Digitalisierte Literatur "Es wäre schlau, E-Books billiger anzubieten"

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Weg von Amazon

: Eine Lesebrille liegt auf einem Buch Quelle: dapd

ZEIT: Wenn Sie die Macht hätten, im Internetzeitalter Standards zu setzen für den Buchmarkt – was würden Sie tun?

Zeh: Ich wünsche mir, dass der Kunde nicht immer zu Amazon geht, sondern direkt auf die Homepage vom Verlag.

Schöffling: Kann er doch!

Zeh: Aber er macht es nicht. Warum? Es fehlt uns etwas wie eine Plattform, auf der mehrere Verlage stehen.

Schöffling: Gibt es schon.

Zeh: Aber nicht wahrnehmbar für den Kunden!

Schöffling: Der Kunde will Amazon, weil das unglaublich bequem ist. Es gibt zwar kleine innovative Verlage und sogar eine Plattform, Tubuk, wo man auch alles direkt und schnell kriegt. Aber deren Umsätze sind verschwindend gering. Einer muss halt der Marktführer sein.

Zeh: Emanzipieren, nicht resignieren.

ZEIT: Herr Schöffling, die Erfolgsromane Fifty Shades of Grey des Autors E. L. James und Daemon von Daniel Suarez zum Beispiel existierten erst mal nur im Netz, aber wurden dort populär. Die Autoren haben es ohne Verleger geschafft, an den traditionellen Qualitätshütern der Literatur vorbei, und sie vermochten es, weil es das Internet gibt: wo jeder Autor sein kann und jeder Verleger. Finden auch Sie Autoren im Netz?

Schöffling: Ich persönlich habe noch nichts gefunden. Die guten Texte werden durch das Netz nicht mehr.

Zeh: Die schlechten aber auch nicht. Nur unser Wahrnehmungsfenster wird größer. Das Internet ist eine riesige Sichtbarmachungsmaschine. Und das erzeugt unter anderem den Eindruck, alles würde schlechter: die Texte, die Sprache, die Umgangsformen. Ich glaube aber nicht, dass die Menschen früher besser waren.

ZEIT: Hat einer von Ihnen schon einmal einen Shitstorm erlebt?

Schöffling: Nein, ich noch nicht.

Zeh: Nicht im Internet.

ZEIT: Sondern?

Zeh: Sag ich nicht!

ZEIT: Frau Zeh, warum haben Sie eigentlich noch keinen Netzroman geschrieben?

Zeh: Was ist denn ein Netzroman?

ZEIT: Zum Beispiel eine negative Utopie – wie eine Facebook-Überwachungsgesellschaft.

Zeh: Ich habe noch keinen Roman geschrieben über das Netz, weil ich es als Thema nicht substanziell genug finde. Ich schreibe ja auch keinen Roman über einen Schraubenzieher, sondern über Menschen, die den Schraubenzieher benutzen. Im Netz zu schreiben würde mich allerdings reizen. Aber ich bin beim Schreiben ungeheuer eigenbrötlerisch.

ZEIT: Was heißt das?

Zeh: Ich brauche ewig, bis ich Texte auch nur meinem Mann zeige. Wenn er findet, es geht so einigermaßen, dann zeige ich sie meinem Verleger. Und wenn der Verleger auch sagt, es geht so einigermaßen, dann zeige ich es dem Lektor. So setzt sich das mühsamst von Person zu Person fort. Die Vorstellung, einen Satz gleich ins Netz zu schreiben, also mit einem Knall an unendlich viele Menschen zu adressieren, finde ich zugleich erschreckend und befreiend. Im Grunde ist mir Schreiben peinlich.

ZEIT: Hätten Sie gern mal die Internetavantgarde verlegt, Herr Schöffling, so experimentelle Neue-Medien-Theorie-Texte, wie sie im Prenzlauer Berg früher erschienen?

Schöffling: Um Himmels willen! Diese Dunckerstraßen-im-Internet-Herumtapperei war grauenhaft. Das hätte ich nie verlegt.

ZEIT: Was lesen Sie selber denn digital?

Schöffling: Ich habe wie viele Verlegerkollegen ein Lesegerät, aber darauf sind nur Manuskripte. Es kann sein, dass ich old fashioned bin. Aber das Loslassen vom Buch hin zum Kindle ist schwierig.

ZEIT: Warum?

Schöffling: Weil ich den Kulturballast, vom Papiergeruch bis zur Erotik des Umblätterns, schätze.

ZEIT: Was ist nun das Schönste am Internet?

Schöffling: Die Schnelligkeit. Darin liegt eine große Verführung.

ZEIT: Nicht Wikipedia?

Schöffling: Da steht mir zu viel Unsinn. Ich bin, halten zu Gnaden, ein Sammler alter Lexika.

ZEIT: Und was ist das Schlimmste?

Zeh: Wenn man keine Internetverbindung hat.

ZEIT: Herr Schöffling, Sie haben heute zum ersten Mal geskypt. Wie fanden Sie es?

Schöffling: War doch toll, dass bei mir das Bild funktionierte und bei Juli nicht! Aber jetzt gehe ich erst mal meine Katze füttern.

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