Energieagentur warnt Das Internet der Dinge provoziert globalen Energie-Kollaps

Schon jetzt steigt der Stromverbrauch der IT schneller als der anderer Industrien. Nun warnt die Internationale Energieagentur: Das Internet der Dinge lässt den Energiehunger der digitalen Welt erst recht explodieren.

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Grüner High-Tech für Stadt und Land
Schlafkapsel von Leap-Factory Quelle: PR
Prototyp eines wärmespeichernden Grills Quelle: PR
Mini-Windkraftwerk von MRT Wind Quelle: PR
Leuchtendes Kindle-Cover Quelle: PR
Selbstversorgende Insel in der Südsee Quelle: PR
Tomaten in einem Gewächshaus Quelle: dpa
Ein Schild mit der Aufschrift "Genfood" steckt in einer aufgeschnittenen Tomate neben einem Maiskolben Quelle: dpa/dpaweb

Die Zahlen sind ebenso beeindruckend wie erschreckend, doch kaum jemand nimmt sie wahr: Im Schatten des Komforts, denn uns die zunehmende Verbreitung von Turbo-Internet, Smartphones, Cloud Computing, E-Commerce oder Sozialen Netzen im Alltag bescheren, explodiert der Energiebedarf der IT geradezu. Weitgehend unbemerkt vom Nutzer erreicht er ständig neue, Schwindel erregende Höhen.

Im vergangenen Jahr summierte sich allein der globale Stromhunger von Netzwerken und Datenzentren auf mehr als 640 Terrawattstunden, der von vernetzter Haushaltelektronik auf mehr als 615 Terrawattstunden. Das ist in beiden Fällen mehr als der gesamte jährliche Energieverbrauch der Bundesrepublik. Und die IT wächst weiter ungebremst.

Höchste Zeit gegenzusteuern, fordert daher die in Paris ansässige Internationale Energie-Agentur IEA in ihrem vor wenigen Tagen veröffentlichten Bericht „More Data, less Energy“. Umso mehr als die Autoren vor allem eine Sorge umtreibt: Bisher wird der Energiebedarf vor allem durch vergleichsweise „traditionelle“ Technik wie Server, Computer, Telefone oder TV-Set-Top-Boxen befeuert.

Zur Einordnung: Alleine letztere verbrauchten bereits 2010 in den USA so viel Strom wie sechs konventionelle 500-Megawatt-Kohlekraftwerke lieferten – und damit mehr als den jährlichen Energiebedarf Islands.

Doch nun ist die IT dabei, ziemlich schlagartig fast jeden Winkel des Alltags zu durchdringen, sorgen Sensornetze und Funkmodule in Straßen, Autos, Haustechnik, Uhren, Plakatwänden, Fitness-Trackern oder Fahrstühlen für eine Flut neuer, vernetzter Technik. Und mit diesem Megatrend, den Experten das „Internet der Dinge“ nennen, steigt der Energiebedarf der Technik geradezu ins Unermessliche. Wurden 2012 laut IEA weltweit knapp 15 Milliarden vernetzbarer Geräte – vom TV-Gerät übers Handy bis zur Bürotechnik – produziert, so könnte die Zahl der Netzwerk-Maschinen bereits 2030 auf mehr als 100 Milliarden steigen.

Damit die Flut der kommunikativen Hardware dennoch nicht zum globalen Energie-Kollaps führt, fordern die Experten der IEA nun die Entwicklung und Einführung weltweit gültiger und technikübergreifender Strom-Spar-Standards: Wichtigstes Ziel dabei ist, den Energieverbrauch der Technik in den Zeiten drastisch herunterzufahren, in denen die Geräte im Standby-Betrieb sind: Fernseher zum Beispiel, die zwar am Netz hängen, aber kein Programm anzeigen; Digitalrekorder, die noch auf den Beginn der Aufzeichnung warten; aber vernetzte Steckdosen oder Rollladensteuerungen, oder Web-Kameras und DSL-Zugangsboxen, die nur am Netz hängen, aber keine Daten übertragen.

Der Energiehunger dieses von Fachleuten auch „Vampire-Power“ genannten Betriebs, bei dem die Technik Strom nahezu nutzlos aus dem Netz saugt, ist gigantisch. Das Potenzial ihn deutlich zu reduzieren aber eben auch da, haben Hochrechnungen der IEA ergeben: Bei Einsatz der jeweils besten verfügbaren Energieeffizient- und Stromspartechniken ließe sich der für 2025 prognostizierte, globale Energieverbrauch vernetzter Maschinen und Alltagstechnik von rund 1140 Terrawattstunden um knapp zwei Drittel auf nur noch gut 400 Terrawattstunden senken. Das wäre in etwa das Verbrauchsniveau von 2008.

Als eine der wichtigsten Maßnahmen will die IEA nun das bereits 15 Jahren für den Ruhestromverbrauch von traditioneller Haushaltselektrik ausgegebene Ein-Watt-Ziel auch auf die IT und die vernetzten der Geräte im Internet der Dinge ausweiten. Darin hatte die Behörde definiert, dass Elektrogeräte im Standby-Modus nicht mehr als ein Watt pro Stunde aus dem Netz ziehen sollten – ein Ziel, das in einem Großteil der IEA-angehörigen Staaten inzwischen zumindest teilweise als Rechtsvorgabe umgesetzt ist, teils sogar übertroffen.

Nun also will die IEA den Vampiren auch in der IT an den Kragen – und am Ende wird sich die Energiediät auch für jeden einzelnen Techniknutzer lohnen. Denn die neue Sparsamkeit mit dem Strom zwingt auch zu einer radikal auf Energieeffizienz ausgerichteten Entwicklung neuer Geräte – und damit, früher oder später, endlich auch mal wieder zu Smartphone-Laufzeiten von mehr als einem knappen Arbeitstag.

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