Rassismus in Polen Miriam Shaded - Islamhetze in High Heels

Polens bekannteste Hetzerin trägt schwarze High Heels mit Absätzen, so hoch und spitz, dass sie an Waffen erinnern. Miriam Shaded ist islamophob – und inszeniert sich zugleich als Wohltäterin für geflüchtete Syrer.

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Miriam Shaded ist das Gesicht des islamophoben Polen Quelle: Getty Images

Die Designerschuhe hacken auf den Boden, als Miriam Shaded an diesem Morgen über den Parkplatz schreitet. Für ihr IT-Unternehmen hat die 29-Jährige kaum noch Zeit. Als sie sich auf das Sofa in der Lobby des Warschauer Bürohauses setzt, kommt sie direkt zur Sache: „Die Muslime sind wie eine Armee. Sie vergewaltigen Frauen und sie sind Terroristen. Es dauert nicht mehr lange, dann haben wir Krieg in Europa.“

Miriam Shaded hasst den Islam. Die Pfarrerstochter polnisch-syrischer Eltern hat im vergangenen Jahr eine Stiftung gegründet, die syrischen Christen die Reise nach Polen finanziert. Den Fokus hat sie mittlerweile verschoben. „Ich konzentriere mich auf die Lobby-Arbeit gegen die Islamisierung unseres Landes“, sagt sie. Die junge Frau wirkt mit ihren großen Augen und langen Wimpern alles andere als kampflustig. Sie trägt ein eng geschnittenes Designerkleid, die langen Haare fallen seidig über die schmalen Schultern.

Das EU-Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit

Doch es ist nicht zuletzt diese telegene Erscheinung, die sie zum prominenten Gesicht einer Stimmung machte, zum Testimonial der polnischen Islamophobie. In den vergangenen Monaten hat sich die Anzahl rassistischer Verbrechen vervierfacht. Laut dem Meinungsforschungsinstitut CBOS haben 44 Prozent der Polen eine negative Einstellung gegenüber Muslimen. Die nationalistische PiS-Partei versprach, Ausländer aus dem Land rauszuhalten – und gewann die Wahl.

Damit beweist das Land ein Axiom des Fremdenhasses: Je weniger Ausländer vor Ort, desto größer der Hass. Polen ist ein homogenes Land, mehr als 95 Prozent katholisch, über 99,8 Prozent polnisch. Und gerade der Islam ist in Polen vor allem eins: unbekannt. Schätzungen gehen von rund 50.000 Muslimen im Land aus; rund 0,1 Prozent der Bevölkerung.

Auch von der Flüchtlingsmigration bekommt das Land kaum etwas mit – etwa 11.600 Menschen haben bis Dezember letzten Jahres Asyl in Polen beantragt, die meisten davon aus Russland und der Ukraine. Weniger als 300 Syrer bekamen bis Oktober den Asylstatus. Für sie ist Polen ohnehin mehr Umsteige- als Zielbahnhof.

Doch für Miriam Shaded ist jeder Muslim einer zu viel. Mit ihrer Stiftung wählt sie Christen aus Syrien aus, für die sie Visa-Papiere beschafft. Insgesamt 174 Menschen hat sie bislang nach Polen geholt. Sie sieht sich als Wohltäterin. Auf der Website der Stiftung zeigt sie nicht nur Kinder mit Kulleraugen, sondern auch Botschaften wie: „Wir wollen die Mythen über Menschen im arabischen Raum zerstören.“

In Syrien war die junge Frau noch nie. Ihre Informationen beziehe sie aus dem Internet. Und Beweise für ihre Thesen gäbe es auch in Europa. „Bei den Pariser Anschlägen konnten wir sehen, wohin das führt. Es liegt im Wesen des Islams, dass jeder gute Muslim zum Terroristen wird“, sagt sie emotionslos, beinahe gelangweilt. Als sei das offensichtlich.

