Serie Geistesblitze (II) Das Coase-Theorem - die guten Seiten der Umweltschäden

Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Ronald Coase ist tot. Er starb am Montag im Alter von 102 Jahren. Zeit, einen Blick auf das berühmte Coase-Theorem zu werfen. Es beschreibt, wie sich Verursacher und Betroffene von externen Effekten einigen können, wenn der Marktmechanismus versagt. Coase legte damit den Grundstein für die Umweltökonomie.

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Ronald Harry Coase Quelle: GNU

Muss man sich ein Forscherleben lang mit komplizierten Formeln, Zahlenkolonnen und abstrakten Berechnungen herumschlagen, um den Ökonomie-Nobelpreis zu bekommen? Ronald Harry Coase wurde 102 Jahre alt und war das lebende Gegenbeispiel. Er mochte die Mathematik nicht übermäßig. Dem gebürtigen Briten, der zuletzt in den USA lebte, reichte eine zündende Idee, um (im Jahr 1991) die höchste wissenschaftliche Ehrung zu erhalten.

Sein Coase-Theorem zählt heute nicht nur zu den zentralen Lehrsätzen der Mikroökonomie. Es ist zudem „eines der wenigen ökonomischen Theoreme, die sich in die Realität übersetzen lassen – und auch in die Realität übersetzt wurden“, sagt Martin Leschke, Professor für Institutionenökonomik an der Universität Bayreuth. Die Ideen von Coase sind ein wichtiger Baustein der Umweltökonomie und wissenschaftliche Grundlage des Emissionshandels in der Europäischen Union, also des Handels mit CO₂-Verschmutzungsrechten für Unternehmen. Mit dem Coase-Theorem lassen sich moderne Versicherungssysteme erklären, zudem schlägt es eine Brücke von der Ökonomie zu den Rechtswissenschaften. Für den Bielefelder Wirtschaftshistoriker Jan-Otmar Hesse zählt Coase daher zu „den größten Ökonomen des vergangenen Jahrhunderts“.

1910 in Willesden bei London geboren, war Coase der Erste seiner Familie, der eine Universität besuchte. An der renommierten London School of Economics studierte er Wirtschaftswissenschaften und erhielt wenig später eine Professur in den USA. In den folgenden Jahren arbeitete und forschte er an den Universitäten Buffalo, Virginia und Chicago. In den USA schrieb er 1960 das Essay „The Problem of Social Cost“, das zusammen mit seiner Arbeit „The nature of the firm“ (über die Entstehungsgründe von Unternehmen) seinen Ruhm begründete.

Was besagt das Coase-Theorem genau? Sagen wir es im Ökonomenjargon: Externe Effekte, also Folgen einer Aktivität, die andere tragen müssen, lassen sich unter bestimmten Umständen ohne staatliche Eingriffe „internalisieren“. Im Kern steht die Idee, dass Märkte beim Auftreten negativer externer Effekte selbstständig eine optimale Ressourcenallokation finden können. Coase illustrierte dies gern mit einer Geschichte. Ein Unternehmen leitet Abwässer in einen Fluss, den auch eine Fischerei nutzt. Sie leidet unter der Verschmutzung der Fabrik, weil dadurch der Fang zurückgeht. Das zentrale Problem: Beide nutzen den Fluss, obwohl er ihnen nicht gehört. Doch keiner bezahlt dafür.

Ökonomen sprechen in einem solchen Fall von externen Effekten. Der klassische Marktmechanismus versagt, das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage führt nicht zu einem „pareto-optimalen“ Ergebnis, wie es die Ökonomen nennen. Die entscheidende Frage ist nun: Wie hoch ist der Nutzen und Schaden der Beteiligten und wie könnte man ihn „internalisieren“, also verrechnen? „Wir müssen uns entscheiden: Ist der ausbleibende Fang mehr oder weniger wert als die Produkte, die die Fabrik mit der kritischen Menge Schadstoffe produziert“, schreibt Coase.

Der Ökonom Arthur-Cecil Pigou schlug für einen solchen Fall vor, dass Unternehmen eine Steuer für ihre Verschmutzung zahlen sollten – ähnlich funktioniert in Deutschland die Ökosteuer. Weil aber niemand weiß, wie viel Schäden eine Einheit „Verschmutzung“ nun genau verursacht, ist die Höhe der Steuer eine rein politische Entscheidung und erfüllt am Ende allenfalls einen fiskalischen Zweck – nämlich die Staatskasse zu füllen.

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