Kommunikation in deutschen Unternehmen Warum das Faxgerät einfach nicht ausstirbt

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Faxrepublik Deutschland

Auch Dax-Konzerne verlassen sich auf die kleine Firma aus München. Bayer zum Beispiel. Jeden Morgen verschickt der Pharmakonzern ein Wetterfax an 30.000 Landwirte. Mit dem informiert er über Sonne, Regen und Windstärke – und zwar auf wenige Quadratkilometer genau. Die Edeka-Zentrale faxt mit ihren Filialen, wenn sie Waren zurückrufen muss. Ärzte und Labore tauschen sensible Patientenbefunde aus Datenschutzgründen per Fax aus. Der Fernkopierer bleibt beliebt – auch für Hotelreservierungen bei MotelOne, Autobestellungen bei Honda, Angebotsaushänge in den Reisebüros von Thomas Cook.

Gründe fürs Fax gibt es genug: Durch die Sendebestätigung wissen die Nutzer, dass ihre Nachricht angekommen ist. Faxe bleiben nicht im Spamfilter hängen, und auch Hacker haben keine Chance. Im Gegensatz zur E-Mail ist die Technik kaum manipulierbar. Bei jedem Versuch, ein Fax abzufangen, bricht der Sendevorgang ab. Und auch wenn eine eigenhändige Signatur verlangt wird, spielt der Fernkopierer seine Trümpfe aus: Unterschriebene und gefaxte Dokumente werden in der Geschäftswelt als rechtssicher anerkannt. Deshalb sind auch große Versicherer und Banken Kunden von Retarus.

Gerätehersteller wie HP, Brother und Co. verkaufen zwar weniger reine Faxgeräte als früher: 37.000 sollen es vergangenes Jahr in Deutschland gewesen sein, schätzt das Marktforschungsunternehmen GfK – nur ein Zehntel dessen, was ein Jahrzehnt zuvor verkauft wurde. Stattdessen ordern Behörden und Unternehmen aber Multifunktionsgeräte, die drucken, kopieren, scannen und eben faxen können. Deren Wachstum hat den Rückgang bei reinen Faxgeräte kompensiert. Die Hersteller verkauften zuletzt zwei Millionen Multifunktionsgeräte – doppelt so viele wie vor zehn Jahren.

Deutsche schätzten vor allem Multifunktionsmaschinen mit Fernkopierer-Funktion, während viele Unternehmen im Ausland darauf verzichteten, sagt Helge Alter von HP Deutschland. Konkurrent Brother macht ähnliche Beobachtungen. Und mutmaßt: „Es scheint der deutschen Mentalität geschuldet, dass man die Funktion zur Sicherheit einfach mal mit kauft, zumal der Preisaufschlag überschaubar ist.“ Weder HP noch Brother stellen die Produktkategorie ernsthaft infrage – der Faxrepublik sei Dank.

So hat auch Retarus-Chef Hager keine Zukunftssorgen. Die Zahl der Kunden steige seit Jahren. Denn viele Unternehmen investierten nicht mehr in eigene Faxserver. Die Wartung sei kompliziert und werde durch die Umstellung auf Internettelefonie noch komplexer. Retarus übernimmt diesen Service nur allzu gerne – und will sich künftig nicht mehr nur um den Faxtransport, sondern auch um die Inhalte kümmern. So digitalisiert das Unternehmen zum Beispiel Bestellformulare, die von kleinen Firmen per Fax eingehen, und speist sie direkt ins IT-System des Empfängers ein.

Wie sehr Unternehmen auf das Fax angewiesen sind, zeigte sich vor ein paar Jahren, als in München stundenlang der Strom ausfiel. Da bei Retarus das Notstromaggregat nicht ansprang, kamen Millionen Faxe nicht an. Danach habe er so viele Gespräche mit Unternehmenschefs geführt wie nie zuvor, sagt Hager. Vielen Firmen ist vermutlich erst durch den Ausfall klar geworden, wie abhängig sie noch vom Fax sind.

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