Er sollte Bürger und Behörden der Bundesrepublik Deutschland ins digitale Zeitalter führen und Verwaltung und Identitätsnachweis elektronisch, flexibel – einfach digital machen. So groß wie eine Scheckkarte und aus Plastik statt Papier wurde der elektronische Personalausweis, kurz E-Perso, 2010 eingeführt – mit dem großen Versprechen, den Bürgern die Zukunft des digitalen Lebens zu bringen.
Dabei ging damals eigentlich noch gar nichts. Mittlerweile ist mehr möglich, aber wirklich Anklang hat er bislang nicht gefunden, der E-Perso. Von den meisten Bundesbürgern wird er einzig als das genutzt, was der Personalausweis nun erst einmal ist und immer schon war: als Ausweisdokument im Portemonnaie. Sie ziehen ihn hervor, wenn sie sich in der realen Welt ausweisen müssen und ansonsten schlummert er zwischen Bank-, Mitglieds- und Krankenkassenkarte.
So funktioniert der elektronische Personalausweis
Bei der Beantragung des Personalausweises, muss man sich entscheiden, ob man seine Fingerabdrücke auf dem Chip speichern lassen möchte. Das ist eine freiwillige Funktion und soll der Fälschungssicherheit dienen.
Die eID-Funktion muss bei der Abholung des Personalausweises aktiviert werden. Danach fragt der Sachbearbeiter dann noch einmal. Wer hier nein sagt, kann die eID nicht nutzen.
Ohne ein Kartenlesegerät lässt sich der Personalausweis und die eID bislang nicht nutzen. In Zukunft sollen auch mobile Endgeräte dazu genutzt werden. Das ist aber noch Zukunftsmusik. Aktuell gibt es drei verschiedene Modelle: Basisleser, Standardleser und Komfortleser, die unterschiedlich viel können. Preislich liegen sie zwischen 70 und 120 Euro.
Um die eID mit dem Kartenleser zu nutzen, erhalten Bürger per Post eine PIN und einen PUK – vergleichbar mit PIN und PUK beim Handyvertrag. Außerdem gibt es ein sogenanntes Sperrkennwort, das dann zum Einsatz kommt, sollte man seinen Personalausweis verlieren und sperren lassen müssen.
Die sogenannte „AusweisApp2“, die vom Softwareunternehmen Governikus entwickelt wurde, kann im Internet kostenlos heruntergeladen werden. Sie steht aktuell aber nur für die Betriebssysteme Windows 7 und 8 sowie OS X zur Verfügung.
Der eingebaute Chip zur digitalen Identifizierung – eID genannt – steht rund 35 Millionen Bürgern laut Bundesinnenministerium aktuell zur Verfügung. So viele Menschen haben den neuen Personalausweis nämlich schon. Wer die eID nutzen möchte, muss die Funktion beim Antrag des neuen Persos freischalten lassen, sich ein Lesegerät kaufen, das an den Computer angeschlossen wird, und eine Software auf seinem Computer installieren – die sogenannte „AusweisApp“.
Nur ein Drittel mit aktivierter eID
Die wenigsten kommen aber bis zum Softwaredownload, denn die eID ist gerade einmal bei jedem dritten Bundesbürger überhaupt aktiviert. In der Stadtgemeinde Bremen beispielsweise ist die eID-Funktion aktuell sogar nur bei 23,8 Prozent der Bürger mit E-Perso eingeschaltet, heißt es vom Senator für Inneres.
Wer von diesen Bürgern wiederum die eID dann auch tatsächlich nutzt, darüber gibt es bundesweit keine allgemeine Auskunft. "Zur Nutzung kann das Bundesinnenministerium keine Angaben machen, da Nutzungen der Online-Ausweisfunktion nicht zentral erfasst werden", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage von WirtschaftsWoche Online. Und die Suche nach aussagekräftigen Zahlen ist schwierig. Laut einer wenige Wochen alten GfK-Studie im Auftrag der „Welt am Sonntag“ nutzen die wenigsten die aktivierte Funktion. Unter den Befragten gaben gerade einmal fünf Prozent an, die eID in den vergangenen zwölf Monaten verwendet zu haben.
Stichprobenartige Anfragen zeichnen ein ähnliches Bild: Beim Bürgerkonto Baden-Württembergs „mein service-bw“ etwa können sich Bürger per eID anmelden. Das Portal steht grundsätzlich den mehr als 600 Kommunen des Landes zur Verfügung, wird aber nicht von allen genutzt. Dort registrierten sich bis Ende 2014 gerade einmal rund 700 Bürger auf diesem Weg.
