Fehlstart beim 49-Euro-Ticket: Serverausfälle sind eine Blamage für die Bahn – und für ihre Cloud-Strategie


Von Beginn an überlastet: Unter dem Ansturm der Ticketkäufer gingen die Server der Deutschen Bahn am 1. Mai in die Knie.
Bleiben wir fair! Es hat doch kein Mensch ahnen können, dass das 49-Euro-Ticket am 1. Mai startet. Schon gar nicht, dass Zigtausende Menschen es dann auch noch kaufen wollen. Da mussten die Server der Deutschen Bahn unter dem völlig überraschenden Ansturm der Buchungswilligen doch in die Knie gehen. Nein, das konnte wirklich keiner … Stopp!
Ironie beiseite. Nichts davon kam überraschend. Es ist, im Gegenteil, ein Trauerspiel, dass die Server der Bahn zum Start am Montag derart überlastet waren, dass viele Kunden über Stunden mit dem Hinweis „Im Moment greifen zu viele Nutzer gleichzeitig auf unser Buchungssystem zu“ vertröstet wurden. Der Run der Kaufinteressenten auf das neue Deutschlandticket war so groß, dass auch der Kauf regulärer Tickets stundenlang weder übers Netz noch über die Bahn-App zuverlässig möglich war.
So manche Reisenden, die ihre Fahrkarte unterwegs kaufen wollten, mussten ohne gültigen Fahrschein einsteigen, weil die Bahn es ihnen schlicht verweigert hat, das Bahnbillet regulär zu kaufen. Verschärft wurde die Lage noch dadurch, dass viele Reisende nicht einmal auf Fahrkartenschalter ausweichen konnten. Denn die hat die Bahn vielerorts längst dicht gemacht. Und dort, wo es noch welche gibt, bildeten sich vielfach aufgrund der Zusatznachfrage nach dem neuen Pauschalticket lange Schlangen.
Nun mag man fragen, warum so viele 49-Euro-Kunden tatsächlich bis zum 1. Mai mit dem Kauf gewartet haben, obwohl sie ihr Deutschlandticket auch ab Anfang April schon hätten vorbestellen können. Aber das lenkt im Grunde nur vom Problem einer mangelhaften Vorbereitung ab. Denn es war ein Ansturm mit Ansage: Bereits im vergangenen Herbst hatte das Beratungsunternehmen PwC ermittelt, dass immerhin gut 40 Prozent der Menschen über 18 Jahren bundesweit interessiert wären, ein 49-Euro-Ticket zu kaufen. Und zwar nicht bloß in Großstädten (48 Prozent), sondern sogar in erheblichem Maße auf dem Land (37 Prozent).
40 Prozent der Bundesbürger! Das wären immerhin rund 26 Millionen potenzielle Kunden. Spätestens als der Nahverkehrsverband VDV in der vergangenen Woche meldete, dass von all den Interessenten bis Ende April erst rund eine Dreiviertelmillion Menschen ein Abo für den neuen Pauschaltarif abgeschlossen hatte, hätte den Verantwortlichen der Bahn dämmern müssen, dass am 1. Mai ein Ansturm auf die Online-Shops droht. Selbst, wenn am Ende nur ein Bruchteil der potenziellen Käufer wirklich bucht.
Dass es nun trotzdem derart stockte, ist aber gleich eine doppelte Blamage für die Bahn. Denn eigentlich sollte der Umzug aller relevanten IT-Anwendungen der Bahn auf die Cloud-Plattformen von IT-Partnern wie Microsoft und Amazon vor zweieinhalb Jahren dafür sorgen, dass die zuvor immer wiederkehrenden Kapazitätsengpässe ein Ende haben.
Amazon betont, der Grund für die Probleme habe nicht aufseiten des Cloud-Anbieters gelegen. Die Bahn wiederum blieb bisher die Erklärung schuldig, wo es dann klemmte. Denn die Techkonzerne betreiben seit Herbst 2020 die Computerinfrastruktur des Verkehrskonzerns. Zuvor hatten die IT-Verantwortlichen der Bahn 450 Anwendungen – darunter die Shop-Systeme von bahn.de und die Dienste des Bahn-Navigators – auf eigenen Servern gehostet. „Da darf nichts wackeln. Und das ist nun auch in der Cloud so“, versprach 2020 die damalige IT-Chefin der Bahn Christa Koenen. Auch der DB Navigator zicke bei größeren Belastungen künftig nicht mehr rum, weil die Cloud-Server kaum überlastet werden könnten.
Aber gut, da konnte ja auch niemand ahnen, dass nur zwei Jahre später das 49-Euro-Ticket kommt.
Transparenzhinweis: Der Cloud-Dienstleister Amazon hat nach Erscheinen des Kommentars in einer Stellungnahme jede Verantwortung für die technischen Probleme zurückgewiesen. Wir haben den Text angepasst.
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