Digitalisierte Literatur "Es wäre schlau, E-Books billiger anzubieten"

Die Erfolgsautorin Juli Zeh streitet per Videokonferenz mit ihrem Verleger Klaus Schöffling über den richtigen Preis für digitalisierte Literatur und die Marktmacht von Amazon. Über die Urheberrechtsdebatte können sie dagegen lachen.

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Schriftstellerin Juli Zeh auf der Internationalen Buchmesse in Frankfurt am Main Quelle: dpa

Juli Zeh: Seht ihr mich?

DIE ZEIT: Nein, wir sehen Sie noch nicht. Herr Schöffling, sind Sie auch da?

Klaus Schöffling: Jahaa!

ZEIT: Jetzt haben wir Sie auf dem Bildschirm, Herr Schöffling, aber Juli Zeh nicht.

Schöffling: Ich sehe mich auch.

Zeh: Ich sehe gar nichts! Klaus, wo hast du denn gedrückt?

Schöffling: Keine Ahnung.

Zeh: Wir kriegen die Videokonferenz nicht hin!

ZEIT: Dann sehen wir eben nur den Verleger. Frau Zeh, Sie sind schuld, Sie wollten dieses Internetgespräch unbedingt über den Internettelefondienst Skype führen. Warum eigentlich?

Zeh: Weil ich 21. Jahrhundert bin. Außerdem gehe ich nicht gern aus dem Haus (lacht).

ZEIT: Herr Schöffling, erinnern Sie sich noch an Ihren Einstieg ins Netz?

Schöffling: Am Anfang war mein Horror, dass ich irgendwo draufklicke und es gleich ganz viel Geld kostet. Der verlegerische Einstieg kam dann ganz klar durch Juli Zeh. Weil ihr erster Roman Adler und Engel weltweit so erfolgreich war, musste der entsprechende Netzauftritt her. So begann bei Schöffling & Co. die Neuzeit.

ZEIT: Sprechen Sie beide manchmal darüber, wie das Internet die Literatur verändert?

Zeh: Wir haben immer wieder darüber gestritten, ob wir vor dem E-Book Angst haben müssen oder ob es eine Chance ist.

Schöffling: Beim E-Book sind wir uns einig in dem Punkt: Wir wären schön blöd, wenn wir uns der Sache verweigern würden.

Zeh: Aber ich glaube im Gegensatz zu meinem Verleger, dass man durch überhöhte Preise die Verbraucher zum Klauen erzieht. Sie sind nicht bereit, für ein E-Book mehr als 20 Euro auszugeben, also machen sie Raubkopien. Die kriminelle Energie entsteht erst durch das Gefühl, abgezockt zu werden, und deshalb wäre es schlau, E-Books billiger anzubieten.

ZEIT: Herr Schöffling, wissen Sie, welche Ihrer Autoren raubkopiert werden?

Schöffling: Wir haben Praktikanten, die ab und zu nach Raubkopien suchen. Was sie finden, melden wir dem Börsenverein mit seiner wunderbaren Rechtsabteilung, und die hat schon oft erreicht, dass innerhalb weniger Minuten die illegalen Downloads von den Plattformen verschwinden. Aber wir suchen nicht nach einzelnen Leuten, die etwas herunterladen. Die Plattformen sind der Feind.

ZEIT: Wer klaut da eigentlich was?

Schöffling: Es stehen ganze Romane auf irgendwelchen rapid share-Dingern, die ihren Firmensitz in Asien, Russland oder sonst wo haben. Über die IP-Adressen findet man relativ einfach raus, wo sie sitzen. Dann kommt es darauf an, wie gut die Anwälte des Börsenvereins sind.

ZEIT: Und wer zahlt das?

Schöffling: Wenn jemand verknackt wird, etwa der Betreiber einer Plattform, dann zahlt der. Sonst übernimmt der Börsenverein die Kosten, das heißt, die Gemeinschaft der Mitglieder. Das sind rund 5.500 Buchhandlungen und Verlage. Ich kann Ihnen übrigens gern ein paar Internetadressen sagen, wo Sie Juli Zehs Romane raubkopiert finden. Es liegt nicht zuletzt daran, dass Verlage oft PDFs mit den Fahnen in die Welt jagen, an Redaktionen zum Beispiel, ohne Kopierschutz.

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