomatischen Gremiums", sagte sie mit Blick auf die vom Westen geforderte und von Russlands Präsident Wladimir Putin im Prinzip zugesagte Kontaktgruppe. "Wenn das nicht der Fall ist, dann wird man weitere Sanktionen ins Auge fassen müssen", fügte Merkel hinzu.