NATO-Gipfel in Warschau Europa braucht eine gemeinsame Rüstung - und droht zu scheitern

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McKinsey rechnet mit großem Sparpotential

Ehrliche Selbstkritik oder politische Eigen-PR? Ministerin von der Leyen kann spitz formulieren, solange ihre Vorgänger für die jahrelange Unterfinanzierung der Truppe verantwortlich sind und sie selbst als Reformerin glänzen kann: Bis 2030, verspricht von der Leyen, werden 130 Milliarden Euro mehr als geplant in den Wehretat gepumpt. Das hört sich nach richtig viel Geld an. Ist es aber nicht. Solange mit der deutschen Wirtschaft auch das Steueraufkommen wächst, steigen auch die finanziellen Spielräume im Verteidigungsetat. Außerdem dürfte ein Großteil der neuen Mittel auf das Personal und die fehlende Ausrüstung entfallen, etwa Rucksäcke und Panzer-Ersatzteile.

Umso wichtiger, dass die Bundesregierung ihre Mittel effektiver nutzt. Das Ziel: „More bang for the buck“, so nennt es ein leitender Mitarbeiter im Verteidigungsministerium in amerikanischer Manier. Auf Deutsch: Mehr Rumms pro Euro.

Mit einer Harmonisierung des Einkaufs und Betriebs von Rüstungsgütern wäre schon viel gewonnen. Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey würden die EU-Mitgliedstaaten zum Beispiel jedes Jahr mindestens eine halbe Milliarde Euro sparen, wenn sie die Wartung ihrer 16 Flugzeugtypen zusammenlegten. Ein anderes Beispiel: Im Ausland kämpft die Bundeswehr an der Seite vieler europäischer Verbündeter. Sie alle fahren unterschiedliche Schutzfahrzeuge – und benötigen entsprechend unterschiedliche Ersatzteile.

Die sechs wichtigsten Themen des Nato-Gipfels

Besser klappt die Koordination der Europäer, wenn die Nato Initiative zeigt. Deren größere Mitglieder überwachen etwa den Luftraum der baltischen Staaten, damit sich Estland, Lettland und Litauen keine teure Luftwaffe leisten müssen. Militärs nennen dies „Pooling“. Entsteht daraus eine gemeinsame Kommandostruktur, spricht man vom „Sharing“ – wie im Fall der Awacs-Aufklärungsflugzeuge, die für alle Nato-Staaten in der Nähe von Köln stationiert sind.

Würden EU-Staaten derlei Optionen nutzen, Fähigkeiten maximal spezialisieren und ihr Material teilen, heißt es im McKinsey-Papier, ließen sich sieben Prozent der Wehretats für andere Zwecke freisetzen – allein in Deutschland sind das 2,3 Milliarden Euro im Jahr.

Das klingt attraktiv. Allerdings geht mehr Effizienz in Rüstungsfragen einher mit Abstrichen bei der nationalen Souveränität. Ob die Polen wirklich davon begeistert wären, etwa ihre Panzerbrigade freiwillig einer deutschen Division zu unterstellen, darf zumindest bezweifelt werden. Von der Leyen will ihren Partnern ein leuchtendes Vorbild sein. Deutschland, heißt es in ihrem Weißbuch, nehme „in Sicherheitsfragen bewusst gegenseitige Abhängigkeiten in Kauf“ und setze auf „multinationale Lösungen zur Schließung von Fähigkeitslücken“, vor allem in Bereichen wie Cyberabwehr, Drohnen oder Satellitenkommunikation.

Der Ansatz folgt dem sogenannten Rahmennationen-Konzept (FNC) der Nato, das auf Initiative Deutschlands versucht, eine optimierte Arbeitsteilung zu erreichen. Das Prinzip: Bei der Planung des Kaufs von Rüstungsgütern und auch bei ihrem Einsatz übernimmt ein Land die Führung. So muss nicht jedes Land alles können, alles kaufen. Christian Mölling, Militärexperte beim German Marshall Fund in Berlin, sagt: „Aus der militärischen Arbeitsteilung kann sich leicht eine industrielle ableiten.“

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