Roboter übernehmen immer mehr Jobs: Wenn Menschen zu Helfern von Maschinen werden
Der Lebensversicherer Fukoku ersetzt bis Ende März 34 Mitarbeiter durch die künstliche Intelligenz des IBM Watson Explorers. Die schlaue Software durchforstet ab dann alle Unterlagen zur Krankengeschichte von Patienten wie Arztberichte und Rechnungen. Dann prüfen die Algorithmen, welche Ausgaben von den Klauseln der individuellen Versicherungspolice gedeckt sind. Anschließend kalkuliert die Software die Auszahlungssumme an den Versicherungsnehmer. Auf diese Weise will Fukoku die Produktivität der Regulierungsabteilung um 30 Prozent steigern und die Kosten senken.
Dabei wird es nicht bleiben: Nach jüngsten Berechnungen des Forschungsinstituts Mitsubishi werden solche künstlichen Intelligenzen (KI) und richtige Roboter bis 2030 die Arbeitsplätze von 7,4 Millionen Japanern übernehmen, davon 1,5 Millionen im produzierenden Gewerbe und 720.000 in den Buchhaltungen der Unternehmen.
Was wie ein Schreckensszenario klingt, soll jedoch für Japan nach dem Willen der Regierung ein Segen sein. Denn die japanische Bevölkerung schrumpft so rasch, dass schon heute überall Arbeitskräfte händeringend gesucht werden. Darauf ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine passende Antwort. Durch die neue Technik würden bis 2030 fünf Millionen neue Jobs geschaffen, schätzen die Mitsubishi-Forscher. Die netto freigesetzten 2,4 Millionen Arbeitskräfte landen jedoch nicht auf der Straße, sondern könnten in den Service-Sektoren der Wirtschaft unterkommen. Dort herrscht bereits heute starker Mangel an Arbeitskräften.
Fukoku ist nicht das einzige Assekuranz-Unternehmen, das auf KI setzt: Nippon Life benutzt ein KI-Programm, um bestmögliche Versicherungsangebote für ihre Kunden zu entwickeln und zu analysieren. Die Software berücksichtigt dabei alle 40 Millionen bereits abgeschlossenen Verträge. Der Versicherer Dai-ichi Life setzt ebenfalls den Watson Explorer bei der Bearbeitung von Auszahlungen ein. Die japanische Postversicherung will ab März das gleiche System testen.
Dass sich diese Programme rechnen, zeigt das Beispiel von Fukoku: Die Entwicklung und Installation der künstlichen Intelligenz kostet 200 Millionen Yen (1,6 Millionen Euro). Danach fallen laufende Kosten von 15 Millionen Yen (123.000 Euro) jährlich an. Die freigesetzten 34 Mitarbeiter kosten jährlich 140 Millionen Yen (1,1 Millionen Euro). Daher hätte sich die KI nach sechzehn Monaten rentiert - vorausgesetzt, der Watson Explorer arbeitet wirklich genauso gut wie ein menschlicher Sachbearbeiter.
Dass die Kosten sich so schnell amortisieren, hängt allerdings mit einer japanischen Besonderheit zusammen. Festangestellte Mitarbeiter sind durch Betriebsrenten, Boni und andere Beihilfen teuer und nur nach einer hohen Abfindung kündbar. Aber fast 40 Prozent aller Jobs sind mit Zeitarbeitern besetzt. Diese "Irregulären" werden zu mehr als der Hälfte auf Stundenbasis bezahlt und verdienen im Schnitt 36 Prozent weniger als die Festangestellten.
Außerdem kosten sie die Firmen deutlich niedrigere Sozialabgaben. Solche Zeitarbeiter arbeiten in der Regel ohne eigene Verantwortung zu. Alle 34 entlassenen Fukoku-Mitarbeiter fallen in diese Kategorie. Daher dürften in Zukunft solche Arbeitsplätze zuerst automatisiert werden.

Das Hotel Henn-na, auf Deutsch übersetzt "das seltsame Hotel", wird fast komplett von Robotern betrieben. Es hat am 17. Juli eröffnet und befindet sich in dem Vergnügungs- und Freizeitpark Huis Ten Bosch in Sasebo, Nagasaki, in Japan.
Das Hauptziel des neuen Hotelkonzepts ist es, Komfort zum kleinen Preis anzubieten. Die Betreiber wollen das Konzept weltweit verbreiten. Wichtigste Bausteine zur Kostenreduzierung sind der Einsatz von Robotern im Service, eine standardisierte Bauweise und Ausstattung sowie ein Niedrigenergiekonzept inklusive Solar-Eigenversorgung.

Insgesamt arbeiten im Hotel mindestens acht Roboter. Sie werden an der Rezeption, im Service, als Gepäckträger, an der Schließfachverwaltung und beim Putzen eingesetzt. Rechts im Bild der Lobby ist der Roboter zu sehen, der die Wertsachen der Gäste verwaltet und in Schließfächern unterbringt. Die Betreiber garantieren eine reibungslose und freundliche Kommunikation mit den Maschinen.

Das Hotel hat zunächst mit 72 Zimmern eröffnet. Nach einem erfolgreichen Testbetrieb ist die doppelte Anzahl mit 144 Zimmern geplant. Die Universität von Tokio und das Institut für Industriewissenschaften der Universität Tohoku in Sendai unterstützen die Automatisierung des Hotels. Den Planern war es wichtig, dass das Hotel trotz Automatisierung nicht an Komfort und Freundlichkeit verliert.