Der konservative Politiker Janusz Korwin, der einst mit Hitlergruß das EU-Parlament irritierte, gewann Shaded im vergangenen Jahr für seine Partei. Diese verfehlte zwar knapp das Parlament, doch Shaded blieb präsent. „Shaded ist ein Medien-Phänomen. Sie wirkt sehr überzeugend und die neue Regierung reagiert auf sie. Dadurch hat sie nur noch mehr Relevanz gewonnen“, beschreibt Adam Bodnar, der polnische Kommissar für Menschenrechte, die junge Frau.

"Ich werde euch beschützen"

Eines ihrer beliebtesten Fotos zeigt Shaded mit Pistole, die sie mit geraden Armen gegen ein Ziel außerhalb des Bildes richtet. Darunter steht: „Ich werde euch beschützen.“ Es wurde auf Facebook mehrere hundert Mal geteilt. Es gehört zu Shadeds regelmäßigen Forderungen das Waffengesetz zu liberalisieren, um sich besser vor Muslimen schützen zu können.

Die Aktivistin Anna Tatar dokumentiert rassistisch motivierte Verbrechen. „Wir beobachten in Polen derzeit eine Welle des Hasses. Erst zeigten sich die Hetzer nur im Internet, doch jetzt gibt es immer mehr körperliche Attacken“, sagt sie. Ihre Organisation „Nie wieder“ berichtet von dutzenden Vorfällen allein in den letzten Wochen. Ausländisch aussehende Menschen werden geschlagen, getreten oder beschimpft. „Die Gewalt eskaliert. Wir zählen momentan so viele Angriffe pro Woche wie ansonsten pro Monat“, sagt Tatar.

Vor wenigen Wochen hatten die Fans des Fußballvereins Slask Wroclaw eine Choreografie zu einem Heimspiel vorbereitet. Ihr Transparent spannte sich über den gesamten Fanblock: Ein Ritter wehrte mit seinem Schwert Flüchtlingsboote im Mittelmeer ab. Darunter stand: „Verteidigt das christliche Abendland, wenn Europa von der islamischen Pest überzogen wird!“ In vielen Städten Polens ist der Slogan „Stoppt die Islamisierung“ an Wände gesprüht. Und der Fremdenhass richtet sich nicht nur gegen Muslime. Bei einer Demonstration gegen Flüchtlinge wurde in Breslau kürzlich öffentlich eine „Juden-Puppe“ verbrannt. Die Regierung schwieg zu diesen Vorfällen.

Die machthabende PiS-Partei schürt schließlich selbst die Ressentiments. So warnte ihr Chef Jarosław Kaczinsky vor Krankheiten, die Muslime nach Europa bringen. Außerdem versprach er, keine „Scharia-Bezirke“ in Polen zuzulassen. Es war der neue Außenminister, der mit seiner Idee einer syrischen Flüchtlingsarmee ganz Europa irritierte. Und am Tag nach den Paris-Anschlägen verlangte Polens Europaminister, keine weiteren Menschen mehr aufnehmen zu müssen. Die Regierung plant bereits, die Zusage zur EU-Quotenregelung anzufechten.

„Ich bin froh, dass die PiS-Partei an der Macht ist“, sagt Shaded. In den kommenden Wochen wird sie den polnischen Außenminister treffen, um über Visa-Regelungen für neue Flüchtlinge ihrer Stiftung zu sprechen. 6000 Euro investiert sie in jeden Flüchtling, der erfolgreich auf Christlichkeit geprüft wurde. Die bekannteste Islamhasserin des Landes ist auch die berühmteste Fluchthelferin.

Mittlerweile wird Shaded auf der Straße erkannt. Menschen wollen Selfies mit der berühmten Islamhasserin. „Viele danken mir dafür, dass ich sage, was alle denken“, sagt sie. Mit Muslimen hingegen hat die junge Frau seit Jahren nicht gesprochen. Dazu gäbe es keinen Grund. „Muslime lügen, das lehrt sie der Koran.“ Das ist eine ihrer beiden Standard-Antworten auf Gegenbeispiele. Die andere lautet: „Falls sich ein Muslim anders verhält, ist er kein richtiger Muslim.“

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