„Für eine breite Nutzung von eID-Funktionen fehlten bisher sowohl die Anwendungen als auch die gesetzlichen Grundlagen“, heißt es vom Innenministerium Baden-Württembergs. Die Gothaer-Versicherung hat das Angebot sogar schon wieder eingestellt – aufgrund der „fast nicht vorhandenen Nachfrage von Seiten unserer Kunden“, heißt es auf Anfrage der WirtschaftsWoche aus dem Unternehmen.
Das Interesse ist nicht das Problem
Handfeste Zahlen liefern bislang lediglich die Software-Downloads: Nachdem die erste „AusweisApp“ für ihre komplizierte und unpraktische Handhabung vielfach kritisiert worden war, entwickelte die Softwarefirma Governikus – spezialisiert auf E-Government und E-Justice – im Auftrag des Innenministeriums die „AusweisApp2“. Seit 1. November 2015 können Bürger die neue Software zur E-Perso-Nutzung kostenlos downloaden. Die wiederum wird von Experten gelobt, ist aber seit ihrem Start bis zum 3. Juli 2015 bislang nur von etwas mehr als 200.000 Nutzern heruntergeladen worden. Bei 11 Millionen potenziellen Nutzern, die die eID aktiviert haben eine "überschaubare“ Zahl, räumt Governikus-Sprecherin Petra Waldmüller-Schantz ein, aber man sehe einen "kontinuierlichen Anstieg" der Nutzerzahlen - immerhin ein Lichtblick.
Dabei ist der Ansatz des digitalen Personalausweises im Grunde ja kein schlechter – im Gegenteil! In einer Welt, in der immer mehr online passiert und wir auch unsere Steuererklärung über ein Online-Verfahren übermitteln können – Stichwort Elster – sollte es denkbar normal sein, dass wir uns auch digital ausweisen. Anträge bei Behörden, Kontoeröffnungen oder der Altersnachweis bei der Online-Videothek könnten via Internet möglich und viel unkomplizierter sein, denn auch Versicherungen wie Allianz, HUK oder KKH lassen die eID zu. Die Mehrheit der Deutschen scheint diese Vorteile aber nicht zu sehen oder nicht zu kennen. Oder werden sie schlichtweg ignoriert? Ist der „digitale Deutsche“ vielleicht noch gar nicht so weit?
Sicherheitsstandards ausreichend
Experten machen gleich mehrere Probleme für die geringe Nutzung verantwortlich – das fehlende Interesse der Deutschen an der Digitalisierung scheint es aber definitiv nicht zu sein. „Es sind teilweise fehlende Informationen, Desinformationen, fehlende Anwendungsmöglichkeiten und Hürden wie beispielsweise zusätzliche Hardware“, sagt Waldmüller-Schantz.
Sicherheitstechnisch braucht der Bürger dem elektronischen Personalausweis gegenüber eigentlich keine Bedenken haben. Da sind sich die meisten Experten einig – insbesondere im Vergleich zu der bislang gängigen Methode, sich lediglich über Nutzernamen und Passwort zu identifizieren, bietet die eID laut Innenministerium einen deutlich sichereren Weg an.
Was die elektronische Gesundheitskarte können soll
Krankenkassen sollen über den Online-Abgleich der Patientenstammdaten bei jedem Einlesen beim Arzt die Daten wie Adresse, Name, Telefonnummer und so weiter auf vergleichen und so auf Stand halten können. Bislang mussten Krankenkassen bei jeder Namens- oder Adressänderung neue Karten verschicken. Das fällt damit dann weg.
Auf der elektronischen Gesundheitskarte sollen die sogenannten Notfalldaten des Versicherten gespeichert werden können. Das funktioniert allerdings nur auf eigenen Wunsch. Das würde bedeuten, dass die Karte Ärzten oder Notfallsanitätern im Ernstfall auch ohne PIN-Eingabe zum Beispiel Auskunft über Allergien oder bedeutsame Vorerkrankungen des Patienten Auskunft geben kann. Zudem soll es möglich sein, die Adresse eines im Notfall zu benachrichtigenden Angehörigen dort zu speichern.
Mithilfe der sogenannten elektronischen Fallakte (eFA) könnten Patienten auf ihrer elektronischen Gesundheitskarte sämtliche Gesundheitsdaten speichern und sie so jedem (neuen) Arzt schnell und digital zur Verfügung stellen. Zudem können Nutzer selbst die Informationen über den eigenen Gesundheitsstatus, wie zum Beispiel Impfungen, Allergien oder Vorsorgeuntersuchungen einsehen.
