WirtschaftsWoche: Herr Holzapfel, Sie sind seit 25 Jahren Techunternehmer und veröffentlichen mit „Catch 42“ nun Ihren ersten Science-Fiction-Thriller. Ist die Realität nicht spannend genug?
Felix Holzapfel: Leider neigt die Technologiebranche oft zu übertriebenen Hypes, die dann im Sande verlaufen. Der Schritt vom Labor- oder Feldversuch in den Alltag hinein ist groß und riskant – und benötigt immer wieder mehr Zeit, als gedacht. Die Industrie wäre gut beraten, nicht immer so viel zu versprechen.
Aber kein Gründer, der ehrlich sagt, dass er für die Umsetzung seiner Idee vielleicht Jahrzehnte braucht, wird Investoren gewinnen.
Das ist ein Teufelskreis. Man muss eine große Geschichte erzählen, um Mitstreiter zu finden und zu begeistern. Aber man muss aufpassen, dabei nicht unrealistisch zu werden. Ansonsten werden selbst beachtliche Fortschritte als zu klein wahrgenommen, weil die Erwartungen so groß waren.
Also kleinere Brötchen backen?
Nein, aber vielleicht nicht immer alles für die nächsten zwei oder fünf Jahre in Aussicht stellen. Zugegeben, es ist schwierig, die gesunde Balance zu finden. Denn wir müssen die Menschen gleichzeitig auf radikale Innovationen vorbereiten, denen gegenüber die letzten 20 Jahre wie ein gemütlicher Spaziergang erscheinen.
Zur Person
Felix Holzapfel, Jahrgang 1978, ist Experte für Technologie und Marketing. Nach dem Verkauf seiner Digitalagentur an einen führenden IT-Dienstleister, berät er nun Unternehmen und investiert in Start-ups. „Catch-42“, sein erster Roman, der Ende Januar auf deutsch erscheint, beschreibt, wie die Welt von morgen aussehen könnte – ausgehend von aktuellen Technologietrends.
Spricht da der Unternehmer oder der Science-Fiction-Autor?
Der Beobachter. Es gibt diverse Dinge, die für Science Fiction gehalten werden, aber im Labor schon funktionieren. Manchmal sogar darüber hinaus. Ich denke da an die immense Rechenleistung von Quantencomputern, die in gewaltigen Datenmengen Zusammenhänge entdecken, die wir noch nicht kennen. An Künstliche Intelligenz, die uns mit Entscheidungen zur Seite steht und so klüger macht. An Gentechnik, die Babys von Erbkrankheiten kuriert oder unseren Körper für höhere Leistungsfähigkeit optimiert. Oder die moderne Mensch-Maschine-Schnittstelle ...
... ein Chip im Gehirn, wie ihn Elon Musk mit seinem Unternehmen Neuralink propagiert. Ist das nicht genau einer der von Ihnen kritisierten Hypes?
Elektrizität ist nur ein kurzlebiges Phänomen, der Mensch wird niemals fliegen, es gibt einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer. All das haben einst kluge Menschen geglaubt. Unsere Vorstellungskraft stößt regelmäßig an ihre Grenzen. Warum sollte das in diesem Fall anders sein?
Aber welcher gesunde Mensch würde sich einen Chip ins Hirn pflanzen lassen?
Die Verschmelzung von menschlicher und künstlicher Intelligenz, bei der man keine Tastatur oder Sprachsteuerung mehr benötigt, sondern allein mit seinen Gedanken kommuniziert, wird unsere Leistungsfähigkeit auf ein vollkommen neues Niveau heben. Es wird virtuelle Erlebnisse geben, die sich intensiver anfühlen als die Realität. Das wird für viele Leute reizvoll sein. Auch weil es dann etwa umweltfreundlicher sein wird, virtuell zu reisen, statt ins Flugzeug zu steigen.
Aber wird es die Gesellschaft tolerieren, dass sich Leute mit einem Chip im Hirn aufrüsten? Gerade in Deutschland, wo vielen Menschen der technische Fortschritt eher Angst macht?
Das ist eine ethisch-moralische Frage, die wir in Europa und vor allem in Deutschland sicherlich anders beantworten werden als in anderen Teilen der Welt. Und genau das ist die Crux. Können wir es uns leisten, auf die genannten Technologien zu verzichten, wenn diese in anderen Teilen der Welt vorangetrieben werden, die wirtschaftlich unsere Wettbewerber sind? Oder sogar militärische Gegner? Letztendlich können bereits einzelne Länder oder sogar Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die gesamte Welt unter Zugzwang setzen.
Sie können ja mit gutem Beispiel vorangehen. Hand aufs Herz, werden Sie sich einen Chip ins Hirn pflanzen lassen, wenn es so weit ist?
Wenn ich eine Rückfahrkarte hätte, ihn also auch wieder entfernen kann? Dann ja. Wobei man das wahrscheinlich gar nicht mehr will. Schließlich hat auch niemand seinen Farb- gegen einen Schwarzweißfernseher zurückgetauscht. Niemand will den alten Kram zurück.
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