Nach dem mühsam erzielten Kompromiss im Haushaltsstreit der EU mit Italien droht dem in die Rezession gerutschten Land neuer Ärger mit Brüssel. Die EU-Kommission senkte am Donnerstag ihre Wachstumsvorhersage für das schuldengeplagte Land in diesem Jahr um einen vollen Punkt auf 0,2 Prozent. Italien wäre somit mit weitem Abstand Schlusslicht im Kreis der Staaten der Euro-Zone, die insgesamt um 1,3 Prozent wachsen dürfte. Damit wackelt die von Rom nach Brüssel übermittelte Zahl für das Haushaltsdefizit von 2,04 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). „Wir beobachten die wirtschaftlichen und fiskalischen Entwicklungen weiter sehr genau“, betonte EU-Kommissar Pierre Moscovici.
Eine Bewertung, wie sich die Wachstumsschwäche auf die Staatsfinanzen auswirke, stehe allerdings noch nicht an: „Das wird aber später kommen“, so der französische EU-Wirtschaftskommissar. Der Vizechef der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, wurde deutlicher: „Italien braucht tiefe Strukturreformen und entschlossenes Handeln, um das hohe Niveau der öffentlichen Schulden zu senken.“ Es gehe um eine verantwortliche Politik, die für Stabilität und Vertrauen sorge sowie Investitionen stärke. In der Euro-Zone hat nur Griechenland eine noch höhere Verschuldungsquote.
Italiens populistische Regierung plant unterdessen keine Korrekturmaßnahmen, um das Haushaltsdefizit einzudämmen. Gleichwohl räumte der parteilose Finanzminister Giovanni Tria Schwierigkeiten seines Landes ein, an frühere Wachstumszeiten anzuknüpfen. Es sei aber eher ein konjunktureller Rückschlag als „eine echte Rezession“, sagte Tria vor dem Parlament. Volkswirte sprechen allerdings von einer technischen Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge schrumpft. Dies war in Italien im zweiten Halbjahr 2018 der Fall.
„Vorhersagen sind noch keine Realitäten“
Voriges Jahr hatten sich die Kommission und Italien erbittert über den Haushalt für 2019 gestritten. Die Regierung in Rom plante ursprünglich mit einem Defizit von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung – drei Mal so viel wie ihre Vorgänger. Die Koalition aus rechter Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung will teure Wahlversprechen finanzieren, vor allem ein Grundeinkommen und ein niedrigeres Renteneintrittsalter.
Am Ende einigten sich beide Seiten auf ein Defizitziel von 2,04 Prozent. Diese Vereinbarung hat aus Sicht Moscovicis angesichts der zuvor durch den Streit ausgelösten Finanzmarktturbulenzen „weit Schlimmeres verhütet“. Auf Fragen, ob die von Rom nach Brüssel übermittelte Defizitzahl wegen der niedrigeren Wachstumsaussichten nun Makulatur sei, wich Moscovici am Donnerstag aus: „Vorhersagen sind das, was sie sind - noch keine Realität.“ Der EU-Kommissar geht allerdings davon aus, dass erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 eine leichte konjunkturelle Erholung in dem Mittelmeerland einsetzen wird.