An der Rezeption werden die Gäste von freundlichen aber teilweise auch seltsamen Robotercharakteren begrüßt und bedient. Neben der freundlichen Dame in der Mitte ist zum Beispiel rechts ein Dinosaurier im Einsatz. Das Ein- und Auschecken geschieht vollautomatisch. Das Hotel ist schlüssellos, die Gästeidentifizierung erfolgt über Gesichtserkennung. Wer durch die installierten Kameras erkannt wird, erhält Einlass ins Hotel und ins Zimmer.

Hier stellt sich einer der Rezeptionsroboter vor. Diese Dame ist für die japanischen Gäste zuständig und soll bei allen Fragen auf freundliche und natürliche Art helfen können. Beim Thema Sicherheit verlassen sich die Betreiber jedoch nicht auf Maschinen. Die 24-Stunden-Videoüberwachung des Hotels wird von echten Menschen übernommen.

Die englischsprachigen Gäste müssen mit dem Dinosaurier Vorlieb nehmen. Er soll aber genauso freundlich und klug sein, wie die japanische Kollegin. Weitere Sprachen sind geplant. Man darf gespannt sein, welche weiteren Charaktere dann hinter der Rezeption zu finden sein werden.

Das ist der vollautomatische Gepäckträger. Einfach die Zimmernummer eingeben und los geht es. Typisch japanisch: Er spielt laute Gute-Laune-Musik, während er den Koffer auf das Zimmer bringt.

Die Zimmer werden auch von Robotern geputzt. Die Funktionalitäten können bequem über ein Tablet gesteuert werden. Die Zimmerausstattung und der Service im Hotel beschränken sich auf das Wesentliche. Es gibt weder ein Restaurant noch einen Zimmer- oder Wäscheservice. Fürs leibliche Wohl sorgen Snack- und Getränkeautomaten. Ein Doppelzimmer kostet zwischen 100 und 150 Euro, im Vergleich zu anderen Hotels diesen Standards in Japan ein Schnäppchen.
Trotzdem wird die Zahl der Arbeitslosen in Japan deswegen nicht nach oben schnellen. Denn in vielen Service-Branchen sind Arbeitskräfte so knapp wie noch nie. In Japan herrscht bei einer Arbeitslosenrate von 3,1 Prozent de facto Vollbeschäftigung - und dies trotz einer seit Jahren steigenden Zahl von Erwerbstätigen.
Auf 100 Arbeitssuchende kamen zuletzt 141 Stellenangebote. Darunter sind viele Tätigkeiten im Einzelhandel, in Restaurants, auf dem Bau und in der Altenpflege. Solche Arbeiten werden oft in Teilzeit und mit begrenzter Vertragszeit vergeben, weil Firmen und Geschäfte die Festanstellung scheuen. In diesen Bereichen könnten die freigesetzten Zeitarbeiter aus den Versicherungsfirmen ohne großen Verdienstrückgang schnell unterkommen.
Noch ein zweiter Faktor macht Japan zum Sonderfall. In Nippon ist es nämlich die wichtigste Aufgabe eines Unternehmens, Arbeitsplätze zu schaffen und bis an die Grenze des Möglichen zu erhalten. Der Gewinn und die Dividende spielen traditionell eine untergeordnete Rolle.
Auch wenn es für festangestellte Mitarbeiter gerade keine "richtige" Arbeit gibt, werden sie trotzdem beschäftigt - und sei es auf scheinbar sinnlose Weise. Oft sieht man Menschen, die Schilder mit Informationen hochhalten (zur Veranstaltung XYZ nach rechts gehen) oder überflüssige Durchsagen mit dem Megafon machen (Die Rolltreppe ist kaputt, bitte die Treppe nehmen). Darüber kann man sich lustig machen. Aber das schont den Sozialstaat und die Allgemeinheit.
Unter den vielen offenen Stellen finden sich auch Jobs, die es in Deutschland gar nicht gibt: Etwa Parkplatzwächter für Supermärkte und Einkaufsmeilen. Diese Jobs sind dem japanischen Service-Gedanken geschuldet, dass der Kunde schon auf dem Parkplatz das Gefühl bekommen soll, umsorgt zu sein. Oder die Einweiser vor größeren Baustellen, die den Verkehr regeln. Diese Jobs sind eine Folge der engen Straßen und der vielen Menschen, die das An- und Abfahren von Lieferfahrzeugen erschweren.
Für solche Aufgaben wird man auch in Zukunft keine künstliche Intelligenz einsetzen. Japan scheint damit ein gutes Umfeld zu haben, um die kommende Automatisierung ohne soziale Aufstände zu verkraften.
In dieses Bild passt die Nachricht, dass es selbst einem speziellen KI-Programm nicht gelungen ist, die Aufnahmeprüfung der Universität Tokio zu bestehen. Die Forscher haben ihr Projekt vor wenigen Wochen aufgegeben. "KI ist nicht besonders gut bei Prüfungsfragen, die ein Verständnis über ein breites Spektrum voraussetzen", gestand Professor Noriko Arai vom Nationalen Informatik-Institut.