Die elektronische Gesundheitskarte soll eine digitale Liste der aktuell verschriebenen Medikamente enthalten können, sodass jeder Arzt weiß, was ein anderer verschrieben hat. So könnte vermieden werden, dass Patienten keine Medikamente kombinieren, die sich dafür nicht eignen.
Das bestätigt Pablo Mentzinis vom Digitalverband Bitkom: „Durch die physische Kontrolle mit der Karte kann man sich im Grunde jederzeit sicher sein, wie bei einem Schlüssel – es kommt niemand rein und es kann sich niemand für mich ausgeben.“ Denn nur wer Ausweis und PIN hat, kann die eID erfolgreich nutzen. Die größere Gefahr sei letztendlich der eigene Computer: Wer Firewall und Virenschutz aktuell aber halte, minimiere das Risiko, so das Innenministerium.
Wenig Ahnung, kaum Möglichkeiten
„Beim Bürger kann das Interesse einfach nicht da sein, wenn er nicht weiß, wofür er sich interessieren soll“, bringt es Mentzinis den Punkt. „Zugespitzt könnte man sagen, wenn sich der Bürger nicht auf einer Homepage mit angebotenen Diensten per Zufall auf eine Unterseite verirrt, dann weiß er nichts von der Möglichkeit, die eID-Funktion einsetzen zu können“, beschreibt es Waldmüller-Schantz. Dies sei eine Baustelle, an der gearbeitet werden muss. Im Bürgeramt seien schon mit dem Start des E-Persos die Weichen falsch gestellt worden, sagt Mentzinis: „Das Personal dort ist einfach nicht ausreichend geschult worden.“ Denn wer bei der Beantragung seines E-Persos fragt, wie man die eID denn nutzen kann, bekommt zumeist ausweichende Antworten, denn auch die Mitarbeiter im Bürgerbüro wissen zumeist nicht, zu was die eID eigentlich nütze ist.
„Man merkt, dass in Kommunen, die bereits entsprechende Portale betreiben und in denen somit ein gewisses Hintergrundwissen zur eID-Nutzung vorhanden ist, die Einschaltquote der eID weitaus höher liegt“, so Waldmüller-Schantz. Dort bewegten sie sich bei 70 bis 80 Prozent. Bei anderen sieht es aber eben extrem düster aus.
Zudem sind die Nutzungsmöglichkeiten noch nicht allzu zahlreich. Versicherungen und Banken halten sich bislang extrem zurück und auch Behörden sind in den vergangenen Jahren noch nicht allzu mutig gewesen. Je nach Kommune und Bundesland gibt es zudem sehr unterschiedliche Angebote. In Bremen gibt es das digitale Bürgerbüro, worüber eID-Nutzer sich zum Beispiel ummelden können ohne einen Besuch beim Amt. Das geht in Hessen zwar nicht, dafür können Bürger, die sich mit dem E-Perso digital ausweisen, zum Beispiel Briefwahlunterlagen beantragen. Was wo geht, muss also erst einmal recherchiert werden. Da sich die Zahl der interessierten und engagierten Bürgerbüros aber häuft, sieht Mentzinis als Chance: „Das könnte vielleicht einen Schub gebenund den Personalausweis etwas bekannter machen“.
In den Augen des Bitkom-Experten müssen drei Schritte getan werden, um den E-Perso unter die Deutschen zu bringen. Erstens darf nicht nur die Freischaltung der eID beim Perso-Antrag kostenlos sein, sondern auch die nachträgliche Freischaltung muss es ohne Gebühren geben. Das kostet bislang acht Euro. Eine unsinnige Hürde. Zweitens müsse dann als nächstes die Freischaltung grundsätzlich abgeschafft werden. Der Staat solle das Prinzip umdrehen: Der Bürger wird nicht gefragt, ob er die eID aktivieren will. Er muss sich aktiv entscheiden, dass sie abgeschaltet werden soll. So erhöhe sich automatisch die Zielgruppe derjenigen, die das System theoretisch nutzen können. Und Drittens muss die sogenannte Near-Field-Communication (NFC) möglich gemacht werden, die wir in Deutschland bislang vom kontaktlosen Bezahlen – etwa mit Smartphone oder Kreditkarte kennen. Unser E-Perso im Scheckkartenformat kann das nämlich schon. Jetzt muss es nur die Software geben, die die Verwendung in Kombination mit Smartphones und Tablets möglich macht. Dann wären wir auch die in der Anschaffung viel zu teuren und veralteten Kartenleser los, die jeder eID-Nutzer bislang benötigt. Diesen Schritt hält auch Waldmüller-Schantz für unverzichtbar: „Das ist die Zukunft.“
Bis dahin wird es aber noch etwas dauern. Der digitale Deutsche wird sich also wahrscheinlich auch noch etwas Zeit lassen. Das gilt nicht nur für den elektronischen Personalausweis, sondern auch für unsere elektronische Gesundheitskarte, die zum 1. Januar die alte Krankenversichertenkarte endgültig abgelöst hat.
