Tories und Labour Geheimverhandlungen hinter Mays Rücken

Laut Medienberichten haben britische Regierungsmitglieder hinter dem Rücken von Premierministerin May mit der oppositionellen Labour-Partei über einen sogenannten "weichen Brexit" verhandelt.

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"Schallende Ohrfeige" für Theresa May
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In Großbritannien sollen ranghohe Minister der Tory-Regierung mit Vertretern der Labour-Partei über einen so genannten "weichen Brexit" geheim verhandelt haben. Das melden britische Medien, wie der Evening Standard. Die Premierministerin Theresa May gilt als Befürworterin eines "harten Brexits", was einen Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und einer weitgehenden Beschränkung der Zuwanderung aus der EU bedeuten würden. Diese Haltung war zunehmend auf Wiederstand in der britischen Politik gestoßen und war eines der zentralen Wahlkampfthemen bei den Parlamentswahlen vergangenen Donnerstag. Das sei nicht mehr länger eine Angelegenheit für die Regierung, sondern das Parlament würde jetzt seine Rolle behaupten wollen, wird ein Regierungsmitglied zitiert. Mit den Geheimgesprächen soll May den Medienberichten zufolge nun zu Zugeständnissen gebracht werden.

May hatte am Montag bekannt geben lassen, dass sie ihren Brexit-Kurs nicht aufweichen wolle. "Unsere Position wurde klar dargelegt", sagte ihr Sprecher. "Und an ihr hat sich nichts geändert." May sagte vor Abgeordneten ihrer konservativen Partei nach deren Angaben, sie bleibe so lange Regierungschefin wie die Parlamentarier dies wollten. Für Verunsicherung sorgte, dass wegen der Krise die eigentlich für den 19. Juni geplante Regierungserklärung - die sogenannte Queen's Speech - der BBC zufolge um mehrere Tage verschoben wird.

May will die Brexit-Verhandlungen mit der EU ebenfalls in der kommenden Woche starten. Ziel sei es, ein gutes Abkommen zu erreichen. "Wir wollen den bestmöglichen Deal", sagte ihr Sprecher. May werde nichts zustimmen, was Großbritannien schade. Auch am geplanten Zeitrahmen von zwei Jahren wolle sie festhalten. Einem konservativen Abgeordneten zufolge kündigte May in einer Sitzung der Tories an, nicht nur in ihrer Partei, sondern auch im Parlament und im ganzen Land für einen Konsens zu werben.

Nach der Wahl in der vergangenen Woche berief May die meisten Minister ihres Kabinetts erneut und holte zudem Michael Gove als Landwirtschaftsminister zurück, mit dem sie sich überworfen hatte. In dieser Woche sollen die Gespräche über ein Bündnis mit der nordirischen DUP fortgeführt werden, deren Unterstützung sie für eine Mehrheit im Parlament benötigt. Die Tories hatten bei der Wahl am Donnerstag die absolute Mehrheit verloren, was auch Zweifel am Brexit-Zeitplan weckte. May hatte die Wahl vorzeitig angesetzt, um ihre Position in den Verhandlungen zu stärken und mit einer breiten Mehrheit im Parlament mehr Spielraum zu haben. Damit scheiterte sie.

Nun bemüht sich May auch um Ruhe in ihrer eigenen Partei. Laut Tory-Abgeordneten erklärte sie den Parlamentariern: "Ich bin für diesen Schlamassel verantwortlich, und ich werde uns da auch wieder herausbringen." Offenkundig zerknirscht entschuldigte sie sich mehrfach für den Wahlpoker, der einigen Abgeordneten den Sitz im Unterhaus kostet.

Die nordirische Democratic Unionist Party (DUP) hat signalisiert, dass sie May unterstützen würde. Allerdings könnte dies den Spielraum der Premierministerin in den Verhandlungen zum EU-Austritt weiter einengen, da die künftige Rolle Nordirlands ein wichtiges Thema sein werde, wie die DUP-Vorsitzende Arlene Foster im "Belfast Telegraph" deutlich machte. In Nordirland würde Großbritannien dann seine einzige Landgrenze zur EU haben. Die gestärkte Rolle der protestantischen Partei könnte zudem die Verhandlungen mit der katholischen Sinn-Fein-Bewegung erschweren, mit denen die Regionalregierung in Nordirland geformt werden soll.

Auch in Schottland wächst der Druck: Der Landesteil hatte in der Brexit-Abstimmung für einen Verbleib des Königreichs in der EU gestimmt. Mitglieder von Mays konservativer Partei in Schottland drängen die Premierministerin nach Insider-Informationen nun dazu, sich bei den Verhandlungen mit der EU auf Wirtschaftswachstum zu konzentrieren und die Einwanderungspolitik weniger in den Mittelpunkt zu stellen. So werde ein "offener Brexit" favorisiert, der dem Land weiter Zugang zum EU-Binnenmarkt ermögliche, verlautete aus Parteikreisen. Die Konservativen haben 13 der 59 schottischen Sitze, das insgesamt 650 Abgeordnete umfasst. Die schottische Nationalpartei verfügt über 35 Sitze.

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