Das Internet bietet eine Fülle von Informationen, die für die Behörden von Nutzen sein können. Diese persönlichen Daten (PROTINT) reichen von Reisedaten und Telefonverbindungen über Einkäufe, Kreditwürdigkeit, biometrische Daten bis hin zu Registern verschiedener Art. Die Analyse solcher Daten ist in der Bekämpfung von Kriminalität und Strafverfolgung von großem Nutzen und wird von den Behörden auch zur Verfolgung von terroristischen Organisationen genutzt.
Diese gesammelten Informationen aus den beschriebenen Quellen sind keine Intelligence. Erst durch Bearbeitung dieser Informationen in Fachkreisen, Prüfung, Analyse und Bewertung der Ergebnisse zusammen mit dem Auftraggeber, werden Informationen zu Intelligence. Man spricht hierbei von einem „Intelligence Cycle“. Dieser Begriff ist aber eher als interaktives Netzwerk, bestehend aus Auftraggeber und den zuarbeitenden Behörden, zu sehen. In diesem Prozess gewinnt die Intelligence an Bedeutung, je öfter sie von allen Beteiligten hinterfragt wird.
Der neue Skandal um BND und NSA
Der BND soll dem US-Geheimdienst NSA jahrelang geholfen haben, Ziele auch in Europa auszuforschen. Es geht dabei um große Datenmengen, die der BND an seiner Abhörstation in Bad Aibling abgreift und die die NSA nach europäischen Unternehmen und Politikern durchforstet haben soll. In Bad Aibling belauscht der BND internationale Satellitenkommunikation, angeblich vor allem aus Krisenregionen wie Afghanistan oder Somalia. Es ist aber nicht ganz klar, was dort tatsächlich alles abgefischt wird.
BND und NSA vereinbarten vor Jahren, dass die Amerikaner nach bestimmten Suchmerkmalen (Selektoren) Zugriff auf diese Daten bekommen - zur Terrorbekämpfung und unter Einhaltung deutscher Interessen. Die Amerikaner hielten sich aber wohl nicht an diese Vereinbarung, sondern nutzten die Daten keineswegs nur für den Kampf gegen den Terror, sondern möglicherweise auch zur Wirtschaftsspionage und für andere Zwecke, die deutschen und europäischen Interessen zuwiderlaufen.
Um aus den großen Datenmengen relevante Informationen herauszusuchen und die Kommunikation von Verdächtigen aufzuspüren, filtern sie diese nach bestimmten Suchmerkmalen - zum Beispiel E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern. Die NSA hat dem BND massenhaft solche Suchkriterien übermittelt, damit dieser die Daten aus Bad Aibling danach maschinell durchkämmt und anschließend an die USA weitergibt. Wie viele Selektoren die Amerikaner geliefert haben, ist unklar. Die Rede ist von mehreren Hunderttausend oder mehr als einer Million. Sie werden ständig überarbeitet und ergänzt.
Der BND prüft nach eigenen Angaben durchaus, was die NSA an Daten anfragt und welche Suchkriterien sie übermittelt. Und der Geheimdienst beteuert, dass er Selektoren, die deutschen Interessen widersprechen, aussortiert und keine Daten dazu liefert. Angesichts der riesigen Mengen an Daten und Selektoren sind die Prozesse aber computerbasiert. Der Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz, geht deshalb davon aus, dass alles grundsätzlich automatisiert und ohne Prüfung der einzelnen Suchmerkmale abläuft. „Dieses System ist unkontrollierbar“, sagt er. „Und der BND wusste das auch.“
Der BND bemerkte schon 2005, dass die NSA in dem Wust an abgehörten Daten auch nach europäischen Zielen suchte - nach den Firmen EADS und Eurocopter und nach französischen Behörden. Nach den Enthüllungen der NSA-Affäre 2013 schaute sich der BND die Suchanfragen noch genauer an und stieß auf rund 2000 kritische Selektoren der NSA. Insgesamt hat der BND über die Jahre rund 40 000 solcher Suchkriterien der USA abgelehnt. Nach eigenen Angaben fischten die BND-Mitarbeiter diese heraus, gaben den Amerikanern dazu also keine Daten.
Doch die Linke-Obfrau im NSA-Ausschuss, Martina Renner, glaubt nicht an diese Version. „Wir gehen davon aus, dass ein Teil der Selektoren auch eingesetzt wurde.“ Wen genau die Amerikaner alles ausforschen wollten und bei welchen Stellen ihnen das in welchem Umfang gelang, ist noch unklar. Das Kanzleramt erfuhr angeblich erst vor ein paar Wochen von der ganzen Sache - nachdem der NSA-Untersuchungsausschuss nachhakte.
Öffentliche Sicherheit wird immer wichtiger
Die Bereitstellung von Intelligence bedarf eines Auftrags der Politik, sie ist kein Zufallsprodukt der laufenden Arbeit. Die Rolle der Politik in der Nutzung von Intelligence beschränkt sich aber nicht nur auf den Abruf von Intelligence. Die Politik sollte eng eingebunden werden und Feedback innerhalb des Intelligence-Zyklus liefern. Ein solcher Prozess führt dazu, die Fragen klarer zu formulieren, die Methoden der Informationsgewinnung zu schärfen und die Qualität von Intelligence zu steigern. In Großbritannien erfolgt dieser Prozess durch das Joint Intelligence Committee (JIC), das direkt an den Premierminister berichtet. Mitglieder dieses Committees sind neben den drei Geheimdiensten auch Kabinettsmitglieder und Entscheidungsträger verschiedener Ministerien. Das Ergebnis ist die professionelle Zusammenfassung einer Lage durch die britische Intelligence Community – nicht nur der Dienste sondern auch von Experten aus allen betroffenen Bereichen.
Das Thema öffentliche Sicherheit nimmt an Bedeutung zu. Eines der Merkmale einer guten Regierung ist, wie sie öffentliche Sicherheit gewährleistet, denn darauf basiert die Idee des staatlichen Gewaltmonopols. Nichtsdestotrotz erwartet die Bevölkerung, dass die Aktivitäten des Staates das Recht nicht beugen und die grundrechtlichen Freiheiten unangetastet bleiben.
In anderen Worten: Die Regierung muss zum Schutz von Bevölkerung und Wirtschaft ein professionelles Risikomanagement betreiben. Um Sicherheit zu garantieren, ist die Regierung gefordert, nicht nur die gegenwärtige Lage zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, sie muss auch künftige Risiken erkennen, analysieren und ihnen im Vorfeld begegnen. Dies schafft Vertrauen in den Staat und ermöglicht eine kontinuierliche Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft. Ein Schlüssel für Stabilität in der Zukunft ist die Bereitstellung von Intelligence, um die Entscheidungsträger in ihren wichtigen sicherheitspolitischen Entscheidungen zu unterstützen.