Neue Gesundheitskarte, altes Einsatzgebiet
Viele Deutsche haben die neue Gesundheitskarte mit Foto schon länger im Portemonnaie als den E-Perso. Aber im Vergleich zum Ausweisdokument kann die Gesundheitskarte wirklich noch nichts von dem, was ihre Einführung eigentlich versprochen hat. Für den Patienten sind zunächst nur drei offensichtliche Dinge neu: Oben drauf steht nun „Gesundheitskarte“, auf der Rückseite befindet sich der europäische Krankenversichertenausweis und das eigene Konterfei ist darauf abgebildet. Sämtliche Funktionen, die die Karte „digital“ machen, blieben bislang aus. Zum Jahresanfang meldete das Bundesministerium für Gesundheit (BMG): „Die elektronische Gesundheitskarte gilt ausschließlich als Berechtigungsnachweis, um Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen in Anspruch nehmen zu können.“ Die Begründung: „Der Aufbau der Datenautobahn (…) wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, so das BMG. Also neue Karte, altes Einsatzgebiet.
Fünf Mythen der Krankenversicherung (Quelle: Bain)
Wahrheit: Prämienausschüttungen machen sich kaumbei der Kundengewinnung bemerkbar.Allerdings: In Zeiten desEinheitsbetrags hat der Zusatzbeitrageine extrem negative Wirkung.
Wahrheit: Die Versicherten achten aufService und Beratung – undhier fällt eine Differenzierungerheblich leichter.
Wahrheit: Die Nähe zurnächsten Geschäftsstelle hat nureine geringe Bedeutung für dieKundenzufriedenheit. Die regionaleVerankerung bleibt dagegen extremwichtig.
Wahrheit: Krankenkassen heben sich mitkompetentem Auftraten vom Wettbewerbab.
Wahrheit: Die Digitalisierung hat dieBranche längst erreicht.
Dabei sind einige spannende Funktionen in der Pipeline – sowohl für Patienten, als auch Krankenkassen und Ärzte. Zum einen soll die elektronische Gesundheitskarte (eGK) einmal die Notfalldaten des Versicherten enthalten, wenn dieser das wünscht. Das können dann zum Beispiel Allergien oder bedeutsame Vorerkrankungen sein. Oder die Adresse eines im Notfall zu benachrichtigenden Angehörigen. Ärzte oder Notfallsanitäter sollen die dann auch ohne PIN-Eingabe der Patienten im Ernstfall abrufen können.
Zum anderen soll die Patientenakte auf der Gesundheitskarte digital werden. In der sogenannten elektronischen Fallakte (eFA) könnten Patienten also dem Arzt auf Wunsch sämtliche Gesundheitsdaten zur Verfügung stellen. „Sie erhalten künftig viele Informationen über den eigenen Gesundheitsstatus, wie zum Beispiel Impfungen, Allergien oder Vorsorgeuntersuchungen, und können selbst entscheiden, wer auf die Gesundheitsdaten zugreifen darf“, sagt Claudia Widmaier, Sprecherin des GKV-Spitzenverband, der zentralen Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen. Zusammen mit der Auflistung über die aktuell verschriebenen Medikamente – dem Medikationsplan – könnte die digitale Gesundheitsakte so eine große Erleichterung insbesondere für Ältere und chronisch Kranke sein: „Ich denke, wir werden sehen, dass diejenigen, die viel und häufig Ärzte besuchen müssen, eine entsprechende Dokumentation dringend brauchen und deshalb heute mit Leitz-Ordnern von Arzt zu Arzt laufen, dieses Angebot dankbar nutzen werden“, schätzt Bitkom-Experte Mentzinis.
Für Krankenkassen zudem interessant: Mithilfe der Gesundheitskarte sollen online die Versichertenstammdaten abgeglichen und aktualisiert werden können – immer neue Versichertenkarten etwa nur wegen eines Umzugs oder einer Heirat sind dann passé. Die Krankenkassen sparen so bares Geld.
