Schneeballsystem auf Instagram Hauptsache, große Namen!

Reich werden, während andere einkaufen? Mit diesem Versprechen ködert Lyconet Menschen in sozialen Netzwerken. Quelle: dpa

Reich werden, während andere einkaufen? Mit diesem Versprechen ködert Lyconet Menschen in sozialen Netzwerken. Um Vertrauen zu gewinnen, setzt das Unternehmen auf prominente Partnerunternehmen – teils ohne deren Wissen.

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Der Mann versuchte vor allem, mit prominenten Namen mein Vertrauen zu gewinnen. Klar, das macht Eindruck. Das vermittelt Seriosität. Obi, Douglas, MediaMarkt, Fressnapf, McDonald’s, Walmart, Red Bull, sogar der Formel 1. Alle seien dabei, so säuselte er am Telefon.

Er hatte mich auf Instagram angeschrieben, um mich als Vertriebler von Lyconet zu gewinnen. Und ich hatte mich darauf eingelassen. Nicht um reich zu werden, wie er mir versprach. Sondern weil ich neugierig war.

Lyconet ist eine Vertriebsplattform, die eine der ältesten Abzocken derzeit in den sozialen Netzwerken aufblühen lässt: das Schneeballsystem. Und zwar mit Bonuskarten, mit denen man beim Einkaufen Geld sparen soll. Sogenannte Cashback-Karten. Auch der Mann, der mich via Instagram kontaktiert hat, vertreibt solche Karten. Und er will mich zu seinem Kollegen machen.

Der Unterschied zur in Deutschland bekannten Payback-Karte, die man bei jeder großen Handelskette vorzeigen kann: Man bekomme, so erzählt er es mir später am Telefon, beim Einkaufen sofort sein Geld zurück. Ein bis zwei Prozent des Betrags. Ich würde an Leuten mitverdienen, denen ich eine Karte gebe und die damit einkaufen gehen. An neuen Unternehmen, die ich anwerbe. Und an neuen Vertriebspartnern, die ich mit ins Boot hole.

Wie viel ich verdiene, wird in „Shopping Points“ gemessen, die immer dann entstehen, wenn jemand die Karte im Laden vorzeigt. Wie bei einem Videospiel: Je mehr Punkte ich sammle, desto schneller erreiche ich ein neues Karrierelevel. Hannes erzählt mir, dass er selbst auf Level 3 sei. Verdienst: 200 Euro im Monat. In Level 8 komme man auf bis zu 150.000 Euro im Monat. Nur dadurch, dass andere Leute einkaufen gehen.
Der Haken: Um Geld zu verdienen, muss ich erst mal Geld reinstecken. 299 Euro für die Software, mit der ich Kunden, Unternehmen und neue Marketer registrieren kann. Und 2000 Euro für das Starter-Paket. An einem Stichtag bekomme man das Geld zurück und zusätzlich eine monatliche Umsatzbeteiligung. So zumindest das Versprechen.

Tatsächlich, so erfahre ich später, gibt es unzählige Menschen, die in Vorkasse gehen – aber nie etwas von dem Geld wiedersehen. Und es gibt einige große Unternehmen, die ihren Namen eher unfreiwillig hergeben.

In Deutschland machen kaum Händler mit. Schon gar keine großen Ketten. Sondern: Friseurläden, Nagelstudios, Wirtshäuser. „Alle, die wirtschaftlich schlecht dastehen und die Möglichkeit, mit der Rabattkarte neue Kunden zu gewinnen, als letzte Rettung ansehen“, erzählt mir ein Aussteiger aus der Lyconet-Chefetage, der anonym bleiben möchte.
In Wahrheit, erklärt er, kaufe die Firma bei den großen Handelsketten in hoher Stückzahl Gutscheine. Dadurch werde Lyconet Großkunde - und gebe einfach umgekehrt die großen Handelsketten als Partnershops aus. Die Gutscheine verteile man an die Marketer. Deren Wert stünde jedoch nicht ansatzweise im Verhältnis zum dem Geld, das die Marketer wirklich investieren.

Mit manchen großen Ketten ist Lyconet über ein sogenanntes Affiliate-Marketing-Programm verbunden: Lyconet lenkt Besucher der eigenen Webseite auf die von MediaMarkt, Müller oder Saturn - und erhält dafür eine Vermittlungsprovision. Die Cashback-Karte von Lyconet akzeptieren die großen Ketten nicht. Für die meisten Besucher, die auf die Webseite der Einkaufsgenossenschaft von Lyconet gehen, sieht es aber so aus, als handele es sich bei den großen Ketten um Partnerunternehmen. Zumal Lyconet diesen eine Partnershop-ID zuweist, genauso wie den eigentümergeführten Kleinbetrieben, die die Cashback-Karte tatsächlich akzeptieren.

von Peter Steinkirchner, Rüdiger Kiani-Kreß

Ein Anruf bei Douglas: Eine Sprecherin der Parfümeriekette betont, dass Douglas kein Partnerunternehmen von Lyconet sei. Die Verbindung beschränke sich „lediglich auf eine punktuelle Zusammenarbeit im Bereich des Affiliate-Marketings in sehr geringen Umfang“.
Von den dubiosen Geschäftspraktiken von Lyconet, so die Sprecherin der Parfümiere-Kette, habe Douglas keine Kenntnis. In Zukunft werde man jedoch jegliche Zusammenarbeit einstellen. Ähnliches höre ich bei Saturn, MediaMarkt und Fressnapf. Alle hat Lyconet als Cashback-Partnerunternehmen angegeben. Und alle ohne Zustimmung.

Lyconet weist auf Anfrage jegliche unlautere Absicht von sich: Davon, dass Marketer in sozialen Netzwerken falsche Gewinnversprechungen machen, habe Lyconet „keinerlei Kenntnis“.  Auch den Vorwurf, mit falschen Partnershops zu werben, weist das Unternehmen zurück. Trotzdem wird auf der Webseite etwa mit dem Logo der Fast-Food-Kette McDonald’s geworben. Hauptsache, große Namen!

Ausgerechnet in sozialen Netzwerken funktioniert die älteste Masche der Welt besonders gut: das Schneeballsystem. Wie Kriminelle die digitalen Biotope der Eitelkeit und Selbstinszenierung ausnutzen, lesen Sie hier.

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