A380-Beinaheabsturz Triebwerke an den Grenzen des technisch Machbaren

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Um im Spiel zu bleiben, gehen die Unternehmen nicht nur technisch, sondern auch finanziell an die Grenzen. „Sie verwetten praktisch mit jedem neuen Turbinentyp die Zukunft der Firma“, sagt Grossbongardt.

Dass dies keine theoretische Gefahr ist, wissen die Briten genau. Ende der Sechzigerjahre bekam Rolls-Royce eine neue Turbinenarchitektur nicht in den Griff: Die Triebwerke konnten nicht ausgeliefert werden und rissen das Unternehmen in die roten Zahlen. Um es zu retten, wurde der Triebwerkshersteller verstaatlicht.

Seitdem hat sich viel getan. Rolls-Royce hat seit den Achtzigerjahren ein neues Geschäftsmodell entwickelt: Die Briten bieten bis zu 80 Prozent Rabatt auf die Triebwerke und verdienen ihr Geld mit Wartung. Damit erweitert der Turbinenhersteller ein von Rasierermarken erdachtes Modell auf die Luftfahrtbranche: Das Prinzip billige Rasierer und teure Klingen wird zu billige Turbinen und teure Wartung.

Lückenlos überwacht

Die auf gut 20 Jahre angelegten Programme sorgen nicht nur für höhere und planbarere Einnahmen. Das System gibt den Herstellern auch tiefe Einblicke in die Funktionsweise ihrer Triebwerke. Denn mit dem Wartungsvertrag beginnt eine lückenlose Überwachung: Die Kraftpakete an den Flügeln liefern den Betriebszentren des Turbinenherstellers in Echtzeit alle wichtigen Leistungsdaten – egal, wo die Jets gerade weltweit unterwegs sind.

Am Rande der mittelenglischen Stadt Derby fließt das Wissen zusammen. Mit seinen Wänden aus Monitoren voller Flugzeugdaten und Fernsehern mit Nachrichtensendern gleicht der Raum einer Wertpapierbörse, nur dass die Techniker statt der Kurse Parameter wie Schub oder die Stellung der Triebwerksschaufeln beobachten und prüfen, ob die Turbine etwa nach einem Blitzschlag gleichmäßig läuft.

Die Fachleute erkennen neben Sicherheitsproblemen auch, wann ein Motor altert und für die gleiche Leistung mehr Kerosin in den Brennraum eingespritzt werden muss. In dem Fall informieren die Rolls-Royce-Ingenieure die Fluglinien, die dann bei der nächsten Wartung etwa die Turbinenschaufeln erneuern.

Bei Explosionen wie beim Qantas-Unfall helfen die Zentren nicht. „Das geht so schnell, dass wir den Piloten nicht warnen können“, sagt ein Fluglinienmitarbeiter.

Fliegen, da sind die Experten einig, ist dennoch nicht gefährlicher. „Haben eine Fluglinie oder ein Hersteller einen Unfall, weil sie an der Sicherheit gespart haben“, sagt Experte Grossbongardt, „sind sie schnell weg vom Fenster.“ Das wissen alle.

Statt Sicherheitsprobleme wird der scheinbar unüberwindbare Gegensatz aus Kostendruck und Spritsparzwang dazu führen, dass Flugpreise nicht mehr sinken. Mittelfristig, glauben Experten, werde Fliegen nicht unsicherer, aber teurer.

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