Aber warum warten wir noch immer auf diese Funktionen? Leider ist es so, dass am Ende jeder Beteiligte – ob Ärzte, Krankenhäuser oder Krankenkassen – an anderen Aspekten interessiert ist. Jeder möchte seine Vorteile zuerst genutzt sehen, aber gleichzeitig natürlich nicht mehr dafür zahlen müssen – bei einem Milliardenprojekt wie der Gesundheitskarte kein unwichtiger Aspekt. „Verzögerungen haben sich natürlich aus den unterschiedlichen Eigeninteressen der Gesellschafter ergeben“, beschreibt es Widmaier.
Ein weiterer Aspekt: der Datenschutz. „Dass dem Datenschutz und der Datensicherheit beim eGK-Projekt höchste Priorität eingeräumt wird, halten wir für richtig. Nur so kann die entsprechende Akzeptanz bei allen Beteiligten hergestellt werden", so Widmaier. "Tatsächlich ist der Preis hierfür aber, dass nicht zuletzt auch durch immer wieder neue und höhere Datenschutzanforderungen das Projekt teilweise verzögert wird“. Auch Mentzinis sieht neben den Interessenkonflikten der vielen Parteien das Problem in den extrem hohen Sicherheitsforderungen. Das sei zum Teil sinnvoll, da Gesundheitsdaten natürlich sehr sensible Daten sind, bei denen ein sehr hohes technisches Niveau eingehalten werden müsse, aber es gebe eben immer eine Dualität zwischen Komfort und Sicherheit, so Mentzinis. „Leider muss man unterm Strich festhalten, dass manche Sicherheitsregelungen für die Gesundheitskarte den Ärzten die Nutzung zu stark erschweren.“
Bis 2030 zum digitalen Deutschen
Der GKV-Spitzenverband ist in jedem Fall von dem Erfolg des eGK-Projekts überzeugt. Wiedmaier räumt aber ein, dass es „sicher noch einige Zeit“ dauere. „Aber wir sollten jetzt einfach einmal beginnen und ins kalte Nass des Versorgungsalltags springen. Nur so können wir nachweisen, dass digitale Vernetzung im Gesundheitswesen funktioniert.“
Ab Jahresende soll in Testregionen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Bayern zumindest Stufe eins getestet werden – also zunächst einmal lediglich die Aktualisierung der Versichertendaten. Die Speicherung von echten medizinischen Daten soll irgendwann danach folgen – wenn die einzelnen Parteien nicht wegen Unstimmigkeiten endgültig die Zusammenarbeit einstellen (zuletzt drohte der GKV-Spitzenverband mit Zahlungseinstellung). 2018 ist laut Gesundheitsministerium das Stichjahr für die Notfalldaten. Experten vermuten mit der Gesundheitsakte wird es frühestens 2020 etwas.
Zielstrebigkeit sieht anders aus, der Optimismus der Digital-Experten aber bleibt: „Wenn im Jahr 2030 rund 80 Prozent der Über-70-Jährigen und 90 Prozent der chronisch Kranken die elektronische Krankenakte nutzen, dann haben wir einen riesigen Erfolg“, so Mentzinis.
Auch den E-Perso wird 2030 zumindest jeder im Portemonnaie haben – manche sogar schon die nächste Generation. Dann könne die Online-Ausweisfunktion auch ihr volles Potenzial erreichen, so das Bundesinnenminsterium - wenn dann umfassende Anwendungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. „Es ist klar, dass der Personalausweis dann kontaktlos genutzt werden kann und wir auf den Kartenleser verzichten können. Wenn das geschehen ist und die Kinderkrankheiten ausgeräumt sind, werden die Leute schon erkennen, dass diese Karte ein Sicherheitsplus ist“, so Mentzinis.
Werbung soll es zwar für den E-Perso und die eID auch in Zukunft nicht geben, aber statt der Lesegeräte plant das Innenministerium wirklich NFC-Technik für den E-Perso möglich zu machen. Es seien verschiedene Aspekte in Planung, "um die Rahmenbedingungen für eine Beschleunigung der Verbreitung zu verbessern", heißt es vom Ministerium. "Dazu gehört insbesondere die Nutzung mobiler Geräte als Kartenleser." Mit dem kommenden Jahr könnte das für viele Smartphone-Nutzer bereits möglich sein - getestet wird bereits seit Jahresbeginn. Apple-Anhänger aber wahrscheinlich ausgenommen – das US-Unternehmen blockiert die NFC-Schnittstelle nämlich bislang für externe Dienste.
So würden die Lesegeräte aber mittelfristig von den deutlich praktischeren Smartphones abgelöst. Die Hürden zum digitalen Bürger wären somit gesenkt. Also, egal ob elektronischer Personalausweis oder elektronische Gesundheitskarte – der digitale Deutsche ist auf dem Weg, aber er braucht noch etwas Zeit.