Vermögensteuer „Ein Signal, nicht in Deutschland zu investieren“

Clemens Fuest ist Chef des ifo-Instituts. Quelle: dpa

Die Idee der Vermögensteuer erlebt eine Renaissance. SPD, Linkspartei und Grüne fordern sie ebenso wie Ökonomen der OECD. Doch die Erfahrungen anderer Staaten lassen massive wirtschaftliche Kollateralschäden erwarten, warnt ifo-Präsident Clemens Fuest.

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Clemens Fuest ist seit 2016 Präsident des ifo Instituts und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

WirtschaftsWoche: Herr Fuest, welche volkswirtschaftlichen und fiskalischen Folgen hätte die Wiedereinführung der Vermögensteuer in Deutschland?
Clemens Fuest: Dieser Schritt wäre ein deutliches Signal an Investoren im In- und Ausland, nicht in Deutschland zu investieren. In fast allen Ländern sind Nettovermögensteuern in den vergangenen Jahrzehnten abgeschafft worden - oder die existierten nie. Den Mehreinnahmen aus der Vermögensteuer stünden Verluste aus dem Rückgang anderer Steuereinnahmen gegenüber. Es würde ein Umverteilungseffekt erreicht, aber zu einem sehr hohen Preis. Wie diese Wirkungen genau ausfallen, würde von der Gestaltung und Höhe der Vermögensteuer abhängen. Hinzu kommt: Bei der Steuerermittlung ist die Bewertung von Immobilien und Betriebsvermögen schwierig, weil in der Regel keine Marktpreise existieren.

Könnte die aktuell steigende Inflation die Debatte zusätzlich anheizen - weil Aktien- und Immobilienbesitzer relativ gesehen weniger unter steigenden Preisen leiden?
Das ist nicht sicher. Klar: Eine Flucht in Sachwerte würde die Vermögensunterschiede verschärfen. Aber es gibt auch gegenläufige Effekte. Wenn steigende Inflation zu steigenden Zinsen führt, könnten Preise für Immobilien und Aktien deutlich sinken. Das würde die Debatte eher entschärfen.

Die Debatte um die Vermögensteuer wird in Deutschland sehr emotional geführt. Wie ist denn die empirische Evidenz? Was sagen wissenschaftliche Studien?
Es gibt eine Reihe von Studien vor allem dazu, wie sich die Abschaffung von Vermögensteuern ausgewirkt hat. Eine Studie über eine Reform der Vermögensbesteuerung in Dänemark 1989 und ihre Abschaffung 1997 kommt zu dem Ergebnis, dass die um einen Prozentpunkt abgesenkte Steuer das steuerpflichtige Vermögen acht Jahre später um 21 Prozent erhöhte. Eine andere Arbeit hat die überraschende Wiedereinführung der Vermögensteuer in der spanischen Region Extremadura im Jahr 2011 untersucht - pro Prozentpunkt Erhöhung sank das ausgewiesene Vermögen um 32 Prozent innerhalb von vier Jahren. Andere Studien, etwa für Schweden, kommen zu deutlich kleineren Effekten. Real existierende Vermögensteuern bieten oft erhebliche Umgehungsmöglichkeiten.

Was meinen Sie damit?
Man kann zum Beispiel seinen Wohnsitz innerhalb eines Landes verlegen oder auf begünstigte Vermögensformen ausweichen. Je mehr Lücken eine Vermögensteuer aufweist, desto geringer die realwirtschaftlichen Effekte. Aber Lücken bedeuten eben auch ein geringeres Steueraufkommen und eine ungleiche Belastungswirkung. Ein ifo-Simulationsmodell hat die hypothetische Einführung einer Vermögensteuer ohne Lücken analysiert. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die negativen Wachstumseffekte mittelfristig dazu führen würden, dass das Steueraufkommen geringer ist als ohne Vermögensteuer - weil die Einnahmen aus anderen Steuerquellen sinken.



Simulationsmodelle sind das eine. Welche Erfahrungen haben unsere Nachbarstaaten mit Vermögensteuern in der Praxis gemacht?
Frankreich und die skandinavischen Länder haben Nettovermögensteuern sämtlich abgeschafft. Sie litten unter der Abwanderung von Investoren, gleichzeitig gab es viel Streit um die Bewertung und viele Ausnahmen, die zu einer unfairen Steuerlastverteilung führten. Derartige Probleme würden auch in Deutschland auftreten. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht ja die bis 1997 erhobene Vermögensteuer aus ähnlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt.

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Gibt eine ökonomisch mildere Form von „mehr Gerechtigkeit“ im Steuersystem und eine weniger problematische Alternative zur Vermögensteuer?
Man sollte die Einkommensteuer so gestalten, dass Einkommen möglichst umfassend besteuert werden und keine Lücken entstehen. Bei der Erbschaftsteuer sollte man ebenfalls eine gleichmäßigere Besteuerung erreichen, dort gibt es problematische Ausnahmen für selbst genutzte Immobilien und Betriebsvermögen. Gleichzeitig sollte man dort allerdings die Steuersätze auf maximal zehn Prozent senken. Letztlich müssen wir sehen, dass in einer offenen Volkswirtschaft wie Deutschland, in der wohlhabende oder gut verdienende Menschen leicht ins Ausland abwandern können, die Umverteilungsspielräume begrenzt sind. Wer Vermögen stärker besteuern will, verursacht den geringsten wirtschaftliche Schaden, wenn er sich auf Grundvermögen beschränkt. Das kann nicht weglaufen. In Frankreich etwa gibt es eine Nettovermögensteuer auf Immobilien. Allerdings stellt sich die Frage, ob die damit verbundene Ungleichbehandlung verschiedener Vermögensarten in Deutschland mit unserer Verfassung vereinbar wäre.

Mehr zum Thema: Viele Politiker und Wissenschaftler fordern, die in der Krise angehäuften Schuldenberge durch eine Vermögensteuer für Superreiche abzutragen. Der Fiskus kann dabei am Ende mehr verlieren als gewinnen.

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