Konjunktur in der Eurozone Südländer schütteln Rezessionssorgen ab

Italiens Wirtschaft wächst wider Erwarten. Quelle: imago images

Überraschend positive Zahlen meldet Eurostat vor allem aus Italien. Die allgemein befürchtete Rezession ist zu Jahresanfang ausgeblieben. Die Eurozone wächst trotz Brexit-Sorgen.

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Die Statistikbehörden in Deutschland und Europa vermitteln in diesen Tagen ein seltsames Bild. Hatte man sich nicht gerade daran gewöhnt, dass monatelang jede Konjunkturprognose deutlich nach unten korrigiert wird? Und nun meldet das EU-Statistikamt Eurostat allen Nachrichten über Brexit-Unsicherheiten zum Trotz, dass die Wirtschaft der Euro-Zone zu Jahresanfang ihr Wachstum überraschend verdoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte zwischen Januar und März um 0,4 Prozent zum Vorquartal zu, wie Eurostat am Dienstag in einer ersten Schätzung mitteilte.

Ökonomen hatten, so heißt es bei der Nachrichtenagentur Reuters nur mit plus 0,3 Prozent gerechnet, nach einem Anstieg von 0,2 Prozent im Herbst. Viele Fachleute, so Reuters, sähen nun eine deutlich geringere Gefahr, dass der Euro-Raum in eine Rezession rutschten könnte.

Überraschen positiv waren vor allem die Zahlen der vermeintlichen EU-Sorgenkinder Spanien und Italien. Zwischen den Alpen und Sizilien zog die Konjunktur um 0,2 Prozent an und damit einen Tick stärker als erwartet. In beiden Vorquartalen hatte es jeweils einen Rückgang um 0,1 Prozent gegeben. Zwei Minus-Quartale in Folge bezeichnen Ökonomen als „technische Rezession“. Während die nach Deutschland zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft Frankreich mit 0,3 Prozent ihr Wachstumstempo hielt, ging es in Spanien mit 0,7 Prozent bergauf. Damit zog die Konjunktur auf der iberischen Halbinsel so stark an wie seit Ende 2017 nicht mehr. In Österreich gab es ein Plus von 0,3 Prozent. Daten für Deutschland werden erst am 15. Mai vorgelegt. Hier erwartet NordLB-Chefökonom Christian Lips ein BIP-Wachstum von rund einem halben Prozent. „Die Kakophonie aus Rezessions- und Untergangsszenarien sollte also wieder etwas leiser werden.“

In Frankreich, Spanien und Österreich sorgten vor allem die Verbraucher und die Inlandsnachfrage für Schwung. Vom Export kamen wenig Impulse. In Frankreich bremste der Außenhandel sogar, da die Einfuhren stärker zulegten als die Ausfuhren. Der Handelsstreit und das Hin- und Her um den EU-Austritt Großbritanniens sorgen für Unsicherheit bei vielen Unternehmen. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte jüngst ihre Wachstumsprognose für die Wirtschaft in der Euro-Zone 2019 auf 1,1 von 1,7 Prozent. „Das Wachstum mag besser ausgefallen sein als zeitweise befürchtet, aber die Belebung ist trügerisch“, sagte KfW-Expertin Schoenwald zu den Daten zum ersten Quartal. „Die Euro-Zone ist aber noch nicht über den Berg“, so Schoenwald. „Insbesondere der exportorientierten Industrie setzen die handelspolitischen Spannungen, der ungeklärte Brexit und die globale Konjunkturabkühlung zu.“ Bei Umfragen unter Firmen zeichne sich noch keine Trendwende ab, so Schoenwald. „Zudem bestehen ernste Konjunkturrisiken, da US-Zölle für den Autosektor drohen“, ergänzte Alexander Krüger, Chefökonom beim Bankhaus Lampe.
Trotz der 2019 erwarteten Konjunkturabkühlung läuft es auch am Arbeitsmarkt in der Währungsunion noch gut. Im März fiel die Arbeitslosenquote auf den tiefsten Stand seit September 2008. Der um jahreszeitliche Schwankungen bereinigte Wert lag bei 7,7 Prozent. Demnach waren 12,6 Millionen registrierte Menschen im Euro-Raum auf Jobsuche - dies waren 174.000 weniger als im Vormonat und 1,17 Millionen weniger als vor einem Jahr.
Auch in Deutschland haben die trüberen Konjunkturaussichten – die Bundesregierung rechnet nur noch mit 0,5 Prozent Wachstum in diesem Jahr –sich noch nicht negativ auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Die Arbeitslosenzahl sank, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg mitteilte, auf 2,23 Millionen und damit auf den geringsten April-Wert seit der Wiedervereinigung 1990. „Die deutsche Wirtschaft verliert etwas an Schwung“, sagte BA-Chef Detlef Scheele. „Der Arbeitsmarkt zeigt sich gegenüber diesen konjunkturellen Schwächephasen jedoch robust.“

Negativ – zumindest für Verbraucher in Deutschland – allerdings die Nachrichten aus dem Statistischen Bundesamt: Die deutschen Verbraucherpreise sind im April deutlicher als erwartet gestiegen. Die Inflationsrate kletterte laut erster Schätzung im April auf 2,0 Prozent von 1,3 Prozent im März. Das ist der höchste Stand seit rund einem halben Jahr. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg auf 1,6 Prozent gerechnet. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt für die Euro-Zone mittelfristig einen Wert von knapp zwei Prozent an, den sie als ideal für die Konjunktur ansieht.
Als Preistreiber stellte sich einmal mehr Energie heraus, die 4,6 Prozent mehr kostete als im April 2018. Ein anderer Inflationstreiber ist eher kalendarischer Natur: Pauschalreisen verteuerten sich im Jahresvergleich spürbar, weil die Osterferien diesmal - anders als im vergangenen Jahr - komplett im April lagen. Gedämpft wurde die Inflation von den Preisen für Nahrungsmittel, die nur 0,8 Prozent mehr kosteten als ein Jahr zuvor.

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