Die Inflation in der Eurozone hat im Mai stärker nachgegeben als erwartet. Die Jahresrate fiel von 7,0 Prozent im Vormonat auf 6,1 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in Luxemburg nach einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten mit einer Rate von 6,3 Prozent gerechnet. Im April war die Rate noch leicht gestiegen. Im vergangenen Jahr war die Inflation als Folge des Ukraine-Kriegs zeitweise zweistellig gewesen. Im Vergleich zum Vormonat stagnierte das Preisniveau.
Auch die Kerninflation ging zurück. Sie fiel von 5,6 Prozent im Vormonat auf 5,3 Prozent. Die Kernteuerung klammert schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel aus und gibt damit einen Eindruck über den grundlegenden Inflationstrend.
Etwas weniger Preisauftrieb ging im Mai von Lebens- und Genussmitteln aus, wenngleich der Anstieg mit 12,5 Prozent immer noch hoch ist. Auch industriell gefertigte Waren und Dienstleistungen verteuerten sich nicht mehr so stark wie im April. Die Energiepreise fielen sogar um 1,7 Prozent zum Vorjahresmonat.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Lagarde: EZB muss Zinserhöhungen fortsetzen
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Entschlossenheit der Euro-Währungshüter zu weiteren Zinserhöhungen im Kampf gegen die nach wie vor hohe Teuerung betont. „Heute ist die Inflation zu hoch und dürfte es noch zu lange bleiben“, sagte Lagarde am Donnerstag beim Deutschen Sparkassentag in Hannover. „Wir sind entschlossen, sie zeitnah auf unser mittelfristiges Ziel von zwei Prozent zurückzuführen.“ Lagarde betonte: „Sie sollten daran keinen Zweifel haben.“
Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen hat die EZB angesichts der hartnäckig hohen Teuerung die Zinsen in einer beispiellosen Serie seit Juli 2022 sieben Mal in Folge angehoben. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, liegt mittlerweile bei 3,75 Prozent. Parken Banken Geld bei der EZB, erhalten sie dafür inzwischen 3,25 Prozent Zinsen.
Lagarde bekräftigte, aus Sicht der EZB bleibe „noch einiges zu tun (...), um die Zinssätze auf ein ausreichend restriktives Niveau zu bringen“: „Wir wissen, dass – trotz unserer starken und raschen Zinserhöhungen – noch eine erhebliche Straffung der Geldpolitik ansteht.“
Die EZB müsse ihren „Erhöhungszyklus fortsetzen, bis wir genug Zuversicht haben, dass sich die Inflation auf einem guten Weg befindet, zeitnah auf unseren Zielwert zurückzukehren“, sagte Lagarde. Die nächste Zinsentscheidung des EZB-Rates steht am 15. Juni an.