Coase schlägt denn auch einen anderen Weg vor. Fischer und Fabrikant sollten selbst und ohne staatlichen Einfluss über den Preis der Abwässer entscheiden und einen Vertrag darüber schließen, wer das Nutzungsrecht für den Fluss erhält. Verhandlungen zwischen Fischer und Fabrikbesitzer würden dazu führen, dass entweder der Fischer vom Unternehmen für den ausbleibenden Fang entschädigt wird – oder aber das Unternehmen vom Fischer eine Prämie erhält, damit es die Verschmutzung des Wassers eindämmt.
Im Optimum entspricht der Preis der Verschmutzung genau deren Grenznutzen beziehungsweise -schaden. Für den Fabrikanten wäre es dann nicht mehr wirtschaftlich, mehr Dreck in den Fluss zu leiten, da eine weitere Einheit Abwasser weniger „wert“ wäre als deren Preis. Das Coase-Theorem verbindet die externen Effekte also mit dem Preismechanismus – Angebot und Nachfrage führen zu einem effizienten Ergebnis zu niedrigsten Kosten.
Ähnlich ist es beim EU-Zertifikatehandel: Die Erdatmosphäre steht für den Fluss in der Coase-Geschichte, die Schäden sind die steigende Menge Kohlenstoffdioxid und der Klimawandel. Unternehmen kaufen Verschmutzungsrechte und halten für jede Tonne CO₂, die sie in die Atmosphäre pusten, ein Zertifikat vor. In der Theorie soll der Ausstoß so auf eine klimafreundlichere Menge zurückgehen. Das Problem in der Realität: Weil zu viele Zertifikate zirkulieren, sind sie extrem billig: Emittieren ist günstiger, als CO₂ zu vermeiden.
Umweltschäden sind in der Gedankenwelt des Coase-Theorems nicht per se schlecht, sondern haben durchaus einen wirtschaftlichen Nutzen – den Output der Fabriken und den damit zusammenhängenden Wohlstand. Aus Umweltgründen geschlossene Fabriken kosten Umsatz und Arbeitsplätze – und die Technologie, die nötig ist, um CO₂ zu vermeiden, ist für das Unternehmen mit hohen Kosten verbunden.
Derartige Kosten-Nutzen-Rechnungen hatte vor Coase niemand so klar formuliert. Und sein Theorem geht über die Wirtschaftswissenschaften hinaus. In die Rechtswissenschaft etwa hat es das Forschungsfeld „Law and Economics“ mitgeprägt. Die provokante These: Es ist nicht optimal, alle Verbrecher zu schnappen, weil dies für den Steuerzahler viel zu teuer sei. Der Aufwand wäre größer als der Nutzen für die Gesellschaft. In der Versicherungsökonomik erklären die Ideen von Coase unter anderem, wieso eine verpflichtende Krankenversicherung gesellschaftlich sinnvoll ist: Wer sich unversichert behandeln lässt, zieht Nutzen aus den Beiträgen der Versicherten, ohne dafür im Zweifel zu zahlen.